Indonesien: Deutsche Unternehmen blicken optimistisch nach vorne
Ob Suharto oder Wahid - Hauptsache der Motor brummt
Watch Indonesia hat uns per e-mail einen Artikel aus der Financial Times Deutschland geschickt, der sich mit der Entwicklung der deutsch-indonesischen Wirtschaftsbeziehungen befasst. Was die Kritik der politischen Ökonomie immer schon sagen wollte, sich aber - angesichts des vorherrschenden wirtschaftsliberalen Klimas - kaum noch zu sagen traut, hier wird es nüchtern und fast geschäftsmäßig zur Kenntnis gebracht: Deutsche Unternehmer sind mit jeder Politik jedes Regimes zufrieden, wenn sie ihnen wirtschaftliche Bewegungfreiheit garantiert. Und die deutsche Außenpolitik? Nun, sie hat sich diesem Primat der Ökonomie zu beugen. Bei Auslandsreisen eines Außenministers (bei denen der Tross der Wirtschaftsbosse die Abteilung der politischen Berater regelmäßig um ein Vielfaches übersteigt) darf für die Medien zu Hause durchaus ein wenig Menschenrechts- und Demokratierhetorik beigesteuert werden, ansonsten ist business as usual angesagt - zum Wohl der Unternehmen und zum Frommen des Profits. So gesehen ist der folgende Artikel, den wir leicht gekürzt haben, ein Lehrstück in Sachen real existierender globaler Kapitalismus und eine Ohrfeige für die rot-grüne Außen- und Entwicklungspolitik, die Moral predigt und Unmoral begünstigt.
Freunde auf immer und ewig
Von Torsten Engelhardt, Hamburg
Mit kräftiger Unterstützung der rot-grünen Bundesregierung
haben deutsche Firmen in Indonesien nahezu problemlos den
Übergang von der Diktatur zur Demokratie gemanagt.
Bei uns herrscht höchste Zufriedenheit", berichtet Fritz Kleinsteuber.
Die Exportindustrie entwickele sich prächtig, die deutschen Banken
hätten langfristig umgeschuldet, bei den Autobauern brumme es und die
Chemieindustrie erfreue sich kräftiger Zuwächse. Nur die Investitionen
blieben noch zurück. "Doch der Blick nach vorne", so der Direktor der
deutsch-indonesischen Handelskammer (EKONID) in Jakarta, "sei
optimistisch".
Manch deutscher Unternehmer findet im neuen Indonesien allerdings
auch Anlass zur Klage. Es sei schlimmer geworden, sagt ein
Roh-stoffhändler: "Früher bekam man hier etwas für sein Schmiergeld;
heute weiß man nie, wer noch alles die Hand aufhalten wird." Und ein
Geschäftsmann aus Berlin bekennt: "Mir war die offene Korruption des
alten Regimes lieber, als die unkalkulierbare von heute."
Zwei Jahre nach dem Sturz des indonesischen Diktators Suharto
regieren im Reich der 210 Millionen Einwohner noch immer Chaos,
Gewalt und Korruption. Vetternwirtschaft, Bestechungsgelder und
Umgehung des Wettbewerbes waren in Indonesien stets im Spiel. Wer
nicht mitmachte, bekam kein Bein auf den Boden, gaben selbst seriöse
Unternehmer hinter vorgehaltener Hand zu.
Wenig Erfolg bei Demonstrationen
Seit Oktober 1999 haben sich allerdings die politischen
Rahmenbedingungen in Indonesien geändert. Unter Präsident
Adurraham Wahid regieren erstmals vom Volk Gewählte. Sie versuchen
das Land zu demokratisieren, Korruption zu bekämpfen und Verbrechen
aufzuarbeiten. Bisher jedoch mit wenig Erfolg.
Der hingegen ist den Repräsentanten deutscher Unternehmen in Jakarta
schon wieder vergönnt. Von den Folgen der Finanzkrise 1997/98, die
Indonesien in die Zahlungsunfähigkeit trieb und die Karriere Suhartos
beendete, haben sich die Gäste offensichtlich schneller erholt als der
Gastgeber. Wie haben sie die Grätsche zwischen Schadensbegrenzung
und Neuorientierung gemeistert?
Gut und leise. Die Umstrukturierungen deutscher Unternehmen in
Indonesien seien weitgehend abgeschlossen, versucht
Handelskammer-Chef Kleinsteuber das Phänomen zu erklären. "Wir
rechnen nicht mehr mit größeren Vergangenheitsbewältigungen." Dass
es so glimpflich verlief, hat die Betroffenen selbst überrascht. "Wir
hatten erwartet, dass uns das enge Verhältnis zu Suharto und Habibie
um die Ohren gehauen wird", gibt Kleinsteuber zu.
Gespaltene Zunge
Bisher kam es dazu nicht. Möglicherweise auch, weil die rot-grüne
Bundesregierung den Unternehmern tatkräftig zur Seite stand. Berlin
fährt in Indonesien einen Kurs mit gespaltener Zunge: Während
Außenminister Joschka Fischer der jungen Demokratie Unterstützung
zusichert, mehr Transparenz und Rechtsstaatlichkeit fordert, übt das
Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) Druck auf die Regierung in
Jakarta aus. Damit umstrittene Verträge aus alten Zeiten auch künftig
noch gelten. Zumindest dort, wo der deutsche Staat für das Risiko
bürgt.
Der Wert aller noch offenen Hermes-Bürgschaften für Geschäfte mit
Indonesien beträgt heute 9,8 Mrd. DM. Schadensfälle hat es bereits
gegeben. "Aus rein wirtschaftlichen Gründen", heißt es dazu aus dem
Wirtschaftsministerium. In erster Linie sei die Asienkrise und der mit
ihr verbundene Verfall der indonesischen Währung Ursache für die
Zahlungsprobleme Jakartas. Nicht etwa der politische Wandel. Das
BMWi rechnet für 2001 mit weiteren Hermes-Schäden, für deren
Deckung im Haushalt Sorge getragen werde.
Auf insgesamt 19,1 Mrd. DM summierten sich die deutschen
Investitionen in Indonesien bis Ende 1999. Hinzukommen rund 6 Mrd.
DM an Entwicklungshilfe, die Jakarta seit 1960 aus Bonn erhielt. Bei
deutschen Kreditinstituten sollen nach Aussagen eines Beraters der
Deutschen Bank indonesische Schulden von rund 4 Mrd. DM
aufgelaufen sein. In den 90er Jahren exportierte die Bundesrepublik
einen Warenwert von 3 bis 5 Mrd. DM jährlich ins Inselreich.
Ohne Partner im Clan des Diktators wären Geschäfte dieser
Größenordnung kaum zu meistern gewesen. Die Suhartos regierten ein
Geflecht von über 1200 Firmen in allen Bereichen der Wirtschaft. Ein
Vermögen zwischen 15 und 45 Mrd. $ soll Suhartos Familie während
dessen 32-jähriger Amtszeit angehäuft haben.
Deutsche Firmen an Clans beteiligt
Mindestens 44 westliche Firmen waren an diesem Geflecht direkt
beteiligt. Vor allem japanische oder US-Konzerne, aber auch
Unternehmen wie Siemens oder die Deutsche Telekom gehören dazu. In
der Regel musste ein ausländischer Investor ein Clan-Unternehmen mit
10 bis 15 Prozent beteiligen, um den Zuschlag für ein Großprojekt zu
erhalten. Ausschreibungen gab es nur in Ausnahmefällen. Das zog
Mauscheleien geradezu an: Im August teilte Indonesiens
Generalstaatsanwalt Marzuki Darusman mit, dass "Ermittlungen gegen
deutsche Firmen wegen Korruptionsverdacht laufen".
Die Deutschen verfügten über direkte Drähte in die Regierung. Dort
saßen Minister, die in Deutschland studiert und bei Siemens oder MBB
gearbeitet hatten. ...
Investitionsvorhaben - vor allem im Bereich der Stromversorgung - seien
folglich "maßlos überteuert gewesen und haben zur Produktion von
Überkapazitäten geführt", ist aus Kreisen der Weltbank zu hören. 1994
warnte die Bank vor überflüssigem Strom von Privatinvestoren. In einem
vertraulichen Bericht von 1998 beklagt sie, dass Aufträge nicht durch
Wettbewerb vergeben wurden.
Unterlassene Ausschreibung
Ein deutsches Großprojekt ist das Kohlkraftwerk "Paiton II" im Osten
der indonesischen Insel Java: Gesamtleistung 1240 Megawatt,
Investitionsvolumen 1,7 Mrd. $, keine Ausschreibung. An dem
Build-Own-Operate-Projekt ist Siemens mit 50 Prozent, die britische
Firma PowerGen mit 35 beteiligt. Die restlichen 15 Prozent hält ein
Unternehmen, dessen Hauptgesellschafter Suhartos Sohn Bambang
Trihatmodjo ist.
Mit dem staatlichen Stromabnehmer Perusahaan Listrik Negara (PLN)
schlossen die Betreiber im Jahr 1995 einen Vertrag ab, der die PLN
verpflichtet 30 Jahre lang Energie zum Festpreis von zunächst 6,6
später 6,1 US-Cent pro Kilowattstunde abzunehmen. Die PLN verteilt
den Strom und verkauft ihn weiter an die Endabnehmer; aufgrund des
Währungsverfalls und gesunkener Stromnachfrage ist sie inzwischen
zahlungsunfähig. Ihre Kosten könne die PLN mit diesem Kilowattpreis
ohnehin nur mit Mühe decken, urteilt ein Weltbankmitarbeiter. "Die
Stromerzeuger haben mit der PLN zu Mondpreisen abgeschlossen, das
war das Monkey-Business", sagt ein deutscher Interessenvertreter in
Jakarta.
Auswuchs korrupter Gebräuche
1999 kündigte die neue Regierung 13 der 26 Verträge mit privaten
Stromerzeugern; bei den restlichen sollten Prüfungen stattfinden, "ob
sie unter Ausnutzung von Vetternwirtschaft zustande gekommen sind". Die
Verträge seien ein Auswuchs der korrupten Gebräuche des
Suharto-Clans gewesen, sagte kürzlich Djiteng Marsudi. Er unterschrieb
1995 für die PLN die Papiere.
Die Saubermann-Politik der Regierung Wahid alarmierte die
Kreditversicherer. Im Auftrag ihrer Regierungen bürgen sie für viele
Projekte. So ist das Siemens-Kraftwerk Paiton II mit einer
Hermes-Bürgschaft von 494 Mio. $ und einem beteiligungsähnlichen
Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) von 540 Mio. $
abgesichert. Ex-Kanzler Kohl hatte sich dafür stark gemacht und sogar
auf die bei Bürgschaften übliche Kaufgarantie des indonesischen
Staates verzichtet.
Seit Mitte 1999 laufen hektische Verhandlungen, um eine gütliche
Einigung an der Stromfront. Auf deutscher Seite sind das BMWi, die
Hamburger Hermes-Versicherer und die KfW beteiligt. Mit am Tisch
sitzen außerdem Kreditversicherer wie Regierungsvertreter Japans, der
Schweiz und der USA, die Weltbank, die Asian Development Bank
(ADB), sowie die PLN und die Regierung in Jakarta.
Politischer Druck
Massiver Druck sei auf die indonesische Regierung ausgeübt worden,
berichtet ein Teilnehmer. In einem Brief der Kreditversicherer an die
Regierung in Jakarta heißt es: "Von einer Lösung der Stromfrage wird
das künftige Investitionsklima ihres Landes abhängen und unsere
Möglichkeiten für weitere Zusammenarbeit."
Die Drohung zeigte Wirkung. Im Oktober einigten sich die deutsche und
die indonesische Regierung auf eine "vorübergehende Lösung" des
Energieproblems: Zahlungsaufschub für die bisher aufgelaufenen
PLN-Schulden. Eine endgültige Vereinbarung sei bis Mitte 2001 geplant,
heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Man gehe davon aus, dass
das Projekt auf lange Sicht wirtschaftlich tragfähig sei - aufgrund
steigender Nachfrage. Über Details der angestrebten, endgültigen
Vereinbarung schweigen sich BMWi und Siemens aus. Die Stromtarife
für das mit 143 Mrd. $ im Ausland verschuldete Indonesien zu senken,
bedeutet Verluste für Siemens, PowerGen und Suhartos Sohn. Auf
einen Teil der Schulden zu verzichten oder Paiton II zu schließen, würde
zudem den Bundeshaushalt belasten.
Unter den Tisch fiel bei bisherigen Schadensbegrenzung die Frage, wie
die umstrittenen Verträge zustande gekommen sind. Es habe im
Zusammenhang mit Korruptionsgerüchten über Paiton II bisher weder
staatsanwaltschaftliche Ermittlungen noch Gerichtsverfahren in
Indonesien gegeben, sagen Sprecher von Siemens und BMWi. "Wir
gehen davon aus, dass die Verträge rechtswirksam zustande kamen
und Bestand haben", heißt es aus dem BMWi. Immerhin eine offene
Hintertür, aus dem das Ministerium im politischen Notfall
hinausschlüpfen könnte. Doch mit weiteren Ermittlungen von
Generalstaatsanwalt Darusman müssen die Deutschen wohl nicht mehr
rechnen. Präsident Wahid ließ alle Untersuchungen gegen
Stromerzeuger einstellen.
Zufriedene Unternehmer
War es Zufall oder Teil des Pakets, dass die Bundesregierung der
indonesischen Regierung - gleichzeitig mit der vorübergehenden Lösung
des Stromproblems - Entwicklungshilfezusagen in Höhe von 223 Mio.
DM machte? "Entwicklungshilfe wurde bei den Stromverhandlungen
nicht direkt als Hebel eingesetzt", so das Ministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Die deutschen Unternehmer in Indonesien sind jedenfalls zufrieden.
Entspannt lauschten sie Anfang November dem Ehrengast aus dem
fernen Berlin. Auf einem Empfang der deutsch-indonesischen
Handelskammer sprach Außenminister Fischer von demokratischer
Transparenz und Rechtsstaatlichkeit als Voraussetzung für
wirtschaftlichen Aufschwung; davon, dass Entwicklungshilfe nicht an
Bedingungen geknüpft werde und vom Balanceakt zwischen Stabilität
und Gerechtigkeit. Wenig beeindruckt murmelte ein deutscher
Geschäftsmann: "Seit Präsident Wahid kümmern wir uns nicht mehr um
Indonesiens Politik."
Aus: Financial Times Deutschland, 24. November 2000
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