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Für den Schutz der Ahmadiyas

Menschenrechtsorganisationen warnen vor Verfolgung religiöser Minderheiten in Indonesien

Von Thomas Berger *

Mit einem offenen Brief haben sich acht indonesische Menschenrechtsorganisationen, darunter die beiden auch international bekannten Vereine Kontras und Imparsial, sowie Amnesty International an den Präsidenten des südostasiatischen Landes, Susilo Bambang Yudhoyono, gewandt. Man befinde sich auf einem verhängnisvollen Weg, mahnen die Organisationen in ihrer gemeinsamen Erklärung mit Blick auf sich häufende Übergriffe radikaler islamischer Gruppen auf Angehörige religiöser Minderheiten. Die Politik müsse dringend stärkere Anstrengungen unternehmen, um die grundlegenden Rechte aller Bürger unabhängig von ihrem Glauben zu schützen.

Religiös bedingte Gewalt hat es in dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Erde, das sich über 17000 Inseln erstreckt, immer wieder gegeben. Die Menschenrechtsaktivisten konstatieren aber eine akute Zunahme der Vorfälle in den letzten Monaten. Opfer der Attacken sind diesmal jedoch nicht, wie sonst meistens, christliche Gruppen, sondern die Ahmadiyas. Die Anhänger dieser islamischen Gruppierung stellen in Frage, ob Mohammed der letzte Prophet war, und werden deshalb von radikalen Vertretern der Mehrheit nicht als echte Muslime anerkannt. Die Mitarbeiter von Kontras haben allein in den ersten drei Monaten des Jahres 62 Übergriffe auf Ahmadiyas registriert.

Gegenüber Vertretern der religiösen Massenorganisationen im Land wie Muhammadiya, Nadlatul Ulema (NU) und dem Rat der protestantischen Kirchen hat Amnesty International die Situation zur Sprache gebracht, während die einheimischen Organisationen die Lage mit der Polizei erörtern. Dabei geht es um Vorwürfe, wonach Beamte teilweise nicht nur nicht die Verfolgten beschützt hätten, sondern sich sogar aktiv an den Übergriffen beteiligten.

Von der Regierung wird außerdem eine Rücknahme des Gesetzes von 2008 verlangt, das die Ahmadiyas diskriminiert. Die beteiligten Organisationen haben rund 20 Fälle zusammengetragen, bei denen lokale oder regionale Behörden unter Berufung auf die nationalen Vorschriften den Ahmadiyas die öffentliche Ausübung ihrer Religion direkt untersagt haben. Für ein multikulturelles Land wie Indonesien sei so etwas nicht hinnehmbar: »Das Versäumnis oder die mangelnde Fähigkeit der Zentralregierung, zum Schutz der Bürger einzuschreiten, ist eine potentielle Katastrophe«, warnte der ai-Regionaldirektor für Asien und den Pazifik, Zaman Zia-Zarifi, in Jakarta. Von seinem Treffen mit den religiösen Führern zeigte er sich ermutigt. Man teile die Sorgen und die Ansicht, daß die Gewalt aufhören müsse, sagte Zia-Zarifi vor der Presse.

Obwohl Muhammadiya und NU mit ihrer moderaten Auslegung des Islam eine große Mehrheit der indonesischen Muslime repräsentieren, gibt es eine zunehmende Zahl extremistischer Gruppen. Allein in dieser Woche kam es in Bogor, nur eine Fahrtstunde südlich der Hauptstadt Jakarta, erneut zu einem Übergriff auf Ahmadiyas, als fünf Häuser in einem Dorf von einer aufgebrachten Menschenmenge verwüstet wurden.

* Aus: junge Welt, 16. April 2011


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