Deutsche Kriegsschiffe im Einsatz
Indonesien: Militär bekämpft Unabhängigkeitsbewegung in Aceh - Abgeordnete: "Das ist vertragswidrig"
Im Folgenden dokumentieren wir einen Beitrag aus der "Monitor"-Sendung der ARD vom 19. Juni 2003, in dem der Frage nachgegangen wurde, warum deutsche Waffen, in diesem Fall Kriegsschiffe, in Indonesien zur Bekämpfung einer Unabhängigkeitsbewegung eingesetzt werden können.
MONITOR Nr. 504 am 19. Juni 2003
Bürgerkrieg in Indonesien: Deutsche Kriegsschiffe im Einsatz
Bericht: Kim Otto, Moritz Kleine-Brockhoff
Sonia Mikich: "Ein Blick ins Ausland: Deutschland will Verantwortung
in der Welt übernehmen. In Bosnien, Afghanistan und jetzt auch im
Kongo - mit eigenen Truppen. Ein Bekenntnis zum Frieden, zur
Einhaltung von Menschenrechten. Klingt gut, gilt nicht überall.
Mit den Zuständen in Indonesien ist die rot-grüne Regierung seltsam
unvertraut. Dort herrscht Bürgerkrieg, und die Menschenrechte werden
schon lange schwer verletzt. Wir zeigen erstmalig, dass aus
Deutschland stammende Kriegsschiffe in der Unruheprovinz Aceh
eingesetzt werden. Und weisen nach, wie die indonesische Regierung
Vertragsbruch begeht. Davor hatten vor Jahren vor allem SPD-Politiker
gewarnt - noch in der Opposition.
Doch genauso ist es gekommen: Menschenrechtsverletzungen mit
deutscher Hilfe. Kim Otto und Moritz Kleine-Brockhoff haben in
Deutschland und Indonesien recherchiert."
In der indonesischen Provinz Aceh. Seit vier Wochen schießen
Regierungstruppen auf Rebellen der sogenannten Freiheitsbewegung.
Aber nicht nur auf bewaffnete Rebellen, sondern auch auf Zivilisten.
Einheimische:
"Er wurde auf der Straße zusammengeschlagen. Da
nahmen die Soldaten ihn mit hinters Haus, und ich hörte einen Schuss.
Sie töteten ihn."
Im Aceh-Konflikt starben bislang 11.000 Menschen, darunter viele
Zivilisten. 35.000 Bewohner sind jetzt auf der Flucht.
Beteiligt an dieser blutigen Offensive sind auch Kriegsschiffe der
ehemaligen NVA-Flotte, wie hier im Bild das Landungsboot Teluk
Gilimanuk, die ehemalige Hoyerswerda. Sie bringt Nachschub und
Soldaten nach Aceh. Bilder, die in Deutschland das erste Mal
veröffentlicht werden.
Rückblick 1991: Die Kohl-Regierung verkauft 39 ehemalige
NVA-Kriegsschiffe an Indonesien. Schon damals eine Krisenregion.
Starker Protest dagegen nicht nur von Demonstranten, sondern auch
von der gesamten SPD-Bundestagsopposition.
Dr. Elke Leonhard, SPD, Verteidigungsausschuss:
"Die
NVA-Schiffe sollten 1991 nach Indonesien geliefert werden, und wir
haben zu dem Zeitpunkt sehr hart protestiert, weil die
Menschenrechtsverletzungen in diesem Bereich eklatant waren. Und
insofern haben wir nicht nur aus Verantwortungsethik, sondern auch
aus unserer juristischen Grundlage heraus scharf protestiert."
Protest, weil diese Kriegsschiffe auch zu innerstaatlichen Konflikten
eingesetzt werden könnten. Jetzt ist das eingetroffen, was befürchtet
wurde: Die Schiffe transportieren Soldaten und Waffen, um die Rebellen
in Aceh zu bekämpfen. Das ist vertragswidrig: MONITOR liegt der
strikt geheime Vertrag zwischen dem deutschen
Verteidigungsministerium und dem Forschungsministerium von
Indonesien vor. Dort steht eindeutig:
"Der Käufer verpflichtet sich, die Vertragsgegenstände
nur zum Zwecke des Küstenschutzes, der
Seewegsicherung sowie zur Bekämpfung von Schmuggel
... zu nutzen."
Dr. Elke Leonhard, SPD, Verteidigungsausschuss:
"Wenn sich die
Fakten erhärten und keine Manipulation vorliegt, dann ist das eindeutig
und klar Vertragsbruch. Paragraph 10 und 11 des bilateralen Vertrages,
der damals geschlossen wurde zwischen der indonesischen Regierung
und unserer sind eindeutig, und hier müssten sofort Sanktionen
einsetzen."
Die Teluk Jakarta - die ehemalige Eisenhüttenstadt - im Hafen von
Lhoseumave in der Provinz Aceh vor vier Wochen. Nicht nur
Militärlastwagen werden entladen, sondern bewaffnete Kampfeinheiten,
die gegen die Rebellen eingesetzt werden. Ein klarer Vertragsbruch.
Weiß das Verteidigungsministerium von dem vertragwidrigen Einsatz
der NVA-Schiffe?
Hans Georg Wagner, Parlamentarischer Staatssekretär
Verteidigungsministerium:
"Nicht zuletzt Ihre Recherchen haben uns
dazu geführt, näher hinzusehen. Denn wie sollte man ohne Ihre
Recherchen merken, dass sich in dem Gebiet was getan hat? Aber es
war für uns mit ein Grund oder der Hauptgrund eigentlich, der Sache
nachzugehen. Inzwischen liegen Erkenntnisse vor, dass sie auch im
Rahmen der Aceh-Operation eingesetzt werden. Wir haben in dieser
Angelegenheit über die Deutsche Botschaft Kontakt zu der
indonesischen Seite aufgenommen, sind also in Verbindung getreten."
Dabei wurden diese Bilder bereits vor vier Wochen im indonesischen
Fernsehen gezeigt, aber das deutsche Verteidigungsministerium will
davon nichts mitbekommen haben, obwohl es einen Militärbeobachter
vor Ort hat. Keiner überprüft die Einhaltung des Vertrages. Nach
MONITOR-Recherchen wurden neben den zwei gezeigten auch vier
weitere Ex-NVA-Schiffe eingesetzt:
-
Teluk Jakarta ("Eisenhüttenstadt")
-
Teluk Gilimanuk ("Hoyerswerda")
-
Teluk Sibolga ("Schwerin")
-
Palau Raas ("Hettstedt")
-
Lambung Mangkurat ("Angermünde")
-
Iman Bonjol ("Teterow")
Hans Georg Wagner, Parlamentarischer Staatssekretär
Verteidigungsministerium:
"Das ist zunächst einmal Sache des
Auswärtigen Amtes, sich mit der indonesischen Regierung in
Verbindung zu setzen. Unsere Engagements sind damit beendet. Der
Vertrag wurde seinerzeit durch das Verteidigungsministerium
abgeschlossen, aber die weitere Verfolgung ist nicht mehr unsere
Sache."
Abwiegeln und Verantwortung weiterleiten. Das Auswärtige Amt gibt
uns kein Interview. Man werde die Entwicklung beobachten, so heißt es
lapidar. Die Bundesregierung, die noch 1991 - damals als Opposition -
offiziell protestierte, schweigt, trotzt vertragswidrigen Einsatzes.
Das Schweigen hat mit anderen Interessen zu tun: Vor vier Wochen
Staatsbesuch von Gerhard Schröder bei der indonesischen Präsidentin
Megawati Sukarnoputri. Menschenrechte stand nicht auf der
Tagesordnung. Stattdessen wurde ein Investitionsschutz- und
Förderabkommen unterschrieben.
Gerhard Schröder, Bundeskanzler:
"Deswegen sind wir natürlich
hier, um über den Ausbau der politischen Kontakte mit dafür zu sorgen,
dass ein so exportabhängiges Land wie Deutschland auch neue Chancen
hier bekommt."
Wirtschaft im Mittelpunkt der Beziehungen: das war offensichtlich auch
2001 so, als die rot-grüne Bundesregierung für diese ehemaligen
NVA-Schiffe - hier im Militärhafen von Jakarta - den Export neuer
Schiffsmotoren absegnete. Acht wurden geliefert. Dabei beklagten alle
internationalen Organisationen die Menschenrechtslage in Indonesien
und besonders das Militär-Vorgehen im Aceh-Konflikt. Die Gefahr, dass
die Schiffe dort eingesetzt werden, lag auf der Hand. Die
Bundesregierung segnete den Export trotzdem ab.
Dr. Bernhard Moltmann, Gemeinsame Konferenz Kirche und
Entwicklung:
"Die Tatsache, dass jetzt vor zwei Jahren noch
Schiffsmotoren als Ersatzteile für die bereits vorhandenen Korvetten
deutscher Herkunft geliefert worden sind, das ist eigentlich ein
politischer Skandal, weil die Bundesregierung damit den politischen
Richtlinien, die für Rüstungsexporte gelten, widersprochen hat. Diese
Richtlinien sehen vor, dass man Kriegswaffen und Rüstungsgüter nicht
in Staaten liefert, die Menschenrechte verletzen, oder in denen die innere
Sicherheit gefährdet ist."
Eines dieser Schiffe mit neuem Motor wird jetzt tatsächlich in Aceh
eingesetzt. Damit nicht genug: Weil die indonesische Regierung die
Motoren nicht direkt zahlte, bürgte die rot-grüne Bundesregierung noch
mit staatlichen Garantien. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage
der PDS im Deutschen Bundestag hervor. Dort ist zu lesen:
"Die Remotorisierung von acht Korvetten wurde mit zwei
Ausfuhrgewährleistungen (Hermes-Bürgschaften) über
insgesamt 24,2 Millionen Euro begleitet."
Wolf-Christian Paes, Internationales Konversionszentrum Bonn:
"Die Vergabe von Hermes-Bürgschaften für diese Exporte ist zumindest
unüblich und widerspricht dem Geiste der rot-grünen
Rüstungsexportpolitik. Hermes-Bürgschaften dienen ja eigentlich dazu,
zivile Exportgüter in Entwicklungsländer zu ermöglichen, und in diesem
Fall könnten die Schiffsmotoren ja sogar dazu beitragen, dass
Menschenrechtsverletzungen in Indonesien erst möglich gemacht
werden."
Das hätte die Bundesregierung schon 2001 wissen können. Zuständig
für den Export der Motoren und die Hermes-Bürgschaften ist das
Bundeswirtschaftsministerium. Zu Indonesien will man sich nicht vor
der Kamera äußern.
Bis heute Mittag ging kein offizieller Protest der Deutschen Regierung in
Indonesien ein, obwohl sie aufgrund unserer Recherchen von dem
vertragwidrigen Einsatz weiß.
In Aceh gehen währenddessen die blutigen Kämpfe gegen die Rebellen
und die Menschenrechtsverletzungen weiter.
Quelle: www.wdr.de/tv/monitor/
Siehe auch:
Indonesien: Deutsche Kriegsschiffe im Einsatz ..."
"Watch Indonesia!" kritisiert die verhängnisvolle Rüstungsexportpraxis
der Bundesregierung (23. Mai 2003)
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