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In Jakarta läuft vieles wie geschmiert

Auch Politiker fürchten inzwischen die Korruptionsermittler

Von Thomas Berger *

Im Kampf gegen die Korruption haben Indonesiens Sonderermittler jetzt auch die Volksvertreter im Visier.

Zahlreiche indonesische Abgeordnete befürchten derzeit, im Vorfeld der 2009 anstehenden Wahlen zum Ziel von Korruptionsermittlern zu werden. Wenn Indonesiens Politiker derzeit am Telefon sprechen, dann möglichst nicht über finanzielle Angelegenheiten. Die Gefahr, durch Missverständnisse auch unverschuldet unter Verdacht der Antikorruptionsbehörde (KPK) zu geraten, ist einfach zu groß. Das Abhören von Gesprächen gehört wie vieles andere zu den besonderen Befugnissen, die die Abgeordneten einst selbst den Ermittlern verschafft haben.

Indonesiens Politik und Gesellschaft, nicht nur in Zeiten der Suharto-Diktatur, sondern auch danach durch Günstlingswirtschaft, Vorteilsnahme und Schmiergeldzahlungen geprägt, sollte sauberer werden. In diesem Bestreben waren sich, zumindest nach außen hin, fast alle Parteien einig. Doch nun haben die ersten Skandale auch das nationale Parlament erreicht. Gegen sechs Abgeordnete wird unmittelbar ermittelt, und womöglich erstrecken sich die Maßnahmen bald auf alle 53 Mitglieder der Finanzkommission, einschließlich zweier Minister. Vertreter aus fast allen Fraktionen finden sich unter den Verdächtigen. Bislang sind Abgeordnete aus den Reihen der früheren Staatspartei Golkar, die die größte Fraktion stellt, der Demokratischen Partei, der Vereinigten Entwicklungspartei, der Reform Star Party und der Demokratischen Partei des Kampfes (PDI-P) verhaftet oder befragt worden.

In einem Fall geht es um die Umwandlung eines geschützten Mangrovenwaldes im Süden der größten Insel Sumatra in ein Hafengelände, dessen Bau 2009 fertig werden soll. Angeblich sollen in diesem Zusammenhang mindesten 800 Millionen indonesische Rupien (knapp 90 000 Dollar) Bestechungsgelder geflossen sein.

Yusuf Emir Faisal, Mitglied der parlamentarischen Kommission für Forsten, Landwirtschaft und Fischereiwesen, hat inzwischen über seinen Anwalt eingestanden, das Geld von einer bisher unbekannten Quelle erhalten und an den Schatzmeister und Vizechef seiner Nationalen Erweckungspartei weitergegeben zu haben. Selbst habe er nichts eingesteckt. Nach bisherigem Kenntnisstand ist auch der zuständige Minister Malan Samat Kaban selbst in den Fall verwickelt.

Im Ministerium stellte die Antikorruptionsbehörde ungeachtet der Proteste des verdächtigten Ressortchefs umfangreiches Aktenmaterial sicher, denn neben dem Mangrovenwald geht es inzwischen noch um einen weiteren Fall. Inwieweit Kaban dabei persönlich im Visier steht, wollten die Ermittler zunächst nicht mitteilen. Die Mitglieder der Finanzkommission wiederum werden verdächtigt, 2004 bei der Wahl eines neuen Vizechefs der Zentralbank Schmiergelder in Millionenhöhe angenommen zu haben, um für bestimmte Kandidaten ihre Hand zu heben.

Ein Parlamentarier der PDI-P hat im Zentralbankfall bereits ein Teilgeständnis abgelegt. Als möglicher Kronzeuge gegen alle Mittäter steht er unter dem besonderen Schutz der Ermittlungsbehörde. Jeder fünfte Mandatsträger könnte am Ende auf der Anklagebank landen, besagen seriöse Schätzungen. Im gerade beginnenden Wahlkampf um die Neuverteilung der Parlamentssitze nächstes Jahr kommen solcherlei Enthüllungen für einzelne Kandidaten wie auch für die betroffenen Parteien denkbar ungelegen. Gleichwohl geht es der KPK nicht nur um die Volksvertreter. Korruption zieht sich in Indonesien durch alle Ebenen. Auf der Liste von Transparency International belegt das südostasiatische Land einen traurigen Rang 143. Platz. weit abgeschlagen hinter Indien oder China Zumindest beim Zoll haben die Ermittler inzwischen manchen Fahndungserfolg vorzuweisen.

Einzelne Politiker bis hinauf zum Parlamentspräsidenten stärken den Mitgliedern der KPK den Rücken, fordern Ermittlungen selbst gegen die Regierung und den Obersten Gerichtshof sowie die Einführung der Todesstrafe in besonders schweren Korruptionsfällen. Andere befürchten allerdings angesichts immer neuer Skandale, dass die Bürger jegliches Vertrauen in die Institutionen verlieren könnten, was eine Gefährdung der noch jungen Demokratie bedeute.

* Aus: Neues Deutschland, 1. September 2008


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