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Alternative für Indien

Elf Parteien gründen "Föderale Front" gegen regierende Kongreßpartei und hindu-nationalistische BJP

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Elf politische Parteien Indiens haben sich zu Wochenbeginn in Neu-Delhi darauf geeinigt, eine gemeinsame Front gegen die regierende Kongreßpartei und die oppositionelle, hindu-nationalistische Indische Volkspartei (BJP) zu bilden. Das Bündnis aus regionalen und linken Kräften stellt sich als demokratische und säkulare Alternative dar und will nach den Parlamentswahlen im April/Mai das Regierungsruder übernehmen.

Gegenwärtig sind es sieben regionale und vier linke Parteien, die sich zur »Föderalen Front« zusammengeschlossen haben. Ihr Ziel ist klar umrissen. In einer gemeinsamen Deklaration vom Dienstag heißt es, es sei Zeit für eine Wende, für ein Ende der Kongreßpartei-Herrschaft sowie für gemeinsame Anstrengungen, um zu verhindern, daß die BJP an die Macht kommt. Die Basis für die »Föderale Front« sei der Kampf gegen die Korruption und für die Stärkung des Säkularismus und Föderalismus. Sharad Yadav, Präsident der Partei Janata Dal (United), erklärte hoffnungsvoll vor Journalisten: »Die nächste Regierung wird von unserer Front gebildet. Nur so werden Demokratie und Verfassung gerettet. Diese Bewegung wird von mehr Menschen getragen, als hinter der Kongreßpartei und der BJP stehen. Wir decken auch einen größeren geografischen Raum ab.« Tatsächlich breitet sich das Einflußgebiet der elf Parteien wie ein Flickenteppich von Nordostindien bis tief in den Süden aus.

Prakash Karat, Generalsekretär der KP Indiens (Marxistisch), nannte das verlangsamte Wirtschaftswachstum, starke Preisanstiege, Jugendarbeitslosigkeit und Gewalt gegen Frauen als Gründe für die angestrebte Abwahl der Kongreßpartei. Die Bauern seien verzweifelt in die Enge getrieben worden, Hunderttausende Ureinwohner und Kastenlose hätten ihre Existenzgrundlage verloren, und Korruption sei zum Attribut des herrschenden Establishments geworden. Die BJP müsse man wegen »ihrer Ideologie, die auf Spaltung, Uneinigkeit und Disharmonie« im multireligiösen Vielvölkerstaat zielt, bekämpfen.

Während sich die Kongreßpartei mit einer Bewertung der »Föderalen Front« noch zurückhält, versucht die BJP sie als Bündnis von »Traumtänzern« ohne jegliche Chancen lächerlich zu machen. Es handele sich um eine »zerrüttete Bewegung« voller innerer Widersprüche, die lediglich Handlanger der Kongreßpartei sei und dem BJP-Kandidaten für das Amt des Premiers, Narendra Modi, Steine in den Weg seines Siegeszuges legen wolle. In ihrer Stellungnahme verwies die rechtskonservative Partei darauf, daß jüngsten Meinungsumfragen zufolge nicht einmal vier Prozent der Wählerschaft für die Front stimmen würden. Ein beträchtliches Manko ist, daß die neue »Partei des kleinen Mannes« (Aam Aadmi Party; AAP) sich der Front nicht angeschlossen hat. Sie geht mit ihrem radikalen Antikorruptionskurs unabhängig in den Wahlkampf. Die anderen Parteien begegnen ihr mit Skepsis oder offener Ablehnung. Die »Föderale Front« trifft für den Wahlkampf zwar Absprachen, bildet aber keinen homogenen Block. Erst im Falle eines Sieges würde sie ein Regierungsbündnis schmieden und den Premier ernennen.

Bereits am 2. Februar hatten die elf Parteien eine gemeinsame Strategie für die letzte Parlamentssitzung vor den Wahlen beschlossen. Im Oktober 2013 hatten sie erstmals auf einer Zusammenkunft in Neu-Delhi unter dem Motto »Gemeinsam gegen den Kommunalismus« Flagge gezeigt. Unter diesem Begriff versteht man in Indien Versuche radikaler Gruppen und Parteien, Angehörige verschiedener Glaubensrichtungen gegeneinander auszuspielen, blutige Zusammenstöße zu initiieren und Feindschaft zu schüren. Wenn die »Föderale Front« jetzt die Parole »Kein Fortschritt ohne Frieden« ausgibt, dann will sie vor allem die kommunalistischen Kräfte nicht zum Zuge kommen lassen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 27. Februar 2014


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