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Aufstieg der Hindunationalisten

Indien: Die regierende BJP soll 88 Millionen Mitglieder haben – und damit die größte Partei der Welt sein

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Die hindunationalistische rechte Indische Volkspartei BJP (Bharatiya Janata Party) ist nach eigenen Angaben seit Ende März weltweit die größte politische Partei. Das passt gut zur Argumentation hiesiger Politiker, das Indien die »größte Demokratie der Welt« sei.

Unter dem Slogan »Sashakt BJP – sashakt Bharat«, »starke BJP gleich starkes Indien« hatten die beiden gestandenen, führenden Hindufundamentalisten, Parteipräsident Amit Shah und Indiens Premierminister Narendra Modi, vom 1. November bis 31. März die Kampagne zur Mitgliederwerbung geleitet.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Ende März zählte die Regierungspartei 88 Millionen Mitglieder, Sympathisanten und Mitläufer. Damit war das Ziel von 100 Millionen zwar nicht erreicht, doch die erste Position in der Welt konnte erobert und die KP Chinas mit ihren fast 87 Millionen Mitgliedern überholt werden.

Die Werbung der neuen Parteigänger war denkbar einfach: Das Anwählen einer bestimmten Telefonnummer reichte aus. Die Überprüfung der Identität, die exakte Registrierung und die Ausgabe der Mitgliedskarten erfolgt nun schrittweise.

Seit ihrem klaren Sieg bei den Parlamentswahlen im Mai 2014 tritt die BJP zunehmend forscher auf. Ob in ihrer Öffentlichkeitsarbeit, gegenüber den Medien, bei weitreichenden politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen an der Regierung oder die aggressiv geführte Wahlkampagne bei den vergangenen Bundeswahlen. Das Ziel ist, nicht nur von Neu-Delhi aus zu regieren. Vielmehr soll möglichst auch jeder Bundesstaat von der Partei kontrolliert werden.

In 13 der insgesamt 29 Bundesstaaten ist das bereits gelungen. Das gilt vor allem für Uttar Pradesh, wo die BJP bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr 71 von 80 Mandaten erhielt. Dort konnte sie bei der aktuellen Mitgliederkampagne auch den höchsten Zugewinn verbuchte. Auch in den meisten anderen Bundesstaaten – selbst im muslimisch geprägten Jammu und Kaschmir – ist der Einfluss der BJP unter dem Führungsduo Modi/Shah deutlich gewachsen. Nun geht es ihnen darum, die Basis dort zu schaffen oder zu erweitern, wo regionale Parteien oder die schwächer werdende Kongresspartei noch an der Macht sind.

Auch in anderen Bundesstaaten konnte die BJP zulegen. So in Westbengalen, wo der von der Kongresspartei abgespaltene Trinamool Congress ihre Hochburg hat; im von der Linksfront regierten Tripura sowie in Bihar und Punjab. Bei den Landtagswahlen in den kommenden beiden Jahren strebt die BJP an, dort ebenfalls an die Macht zu gelangen.

Doch erst kürzlich musste die Führung erkennen, dass Arroganz, Selbstzufriedenheit und Uneinigkeit schnell Chancen zunichte machen können. Sie erlebte ein Debakel, als sie im Februar bei Wahlen im Unionsterritorium Delhi lediglich drei der 70 Mandate bekam, während die noch junge alternative »Partei des kleinen Mannes«, Aam Aadmi Party, alle anderen einheimste.

Die BJP brauchte knapp 30 Jahre für ihren Aufstieg. Sie gilt als Nachfolgerin der 1951 gegründeten Bharatiya Jana Sangh. Diese schloss sich 1977 mit anderen Parteien zur Janata Party zusammen. Aus ihr ging 1980 die BJP als eigenständige Partei hervor. Die Janata Party spaltete sich in mehrere Gruppierungen auf, die nun erneut vor einem Zusammenschluss stehen.

Bei ihrer ersten Teilnahme an Parlamentswahlen 1984 errang die BJP lediglich zwei Abgeordnetensitze – nun ist sie die stärkste Fraktion in der Volksvertretung. Nach Jahrzehnten der fortwährenden Mobilisierung der hinduistischen Bevölkerungsmehrheit erhielt sie im Mai vorigen Jahres 282 Mandate. Zusammen mit Abgeordneten der Bündnispartner von der Nationalen Demokratischen Allianz hat die BJP zur Zeit 336 von 543 Sitzen inne.

* Aus: junge Welt, Samstag, 11. April 2015


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