Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gefährliche Geheimniskrämerei

Indiens Premier nach USA-Reise in der Kritik

Von Hilmar König, Delhi*

Die dieser Tage von Premier Manmohan Singh und USA-Präsident George W. Bush in Washington unterzeichnete gemeinsame Erklärung stößt in Indien auf breite Kritik.

Ob Linke oder hindunationalistische Indische Volkspartei (BJP), ob Wissenschaftler oder Strategieexperten – von allen Seiten hagelt es Vorbehalte gegenüber den Resultaten der USA-Reise des indischen Premierministers Manmohan Singh. Drei Themen stehen im Zentrum der Kritik. Da ist erstens der so genannte nukleare Deal, in dem sich Indien bereit erklärt, seine militärischen von den zivilen Nukleareinrichtungen zu trennen. Die zivilen Anlagen sollen für Inspektionen der Internationalen Atomenergie- Organisation (IAEA) geöffnet werden, wenn die USA ihre 1974 nach dem ersten indischen Atom-Test initiierten und 1998 nach der zweiten Testserie verschärften Restriktionen gegenüber dem zivilen Atomsektor Indiens aufheben. Die Regierung in Delhi bewertet das als Durchbruch der Jahrzehnte langen Isolation auf diesem Gebiet.

Ex-Premier und BJP-Spitzenpolitiker Atal Bihari Vajpayee glaubt jedoch, es sei unmöglich und viel zu kostspielig, zivile und militärische Nuklearanlagen voneinander zu trennen. Außerdem werde mit einem solchen Schritt das bisher allein von Delhi festgelegte Ausmaß der »nuklearen Abschreckung« gefährdet.

Auch die Linken meinen, Indien lege sich auf diesem Gebiet selber Fesseln an. Nilopat Basu von der KPI(Marxistisch) richtete die Aufmerksamkeit aber auch auf ein zweites umstrittenes Thema: das separat vereinbarte Dokument über eine globale indisch-US-amerikanische »Demokratieinitiative«. Angesichts des von den USA in Irak brutal betriebenen »Demokratieexports « hält Basu dieses Dokument für gefährlich und unvereinbar mit den traditionellen Prinzipien indischer Außenpolitik.

Als inakzeptabel kritisieren die linken Parteien, dass die Regierung erneut in einer fundamentalen Frage nationaler Sicherheit die öffentliche Debatte gescheut und sogar Koalitionspartner vor vollendete Tatsachen gestellt hat. Selbst Raja Mohan, namhafter Kolumnist mit offener Sympathie für die USA, monierte diese Art von Geheimniskrämerei, die auch schon von Ex-Premier Vajpayee gepflegt wurde.

Der dritte Einwand bezieht sich auf die geplante Gaspipeline von Iran über Pakistan nach Indien, mit der Washington aus politischen, geostrategischen und ökonomischen Gründen nicht einverstanden ist. Premier Singh äußerte zu diesem wichtigen regionalen Energieprojekt gegenüber der »Washington Post« erstmals Zweifel. Das Vorhaben sei mit vielen Risiken verbunden, die Situation in Iran sei von Ungewissheiten gekennzeichnet und es sei fraglich, ob sich ein internationales Bankenkonsortium findet, das dieses Projekt finanziert. Das sind neue Töne, die im Zusammenhang mit der in Aussicht gestellten Kooperation mit den USA im Atomenergiesektor stehen könnten. Der Premier sollte klären, fordern die linken Parteien, ob seine Bemerkungen den Rückzug aus dem Erdgas-Projekt signalisieren.

* Aus: Neues Deutschland, 25. Juli 2005


Zurück zur Indien-Seite

Zurück zur Homepage