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Atompakt in Turbulenzen

Deal zwischen Indien und den USA stößt auf Widerstand

Von Hilmar König, Delhi *

Indiens Atomdeal mit den USA ist noch nicht in trockenen Tüchern. Die erste Verhandlungsrunde zwischen Indien und der Nuclear Suppliers Group (NSG) endete ohne Ergebnis. Delhi hofft nun auf die zweite Runde am 4. September.

Mit sichtlichem Optimismus waren die Inder mit ihrer hochkarätigen Expertendelegation in die österreichische Hauptstadt gereist. Zum Atompakt mit den USA fehlte »nur« noch die Zustimmung der Nuclear Suppliers Group (NSG). Die 45 Mitglieder dieser Gruppe haben es sich zur Aufgabe gemacht, den zivilen Nuklear-Handel – von Ausrüstungen über Atommeiler bis zum Brennstoff – entsprechend dem Atomwaffensperrvertrag zu regulieren. Indien hat diesen Vertrag wie auch das Teststoppabkommen nicht unterzeichnet und braucht für den Deal mit Washington eine Ausnahmegenehmigung der NSG.

Eine solche würde den seit 34 Jahren bestehenden Boykott auf diesem Gebiet beenden. Seit seinen ersten Atomtests im Jahre 1974 (die zweiten folgten 1998) leidet Indien unter Sanktionen, die die Entwicklung der eigenen Atomindustrie zwar nicht verhinderten, jedoch bremsten. Das Abkommen mit den USA sieht nun vor, dass Indien auch als Nichtunterzeichner der beiden genannten Abkommen wieder »normalen« Nuklearhandel betreiben darf, sprich eine Zusammenarbeit im zivilen nuklearen Bereich mit den USA.

In Wien hatte Washington deshalb der Gruppe einen Entwurf vorgelegt, der ausreichen sollte, auch die zögerlichen NSG-Mitglieder für den Deal mit Delhi zu gewinnen. Die Inder hatten zuvor in jeden der Staaten Delegationen geschickt, die alle Bedenken ausräumen sollten und auf Indiens »gutes Benehmen« als Kernwaffen besitzender Staat verwiesen. So glaubte Delhi, seine Hausaufgaben erledigt zu haben. Die USA hingegen legten weniger Wert auf eine so intensive Vorbereitung der Wiener Verhandlungen, offensichtlich in der Annahme, das eigene Beispiel wäre für die anderen NSG-Mitglieder überzeugend genug.

Doch in der ersten Runde war die Rechnung offensichtlich ohne etliche der NSG-Wirte gemacht. Aus einigen Staaten kam energischer Widerstand, darunter Neuseeland, die Schweiz, Österreich und Norwegen. Sie fragten, warum mit Indien eine Ausnahme gemacht werden sollte, und bestanden darauf, dass Delhi erst den beiden Abkommen beitreten müsse. In dem Entwurf der USA, so das einstweilige Angebot der NSG, müssten Ergänzungen und Modifikationen vorgenommen werden. In indischen Zeitungen war allerdings von »substanziellen Veränderungen« im Text die Rede.

Während die USA-Seite das Kind nicht mit dem Bade ausschütten wollte und von »positiven Fragen« und »konstruktiver Diskussion« sprach, verkündete der indische Außenminister Pranab Mukherjee, seine Regierung werde keine neuen Bedingungen akzeptieren. Zu diesen würden eine Verzichtserklärung auf Atomtests sowie die Akzeptanz von Beschränkungen über Anreicherung und Wiederaufbereitung von Uran zählen.

Die offensichtlich gravierenden Differenzen sollen nun ausgeräumt werden. Einigt man sich am 4./5. September nicht auf einen überarbeiteten Text, könnte der Deal kippen. In Washington muss der Kongress den Pakt mit Indien erst noch absegnen. Dessen letzte Sitzungsperiode vor den Präsidentenwahlen beginnt am 8. September. Das ganze Projekt steht somit unter enormem Zeitdruck.

Die Regierung in Delhi gibt sich zuversichtlich, kann aber die Ohren nicht vor harscher Kritik aus jenen Parteien verschließen, die nicht der Vereinten Progressiven Allianz angehören. Die Indische Volkspartei (BJP) beschuldigte die Regierung, die Stimmung in der NSG nicht sorgfältig sondiert zu haben. Die Linken äußerten die Befürchtung, Premier Manmohan Singh würde noch einknicken und einem Deal zustimmen, der Indiens Interessen schadet. Sie entzogen wegen des Atompaktes im Juli der Regierung ihre Unterstützung und lösten damit eine politische Krise aus. Ein Vertrauensvotum wurde notwendig, das der Premier jedoch gewann. Als Haupteinwände hatten die linken Parteien vorgebracht, der Pakt mit Washington stärke die strategischen Bindungen an die USA, untergrabe die Souveränität, gefährde nationale Interessen und berge die Gefahr, Indien im asiatischen Raum zu einem Erfüllungsgehilfen des Weißen Hauses zu machen.

* Aus: Neues Deutschland, 27. August 2008


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