Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Giftigste Luft weltweit"

Regionalwahlen und Umweltschutz: Indische Zentralregierung unter Druck

Von Hilmar König *

Der Auftakt zu einer Serie von Wahlen zu Lokalparlamenten in Indien ist am Wochenende von gewaltsamen Auseinandersetzungen überschattet worden. Im nordöstlichen Bundesstaat Manipur, in dem schon seit Jahrzehnten Rebellengruppen aktiv sind, attackierten am Samstag (28. Jan.) militante Separatisten ein Wahlbüro, sieben Menschen kamen dabei ums Leben. Dennoch war die Beteiligung der Bevölkerung an diesem Votum mit über 80 Prozent außerordentlich hoch. Im Frühjahr finden außerdem Wahlen in den Bundesstaaten Uttar Pradesh, Uttarakhand, Punjab und Goa statt. Sie gelten als Test für die Popularität der Kongreßpartei, die den Kern der seit 2009 die Zentralregierung stellenden Vereinten Progressiven Allianz bildet.

Die Regierungskoalition muß sich jedoch nicht nur mit den Unruhen in mehreren Staaten auseinandersetzen, sondern auch mit wachsender Kritik an ihrer Umweltpolitik. In einem von der Yale University in den USA aufgestellten internationalen Ranking der Leistungen zum Umweltschutz (EPI) liegt Indien nur auf Platz 125 von insgesamt 132 analysierten Ländern, die VR China auf Platz 116. Die Studie, die in Kooperation mit der Columbia University und dem Weltwirtschaftsforum in Davos angefertigt wurde, erfaßt eine Reihe von Kategorien wie die Verschmutzung von Wasser und Luft, die Einstellung zum Klimawandel, Artenvielfalt und Forstmanagement. An der Spitze plaziert sind die Schweiz vor Lettland, Norwegen, Luxemburg und Costa Rica, Deutschland liegt auf Platz elf. Das Schlußlicht bildet der Irak, knapp vor Usbekistan und Turkmenistan. Bei der Luftverschmutzung hält Indien sogar die rote Laterne, bedrängt von Nepal, Bangladesch und Pakistan.

Die Autoren der Analyse räumen ein, daß es problematisch ist, an Länder unterschiedlicher ökonomischer Entwicklungsstufen einen einheitlichen Maßstab anzulegen. Sie schreiben: »Die wirtschaftliche Entwicklung spielt eine Rolle. Die Resultate der Umweltgesundheit zeigen ganz besonders eine signifikante Beziehung zum Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt, auch wenn es eine Diversität der Leistung in jeder Stufe der wirtschaftlichen Entwicklung gibt.« Die Ergebnisse müßten sehr differenziert bewertet werden, denn einige Probleme würden weltweit erfolgreich in Angriff genommen, während andere Herausforderungen, vor allem der Klimawandel, global einen Abwärtstrend offenbaren. Die indischen Medien, beispielsweise The Hindu oder Indian Express, veröffentlichten die Ergebnisse der Studie am Wochenende unter alarmierenden Schlagzeilen, wie »Inder atmen die schmutzigste Luft« oder »Giftigste Luft in Indien«.

Im Herbst vorigen Jahres hatte es in Neu-Delhi einen weithin bedauerten Wechsel an der Spitze des Umweltministeriums gegeben. Der bis dahin bemerkenswert rührige Minister Jairam Ramesh wurde in das Ressort ländliche Entwicklung versetzt. An die Spitze des Umweltministeriums trat Jayanti Natarajan. Ob sie mit ähnlichem Nachdruck einen Wandel in Indiens Umweltpolitik anstrebt, konnte bislang nicht festgestellt werden.

* Aus: junge Welt, 30. Januar 2012


Zurück zur Indien-Seite

Zur Umwelt-Seite

Zurück zur Homepage