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Sieg in Tripura

Linksfront im kleinsten Bundesstaat im Nordosten Indiens seit 15 Jahren ununterbrochen an der Regierung

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Indiens Linke haben Grund zum Feiern: Ihre Allianz in Tripura, dem kleinsten Bundesstaat im Nordosten Indiens, hat zum vierten Mal in Folge bei den Wahlen zum lokalen Parlament am 23. Februar (die Stimmenauszählung erfolgte am Wochenende) einen überzeugenden Sieg errungen. Sozusagen im Schatten der beiden roten Hochburgen Westbengalen und Kerala regiert seit 1993 in Tripura eine linke Front aus KPI (M), Revolutionärer Sozialistischer Partei (RSP), KP Indiens und dem Vorwärtsblock. Dieser wagte allerdings diesmal einen Alleingang und gewann keinen einzigen der 60 Sitze. Die KPI (M) belegt im Abgeordnetenhaus 46, die RSP zwei und die KPI einen Sitz. Die Front erhöhte ihre Repräsentanz von 41 (nach den Wahlen 2003) auf jetzt 49 Mandate.

Die Kongreßpartei, die Indigenous Nationalist Party of Twipra und die Party for Democratic Socialism hatten ein Zweckbündnis geschlossen, um die Roten zu entmachten. Doch kam die Allianz nur auf elf Mandate. Deshalb lange Gesichter besonders in der Kongreßpartei, die ihre Spitzenpolitiker, Premier Manmohan Singh und Parteipräsidentin Sonia Gandhi, zum Wahlkampf in den fernen Nordosten geschickt hatte. Frau Gandhi hatte in ungewöhnlich scharfen Tönen die rund zwei Millionen Wahlberechtigten aufgerufen, der »Mißwirtschaft und Mißherrschaft« der Linken ein Ende zu bereiten. Sie behauptete, Gesetz und Ordnung würden unter deren Zepter mißachtet, Frauen und Kinder lebten in Unsicherheit, und an der Wirtschaftsfront gebe es keinen Fortschritt. Den einheimischen Stämmen, die 31 Prozent der knapp drei Millionen Bewohner ausmachen, versprach sie im Falle eines Wahlsieges besondere Fürsorge, und der Premier sicherte jedem Dorf den Anschluß ans Strom- und ans Straßennetz zu.

Die Wähler ließen sich aber nicht ins Bockshorn jagen. Von der hohen Wahlbeteiligung von weit über 80 Prozent --besonders auffällig der Anteil der Frauen -- profitierten allein die Linken. Der alte und neue Chefminister Manik Sarkar bewertete den Sieg als »massives positives Mandat für Frieden, Stabilität und Entwicklung«. In der Stellungnahme des ZK der KPI (M) hieß es, der Wahlsieg sei auch eine Quittung der im Zentrum regierenden Vereinten Progressiven Allianz für ihre verfehlte Wirtschaftspolitik. Chefminister Sarkar bezeichnete die Verbesserung der Lebensbedingungen und der Beschäftigungsmöglichkeiten (es gibt etwa 500000 Arbeitslose), die Entwicklung der Stammesgebiete und die Förderung der unter der Armutsgrenze Lebenden als Prioritäten seiner Regierung. Als markante Erfolge der Linksfront nannte er die Verbesserungen in der Landwirtschaft, deren Ziel bis 2010 Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln ist, Fortschritte auf den Gebieten Bildung, Gesundheit und Infrastruktur sowie die Wiederherstellung des Friedens.

Die Linksregierung in Westbengalen, seit über 30 Jahren an der Macht, war in den letzten Monaten wegen einiger ihrer Industrieprojekte schwer in die Kritik geraten. An verschiedenen Orten, wo private Großbetriebe auf Kosten von Ackerland aus dem Boden gestampft werden sollten, gab es energischen Widerstand der lokalen Bevölkerung. Deren Auseinandersetzungen mit Aktivisten der KPI (M) und der eingreifenden Polizei hatten etliche Todesopfer zur Folge. Die bürgerliche Opposition glaubte, damit hätten die Linken ihre Reputation restlos verspielt. Tripura hingegen zeigt: Linke Politik bleibt, trotz mancher Schwächen, für Millionen Inder nach wie vor attraktiv.

* Aus: junge Welt, 11. März 2008


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