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AWACS für Indiens Militär

Verteidigungsminister Antony äußerte Genugtuung über das "Luftspionagesystem"

Von Hilmar König, Delhi *

Zu den ersten Amtshandlungen des neuen und alten indischen Verteidigungsministers Arackaparambil Kurian Antony gehörte Ende Mai der Empfang des »Luftspionagesystems« AWACS für die Streitkräfte. Auch die anderen Mitglieder des aus insgesamt 79 Ministern bestehenden »Teams Manmohan Singh« haben inzwischen ihre Arbeit aufgenommen.

Das AWACS (Airborne Warning and Control System) stellt eine substanzielle Bereicherung der indischen Streitkräfte dar. Es wurde unter dem Namen »Phalcon« in Israel gefertigt und in eine gigantische IL-76 eingebaut. Das entsprechende Abkommen zwischen Del-hi, Tel Aviv und Moskau war im Jahre 2004 unterzeichnet worden. Im nächsten Jahr sollen zwei weitere AWACS folgen. Der Deal kostet Indien 1.1 Milliarden Dollar. Das System, das unter Allwetterbedingungen arbeitet, kann 60 Objekte am Boden und in der Luft bis zu einer Distanz von 400 Kilometer gleichzeitig erfassen. Es ortet Marschflugkörper und andere Raketen sowie Flugzeuge, lange bevor sie auf den Radarschirmen von Bodenstationen erscheinen. Es späht und lauscht tief in Nachbarländer, ohne deren territoriale Integrität zu verletzen und registriert beispielsweise Truppenbewegungen, Raketenstarts und Kommunikation.

AWACS soll mit dem ersten indischen Militärsatelliten gekoppelt werden, dessen Start 2010 erwartet wird. Es ermöglicht Indien eine völlig neue Informationsgewinnung z. B. vom Geschehen im pakistanischen Teil Kaschmirs, jenseits der Nordgrenze zu China und beim südlichen Nachbarn Sri Lanka. Minister Antony äußerte Genugtuung über das neue Kind im Arsenal, unterstrich jedoch zugleich die Notwendigkeit, mehr Produkte aus der einheimischen Rüstungsindustrie für das Militär bereitzustellen. Gegenwärtig deckt Indien seinen Waffenbedarf zu 70 Prozent aus Importen. Die Hälfte der Rüstungsexporte Israels geht nach Indien.

Obwohl Pakistan offiziell nicht reagierte, dürfte das indische AWACS dort nicht gerade mit Beifall bedacht worden sein. Die Beziehungen zwischen Delhi und Islamabad sind seit dem Terrorschlag vom 26. November 2008, der rund 180 Menschenleben forderte, »eingefroren«. Der neue indische Außenminister Somanahalli Mallaiah Krishna deutete bereits an, dass sich daran vorläufig nichts ändern werde. Erst müsste Pakistan mehr Engagement gegen Terrorgruppen zeigen, die für die Mumbai-Tragödie verantwortlich seien, und die »terroristische Infrastruktur« auf seinem Territorium beseitigen, ehe der Friedensdialog wieder aufgenommen werden könne. Allerdings werden auch in Indien die Stimmen immer lauter, die mehr Flexibilität in der Gestaltung des Verhältnisses zu Pakistan verlangen. Islamabad befürwortet, den Terrorismus gemeinsam zu bekämpfen und dazu den bestehenden »Anti-Terror-Mechanismus« zu aktivieren.

Die Beziehungen zu Pakistan werden den 77 Jahre alten Außenminister Krishna erfahrungsgemäß sehr beschäftigen. Er bringt eine Menge politische Erfahrung aus seiner 50-jährigen Karriere mit, machte als Chefministers Karnatakas Bangalore zum IT-Zentrum und war in Mumbai Gouverneur des Unionsstaates Maharashtra. Er zählt zu den gestandenen Veteranen in der neuen Koalitionsregierung in Delhi. Deren Bildung nach dem Sieg der Kongresspartei bei den Parlamentswahlen im April/Mai gestaltete sich doch nicht so reibungslos, wie zunächst angenommen. Eine Reihe von Faktoren - z. B. die Vertretung von Regionen und von Kasten, der Jugend und der Frauen - mussten in Betracht gezogen werden. Es galt, eine Koalition zu formen, die Stabilität verspricht und die Dominanz der Kongresspartei nicht gefährdet.

Bemerkenswert, dass mit 59 Abgeordneten die Frauen so stark wie nie zuvor im Unterhaus vertreten sind und Agatha Sangma als Staatsministerin für ländliche Entwicklung mit ihren 28 Jahren das jüngste Mitglied im »Team Manmohan Singh« ist. Und am heutigen Mittwoch wählen die Volksvertreter erstmals in der Geschichte des unabhängigen Indiens eine Frau zur Präsidentin des Parlaments.

* Aus: Neues Deutschland, 3. Juni 2009


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