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Im Schlepptau Washingtons

Obama-Besuch in Indien wirft viele Fragen auf und stößt auf landesweiten Protest

Von Ashok Rajput, Neu-Delhi *

Wenn US-Präsident Barack Obama am heutigen Montag (8. Nov.) seine Auffassungen zur Weltlage und zu den bilateralen Beziehungen im Parlament in Neu-Delhi darlegt, kommt es vor dem Gebäude und in vielen Teilen des Landes zu Kundgebungen. Zu den Protesten gegen die Indien-Visite des angeblich »mächtigsten Mannes« der Welt haben die KP Indiens, die KPI (Marxistisch), der Allindische Vorwärtsblock und die Revolutionäre Sozialistische Partei aufgerufen. Das Motto: »Indien darf sich nicht von Washington ins Schlepptau nehmen lassen!«

Obama war am Samstag (6. Nov.) in Mumbai gelandet, um auf indischem Gebiet eine zehntägige Asienreise zu beginnen, die ihn auch nach Indonesien, Südkorea und Japan führen soll. Offiziell will er mit den Indern den »Reifeprozeß« des strategischen Dialogs beschleunigen. Seit sechs Jahren besteht zwischen der Supermacht und der südasiatischen Möchtegern-Supermacht eine strategische Partnerschaft, die mehr und mehr Schlagseite in Richtung Militärkooperation bekommt. In Mumbai deutete Obama vor dem »US-India Business Council« neue Handelsinitiativen an. Sie sollen in den USA fast 54000 Arbeitsplätze schaffen oder sichern helfen. Die Medien erwähnten den Kauf von zehn C-17-Transportmaschinen »Globemaster« für die Indian Airforce und den Kauf von Flugzeugtriebwerken von General Electric ebenfalls für Indiens Luftstreitkräfte. Außerdem hofft die US-Rüstungsindustrie, den indischen Auftrag für die Lieferung von 125 Kampfflugzeugen mit einem Wertvolumen von zehn Milliarden Dollar zu ergattern.

Vor allem dieses Gebiet scheint Obama gemeint zu haben, als er vor den Vertretern des Big Business in Mumbai davon sprach, Indien könnte Washingtons Top-Handelspartner werden. Er sei sich absolut sicher, daß das bilaterale Verhältnis »eine der bestimmenden Partnerschaften des 21. Jahrhunderts werden wird«. Damit nährte er einerseits die Hoffnungen Indiens, zur globalen Supermacht aufzusteigen. Andererseits läßt Washington nach wie vor die Frage unbeantwortet, ob es das indische Streben nach ständiger Mitgliedschaft in einem erweiterten UN-Sicherheitsrat irgendwann zu unterstützen gedenkt.

In einer gemeinsamen Erklärung verwies die indische Linke darauf, daß es nach dem Wechsel von Bush auf Obama Erwartungen auf positiven Wandel im Verhalten Washingtons in der Weltarena gab. Diese jedoch hätten sich nicht erfüllt. Die USA würden weiterhin einen politischen Kurs globaler Dominanz durchpeitschen, der die nationale Souveränität anderer Staaten und die Interessen anderer Völker mißachtet. Washington sollte aufhören, so die Linke, die indische Außenpolitik unter Druck zu setzen und vehement darauf zu drängen, daß die indische Agrarwirtschaft, der Einzelhandel und das Hochschulwesen sich dem Auslandskapital öffnen. Der bilaterale Verteidigungspakt sollte annulliert werden. Die in Irak verbleibenden 50000 Soldaten sollten abgezogen und für Afghanistan sollte gleichzeitig mit dem sofortigen Abzug der NATO-Truppen eine politische Lösung als unabhängiger, neutraler Staat gefunden werden. Die Linken fordern zudem ein Ende des US-Embargos Kubas und eine Unterbrechung aller Assistenz für Israel, bis dieses die okkupierten palästinensischen und arabischen Gebiete geräumt hat.

Am Samstag (6. Nov.) gab es in Bhopal bereits eine Demonstration, auf der verlangt wurde, der US-Präsident sollte Stellung dazu beziehen, daß inzwischen 25000 Menschen an den Folgen der Giftgaskatastrophe von 1984 gestorben sind. Sie hatte sich wegen grober Nachlässigkeit und aus Profitgründen in einer Tochterfirma der US-Konzerns Union Carbide ereignet.

* Aus: junge Welt, 8. November 2010


Ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat: Obama unterstützt Indien **

US-Präsident Barack Obama hat Indien die Unterstützung der USA für seine Bewerbung um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zugesagt. Indien sei von einem aufstrebenden Entwicklungsland zu einer "Weltmacht" aufgestiegen, sagte Obama am 8. November bei einem Besuch in Neu Delhi. Die zunehmende Bedeutung Indiens müsse sich auch in einem reformierten UN-Sicherheitsrat widerspiegeln.

Indien arbeitet seit Jahren im Rahmen der G-4-Gruppe mit Deutschland, Japan und Brasilien auf eine Reform des Sicherheitsrats hin, die diesen Ländern einen ständigen Sitz im mächtigsten UN-Gremium einbringen soll. Eine ausdrückliche Unterstützung für die Bewerbung Deutschlands und Brasiliens haben die USA bislang vermieden. Den Wunsch Japans nach einem permanenten Sitz unterstützen die USA bereits seit der Präsidentschaft von George W. Bush.

In einer Rede vor dem indischen Parlament sagte Obama: "Amerika strebt nach einer gerechten und nachhaltigen Weltordnung, in der eine effiziente, glaubwürdige und legitime UNO eine Rolle spielt." Deswegen befürworte er "einen reformierten Sicherheitsrat, dem Indien als ständiges Mitglied angehört".

Obama machte deutlich, dass er die Freundschaft zwischen den USA und Indien als "eine der bestimmenden Partnerschaften des 21. Jahrhunderts" sieht. Die beiden Länder müssten auf der Weltbühne gemeinsam für ihre Prinzipien der Demokratie und der Menschenrechte kämpfen. Indien ist die bevölkerungsreichste Demokratie der Erde, die USA sind die wirtschaftsmächtigste. Das Bündnis zwischen den USA und Indien werde eine der wichtigsten Partnerschaften des 21. Jahrhunderts sein. "Wir sind die größten Demokratien der Welt", fügte Obama hinzu. "Wir teilen außergewöhnliche menschliche Kontakte und haben eine Reihe gemeinsamer Werte." Mit der Rede vor dem Parlament beendete Obama seinen dreitägigen Besuch in Indien.

Obamas Vize-Sicherheitsberater Ben Rhodes bezeichnete die Unterstützung des Präsidenten für Indiens UN-Ambitionen als "sehr machtvolles Signal". Es sei allerdings zu erwarten, dass die Reform des UN-Sicherheitsrats nur in einem "sehr komplizierten und schwierigen Prozess" gelingen werde. Zum 1. Januar wird Indien - wie auch Deutschland - dem UN-Sicherheitsrat zunächst für zwei Jahre als nicht-ständiges Mitglied angehören.

50 000 Jobs für USA

US-Präsident Barack Obama hatte bei seinem ersten Indien-Besuch aber vor allem die heimische Wirtschaft im Blick. Er versprach den Amerikanern mehr als 50 000 Jobs durch indische Aufträge. Über 20 Übereinkünfte mit einem Exportvolumen von mehr als zehn Milliarden Dollar (7 Milliarden Euro) seien am Rande seines Besuchs verkündet worden, sagte Obama am 6. November vor Unternehmern im westindischen Mumbai. «Die heutigen Abkommen werden zu mehr als 50 000 Jobs in den Vereinigten Staaten führen.»

Obama setzt nach der Niederlage seiner Partei bei der Kongresswahl verstärkt auf die Wirtschaft. Er kündigte in Mumbai einen Abbau von Handelsbeschränkungen in den USA an und forderte Indien auf, das ebenfalls zu tun. «Im Jahr 2010 ist es ein dynamisches Verhältnis in beide Richtungen, das Arbeitsplätze, Wachstum und einen höheren Lebensstandard in unseren beiden Ländern schafft», sagte der US-Präsident. «Das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Indien ist das prägende Verhältnis des 21. Jahrhunderts.»

** Nachrichtenagentur AFP, 8. November, dpa, 6. November 2010 br>

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