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Ehrgeiziges Vorhaben

Neu-Delhi treibt Infrastrukturprojekte mit Nachbarstaaten voran. Indien, Bangladesch, Nepal und Bhutan sollen über Schiene, Straße und Wasserwege vernetzt werden

Von Hilmar König *

Nach dem Besuch des indischen Finanzministers Pranab Mukherjee Anfang August in Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs, sind die Aussichten auf einen kräftigen Entwicklungsimpuls im Nordosten des südasiatischen Subkontinents spürbar gestiegen. Indien, Bangladesch, Nepal und Bhutan arbeiten daran, die bislang blockierten Transitwege auf der Schiene, der Straße und auf Flüssen zu öffnen. Bis Jahresende sollen die erforderlichen Regelungen dafür vorliegen. Alle vier Nachbarn, die auch Mitglieder in der Regionalorganisation SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation) sind, würden davon enorm profitieren. Indien bekäme endlich um Hunderte Kilometer kürzere Zugänge zu seinen nordöstlichen Bundesstaaten und brauchte nicht länger auf dem Landweg um das Territorium von Bangladesch herum seinen ressourcenreichen »Hinterhof« ansteuern. Dazu muß außer dem Straßennetz eine Eisenbahnlinie quer durch den östlichen Nachbarstaat aktiviert werden. Zudem würde der Hafen von Chittagong am Golf von Bengalen für indische Frachter geöffnet, die Güter für den Nordosten transportieren.

Bhutan und Nepal würden zudem über indische Transitkorridore mit Bangladesch verbunden und könnten ihre Aus- und Einfuhren über Chittagong abwickeln. Damit verringert sich für beide Himalajastaaten, die ohne Zugang zum Meer sind, nicht nur die Abhängigkeit vom übermächtigen »großen Bruder« Indien, sondern ihr gesamter Handel mit dem Ausland würde sich vereinfachen. Für Bangladesch ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten. Außenministerin Dipu Moni faßte sie so zusammen: »Wir denken, Bangladesch zu einem regionalen Knotenpunkt zu transformieren.« Die gesamte Region würde miteinander verbunden. Transitverkehr werde nach Bhutan und China, Indien, Nepal und Myanmar möglich. Bisher sei das Land regional und global nahezu isoliert. Das wolle man angesichts wachsender Verknüpfungen von Staaten rund um den Erdball nicht länger hinnehmen. Bald werde es im östlichen Südasien keine großen Barrieren für Menschen und Güter mehr geben. Das klingt sehr optimistisch. Allerdings, so die Erfahrungen aus Jahrzehnten, lassen sich in diesem Teil der Welt bürokratische Hindernisse auf dem Weg zu gedeihlicher zwischenstaatlicher Kooperation nicht im Handumdrehen beseitigen.

Die Chancen für das Transitprojekt stehen dennoch gut. Denn Minister Mukherjee kam nicht mit leeren Händen und Absichtserklärungen nach Dhaka. Er überreichte seiner Gastgeberin, Premierministerin Sheikh Hasina Wajed, einen Scheck über umgerechnet eine Milliarde US-Dollar. Einen solchen Kredit mit einer Rückzahlungsfrist von 20 Jahren und einer Jahresverzinsung von 1,75 Prozent hat Indien bisher noch keinem anderen Land gewährt. Das Darlehen soll 14 Infrastrukturprojekte finanzieren, die alle mit dem Transitvorhaben in Verbindung stehen. Dazu gehören Bau und Ausbesserung von Straßen und Brücken, Modernisierung des Flußhafens Ashuganj, die Rekonstruktion von Eisenbahnstrecken und Bahnwerkstätten, der Import von Lokomotiven und Waggons sowie Ausrüstungen zum Ausbaggern von Flußbetten. Dhaka und Neu-Delhi unterstreichen damit ihre Absicht, Nägel mit Köpfen zu machen, jetzt den seit Jahrzehnten gehegten Traum von Integration und Kooperation im Nordosten des Subkontinents zu verwirklichen und damit einen wesentlichen Beitrag zu Stabilität und Entspannung in der Region zu leisten.

* Aus: junge Welt, 24. August 2010

Stopp für Giftkähne

Gericht in Bangladesch: Weltgrößter Schiffsverschrotter muß Umweltschutz beachten **

In Bangladesch dürfen künftig keine mit Gift verseuchten Schiffswracks mehr verschrottet werden. Das Oberste Gericht des Landes revidierte damit eine umstrittene Entscheidung der Regierung, die ein entsprechendes verschärftes Gesetz kurz nach dessen Verabschiedung wieder kassiert hatte. Dies teilte der Anwalt der klagenden Umweltschutzorganisation Bangladesh Environmental Lawyers Association, Rizwana Hasan, am Montag in Dhaka mit. Künftig dürfen demnach nur noch solche Schiffe in dem südasiatischen Staat zerlegt und verwertet werden, die über einen Nachweis aus ihrem Herkunftsland verfügen, daß sie frei von giftigen Reststoffen sind.

Das Gericht setzte mit seinem Beschluß ein im Januar verabschiedetes Umweltschutzgesetz wieder in Kraft. Die Regierung von Ministerpräsidentin Sheikh Hasina Wajed hatte sich im April dem Druck der mächtigen Lobby der Verschrotter gebeugt und die Regelung für ungültig erklärt. Der nationale Verband der Schiffsabwracker hatte mit Massenentlassungen gedroht und mitgeteilt, Tausende Arbeitsplätze seien durch das Urteil in Gefahr. Der Verband argumentiert, daß Bangladesch als Entwicklungsland mit dem Gesetz die Standards eines Industrielandes anwenden müsse. Hauptkonkurrent Indien habe solche Standards nicht. Die rund hundert im Staat an der Mündung des Ganges arbeitenden Werften, die auf das Zerlegen von Schiffen spezialisiert sind, hatten im vergangenen Jahr rund 200 Ozeanriesen importiert. Dies machte rund ein Drittel aller anfallenden Wracks weltweit aus.

Mehr als zwei Drittel des gesamten in Bangladesch verarbeiteten Stahls stammt von den zerlegten Wasserfahrzeugen. Umweltschützer hatten wiederholt kritisiert, daß Gesundheitsstandards auf den Werften systematisch mißachtet würden. In den vergangenen zehn Jahren sind den Angaben zufolge rund 300 Arbeiter der Schrottwerften an den Folgen der Belastungen gestorben. Zudem sei die Küste des Landes massiv verschmutzt worden. Schiffe sind demnach oft mit extrem schädlichen Stoffen, wie beispielsweise Asbest, verseucht.
(AFP/jW)

** Aus: junge Welt, 24. August 2010




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