"Ein Sieg für das Land"
Pakistanischer Mumbai-Attentäter wurde in Indien hingerichtet / Jubel und Kritik
Von Stefan Mentschel, Delhi *
Kurz vor dem vierten Jahrestag der
Terrorserie von Mumbai haben die
indischen Behörden das Todesurteil
gegen den einzigen überlebenden
Angreifer vollstreckt.
Die Todesnachricht kam im Morgengrauen.
»Heute um 7.30 Uhr ist Ajmal Kasab gehängt worden«,
verkündete ein indischer Regierungssprecher
am Mittwoch vor Dutzenden Kamerateams. Bestraft
wurde der Pakistaner für seine
Beteiligung am Terrorangriff auf
die indische Finanzmetropole
Mumbai Ende November 2008. Bei
der dreitägigen Bluttat waren unter
anderem Luxushotels und öffentliche
Gebäude attackiert worden. Mehr als 170 Menschen starben,
darunter neun Extremisten. Kasab ging der Polizei als einziger
Angreifer lebend ins Netz.
Ein Sondergericht hatte Kasab
bereits im Mai 2010 zum Tode
verurteilt. Die Richter sprachen
ihn unter anderem wegen Mordes
und »Kriegsführung gegen Indien«
schuldig. Überführt hatten den
jungen Mann, der zum Zeitpunkt
Anschläge 21 Jahre alt war, auch
mehrere Fotos. Sie zeigen ihn mit
Rücksack auf dem Rücken und
Sturmgewehr in der Hand auf dem
Hauptbahnhof von Mumbai, wo er
wahllos in die Menge schoss und
viele Menschen tötete.
Kasab und seine Anwälte waren
gegen das Todesurteil in Berufung
gegangen, scheiterten jedoch
in allen Instanzen. Vor wenigen
Tagen lehnte auch Indiens
Präsident Pranab Mukherjee das
Gnadengesuch des Verurteilten ab
und machte damit den Weg für die
Hinrichtung frei. Vollstreckt wurde
das Todesurteil in einem Gefängnis
der Stadt Pune, 150 Kilometer
südöstlich von Mumbai.
»Das ist ein Sieg für das Land«,
sagte der sichtlich zufriedene
Staatsanwalt Ujjwal Nikam, der die
Anklage gegen Kasab geführt hatte.
Mit der Hinrichtung des Pakistaners
habe Indien den Opfern der Anschläge seine Ehrerbietung erwiesen.
Zudem sei in dem rechtsstaatlichen
Verfahren bewiesen wurden, dass das Terrorkomplott
in Pakistan geplant worden sei.
Nach Ansicht der indischen
Behörden steht die aus Pakistan
operierende Terrorgruppe Lashkar-
e-Taiba hinter der Tat. Zudem
wird der pakistanische Geheimdienstes
ISI verdächtigt, in die
Vorbereitung der Anschläge verwickelt
gewesen zu sein. Pakistan
bestreitet das. Die Anschläge hatten
zu erheblichen Spannungen
zwischen den Atommächten geführt,
inzwischen haben sich beide
Seiten aber wieder angenähert.
Das Außenministerium in Islamabad
bestätigte, dass es von der
geplanten Hinrichtung informiert
worden sei. Ein Ministeriumssprecher
erklärte, Pakistan verurteile
alle Formen von Terrorismus
und arbeite im Kampf gegen den
Terror eng mit der internationalen
Gemeinschaft zusammen.
Fernsehsender zeigten nach
Bekanntwerden der Exekution
Bilder von jubelnden Menschen.
Die Menschenrechtsorganisation
Human Rights Watch schlug dagegen
mahnende Töne an. Anstatt
ein abscheuliches Verbrechen mit
dem Tod zu bestrafen, solle sich
Indien den Nationen anschließen,
die die Todesstrafe bereits abgeschafft
haben. Gleichzeitig beklagte
sie, dass in Indien mit Ajmal
Kasab erstmals seit 2004 wieder
ein Mensch hingerichtet wurde.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 22. November 2012
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