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"Grüne Jagd"

Indien: Armeeoffensive gegen maoistische Rebellen geht weiter. Arundhati Roy: "Sprache des Genozids"

Von Ashok Rajput, Neu-Delhi *

Widersprüchliche Bilder von der »maoistischen Gefahr« in Indien zeichneten am Wochenende das Innenministerium einerseits und Bürgerrechtsgruppen auf der anderen Seite. Die auch als Naxaliten bekannten maoistischen Rebellen kämpfen seit Jahrzehnten gegen den Staat, für die Rechte der Armen, besonders der am meisten vernachlässigten Ureinwohner, der Adivasi oder Tribals. G.K. Pillai, Staatssekretär im Innenministerium in Neu-Delhi, erklärte in einem Vortrag am Institut für Verteidigungsstudien und -analysen, die Sicherheitskräfte stünden vor einem »langen, blutigen Krieg« mit den Naxaliten.

»Gut ausgebildet«

Diese bauten, wahrscheinlich sogar mit Unterstützung von ehemaligen Militärangehörigen, ihre Einheiten allmählich um und bereiteten sich langfristig auf einen »endgültigen tödlichen Schlag« vor. Bis 2050 wollten die Rebellen, so gehe aus sichergestellten Unterlagen hervor, den indischen Staat in seiner heutigen Form beseitigen. Sie seien »hochmotiviert und operieren wie eine gut ausgebildete Armee.« Jeden Anschlag würden sie gewissenhaft planen und danach auch auswerten.

Bis 2011 müsse man, so der Staatssekretär, mit zunehmender Gewalt der Maoisten rechnen. Erst nach etwa drei Jahren würde sich das Blatt zu wenden beginnen. Sieben bis zehn Jahre würde es dauern, bis Polizei und Paramilitärs die von den maoistischen Guerilleros kontrollierten Gebiete in 34 Distrikten von acht Bundesstaaten zurückerobert hätten. Bislang hätten die Aufständischen in der Offensive der indischen Streitkräfte »Green Hunt« (Grüne Jagd), die seit September 2009 läuft, noch »keine signifikanten Rückschläge« erlitten. Nicht einmal fünf Prozent der Kerntruppe des Feindes seien getroffen worden.

Nach der Festnahme ihres Führers Venkatesh Reddy am 2. März in Kolkata erneuerte die verbotene KPI (Maoistisch) ihr Angebot, Gespräche mit der Regierungsseite über einen Waffenstillstand aufzunehmen. Pillai sagte dazu, daß solche Äußerungen der Maoisten nicht seriös sind. Zu Gesprächen seien sie erst dann bereit, wenn ihnen das Wasser bis zum Halse steht. Vielmehr sollten sie zuerst der Gewalt abschwören. In einer Erklärung des ZK der KPI (Maoistisch) hieß es dazu: »Wenn die Herrschenden glauben, wir schlagen einen Waffenstillstand aus einer Position der Schwäche vor, dann irren sie sich gewaltig.« Vielmehr erfolge ein solches Angebot aus tiefer Sorge der KP um die Unterdrückten, um die Adivasi, die »unter Bedingungen der schlimmsten Dürre seit zehn Jahren sowie unter brutalem staatlichen Terror leben« müssen. Ihnen könnte ein Waffenstillstand etwas helfen.

Ebenfalls am Wochenende legten Bürgerrechtsgruppen in Neu-Delhi vor den Medien ihren Standpunkt dar. Mehrmals ergriff die prominente Autorin und Menschenrechtlerin Arundhati Roy das Wort. Der Einsatz des Militärs zur Bereinigung politischer Probleme sei nicht neu, meinte sei. Die Regierung versuche seit langem, die maoistische Bewegung auszurotten. Aber diese sei stets gestärkt und besser organisiert aus den Angriffen hervorgegangen. Eine Ideologie könne man eben nicht vernichten, indem man Menschengruppen unter dem Vorwand attackiert, den Maoismus besiegen zu wollen. Niemand habe bisher den Begriff »Maoist« eindeutig definiert. Wer von dessen Ausrottung spricht, bediene sich einer »Sprache des Genozids«. Davon bedroht seien in Wirklichkeit Hunderttausende, wenn nicht Millionen Menschen.

Raub und Ausbeutung

Das Forum in Neu-Delhi verlangte, »Operation Green Hunt« zu beenden, denn es sei ein Krieg, den die sehr Reichen vom Zaun gebrochen haben, um an Ressourcen zu gelangen, die sehr Armen gehören. Wegen »Green Hunt« verließen sie ihre Dörfer und flüchteten in die Wälder. Es handele sich um einen »kalkulierten Angriff auf die ärmsten der Armen in diesen Regionen«, äußerte Sumit Chakravarty, ein namhafter Journalist. »Die wahre Absicht dieses Krieges ist, den ungehinderten Raub und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, der Wälder, der Bodenschätze und des Wassers durch Pakte zwischen einheimischen Konzernen und Multinationalen zu ermöglichen«, unterstrich er. Im Kampf ums Überleben würden die Betroffenen freiwillig der Guerilla beitreten.

* Aus: junge Welt, 8. März 2010

Offensive against Maoist genocidal: Arundhati Roy

New Delhi: Terming the government's decision to launch an offensive to "wipe out" Maoists as "genocidal", writer Arundhati Roy on Friday said such action will kill lakhs, if not millions of people.

"I don't know how government decides who is a Maoist. If you want to wipe out the Maoists, which is a kind of genocidal language that is being used, you are talking about killing lakhs, if not millions of people," Roy told reporters here.

She said since the Naxalbari days, the government has followed "the policy of extermination" while dealing with Maoists.

Raising doubts that Maoists could be wiped out, she said, "The movement has always comeback stronger, better equipped and more politically orgainsed because it's an imagination fighting a different kind of imagination and you cannot wipe it out in military ways."

Reacting to Roy's view, Home Secretary G K Pillai said the government is ready to talk if Maoist abjure violence.

"We are willing to discuss everything. We can stop all the operation if they just abjure violence," Pillai said at a seminar on "Left Wing Extremism Situation in India".

He said since they (Maoists) do not believe in Parliamentary democracy, "so where is the scope of discussion? "Let Arundhati Roy get a commitment from the Maoists that they are willing to give up arms."

Sympathising with the poor people for taking up arms, Roy said, "What are they to do, if a platoon of 300 to 1,000 policemen arrive, march through the night and surround the village, raping and burning and killing (people)? Can they have a Satyagrah? Who is listening to them?"

She said "it was not up to us" to decide and press our morality on them on what kind of resistance somebody over there should adopt or not adopt.

"Normally, it does happen in situation where people are being armed and they go uncontrolled as it happened in Kashmir and it happened everywhere."

She said she would be on the side of the person who is trying to bring to the forefront issues of justice than to push injustice through the barrel of the gun down the throats of the poor in the country.

Source: www.zeenews.com, Friday, March 05, 2010




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