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Noch ein Rückschlag für Indiens Linke

Schlappe in früherer Hochburg Westbengalen

Von Hilmar König, Delhi *

In ihrer früheren Hochburg Westbengalen, in der die indische Linke zwischen 1977 und 2011 regiert hatte, musste sie nun einen weiteren empfindlichen Rückschlag hinnehmen.

Bei Kommunalwahlen im nordostindischen Unionsstaat Westbengalen, die sich im Juli über mehrere Wochen erstreckten, erlitt die angeschlagene Linke eine weitere Schlappe. Während die regierende Regionalpartei Trinamool Congress in 12 von 17 Distrikten die meisten Sitze errang, setzte sich die Linksfront nur im nördlichen Distrikt Jalpaiguri durch. Sie besteht aus der KP Indiens, der KPI (Marxistisch), der Revolutionären Sozialistischen Partei und dem Vorwärtsblock.

TC-Chefin Mamata Banerjee, seit gut zwei Jahren Westbengalens Chefministerin, jubelte bereits vor Abschluss der Stimmenauszählung: »Wir haben die Feuertaufe bestanden.« Ihre Partei habe die Linksfront in fast allen ihren Hochburgen besiegt. Auch auf Kreis- und Gemeindeebene dominierte der TC mit einem durchschnittlichen Stimmenanteil von 64 Prozent.

Überschattet wurden die Kommunalwahlen durch eine Reihe von Gewaltakten. Über 20 Tote waren zu beklagen. Biman Bose, Funktionär der KPI (Marxistisch) in Westbengalen, kritisierte darüber hinaus »verbreitete Verstöße« gegen die Wahlordnung. Wähler seien bei der Stimmabgabe behindert und Wahlurnen nicht versiegelt worden. KPI (M)-Generalsekretär Prakash Karat urteilte, es habe sich um eine »brutale Attacke gegen das demokratische System und gegen demokratische Werte« gehandelt.

Frau Banerjee dagegen feierte »einen Sieg des Volkes und der Demokratie«. Sie hatte 2011 nach dem Sturz der Linksfront, die den Unionsstaat 34 Jahre lang regierte, unter dem Motto »Mutter-Erde-Volk« eine Wende einleiten wollen. Viele ihrer vollmundigen Versprechungen harren noch immer ihrer Einlösung. Dennoch hofft das Wahlvolk offenbar weiter auf den versprochenen Wandel.

Für Indiens Linke ist das Ergebnis ein weiterer Rückschlag. Schon bei den Wahlen des Zentralparlaments 2009 hatte sich die Vertretung von KPI und KPI (M) von 61 auf 24 Sitze verringert. Allein auf die westbengalische Linksfront waren bis dahin 42 Mandate entfallen, jetzt verfügt sie nur noch über 15. Und die Aussichten stimmen nicht optimistisch. Laut einer Meinungsumfrage des Zentrums zum Studium sich entwickelnder Gesellschaften würde die Zahl linker Abgeordneter nach den Parlamentswahlen im Frühjahr 2014 weiter sinken.

KPI (M)-Chef Karat gab in einem Gespräch mit »The Hindu« zu, dass Indiens Linke ihre Schwäche noch nicht überwunden hat. Seine Partei habe sich jedoch stärker der Probleme entrechteter sozialer Gruppen angenommen. Dazu zählte er Bauern in Rajasthan, aus ihren Siedlungsgebieten vertriebene Indigene, Arbeiter im unorganisierten Wirtschaftssektor, arbeitslose Jugendliche und Menschen im Norden Indiens, die unter krasser Kastendiskriminierung leiden. Aber dieses Engagement reiche noch nicht aus, betonte er.

Zu den Aussichten für 2014 äußerte Prakash Karat: Im Prinzip bestehe kein Unterschied zwischen der regierenden Kongresspartei und der oppositionellen hindunationalistischen Indischen Volkspartei (BJP). Beide verfolgten einen »neoliberalen politischen Kurs«. Gebraucht werde eine »effektive Alternative«. Die Linke versuche, eine solche Plattform zu bilden, die aber würde erst nach den Parlamentswahlen konkrete Gestalt annehmen.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 1. August 2013


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