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"Unheilvoll"

Kritik an indischer Regierung: Militärkooperation mit Israel ausgebaut, ohne zur Gaza-Blockade Stellung zu nehmen

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Zu einem Zeitpunkt, da Israel mit seiner Blockade des Gazastreifens und der Strangulierung der dort lebenden Palästinenser weltweit für Empörung sorgt, setzte Neu-Delhi ein verwirrendes Zeichen: Am Montag brachte eine indische PSLV-Rakete einen israelischen Spionagesatelliten ins All. Offiziell wurde das als technischer und kommerzieller Erfolg gefeiert. Immerhin zahlten die Israelis den Indern für den erwiesenen Liebesdienst sechs Millionen Dollar. Und die Experten vom Raketengelände Shriharikota im Bundesstaat Andhra Pradesh strichen heraus, daß technisch alles wie am Schnürchen gelaufen sei und man erneut einen »Bildbuchstart« geschafft habe.

Beschämendes Schweigen

Auch die Israelis, die keine Medienpräsenz zugelassen hatten, zeigten sich anschließend höchst zufrieden. Denn ihr 300 Kilo schwerer Satellit namens Tecsar begann bereits 80 Minuten später zu senden. Seine Geräte zeichnen alles von Interesse auf -- 24 Stunden, auch bei Wolken und Regen, 365 Tage am Stück. Bis auf einen Meter Entfernung genau liefern die Kameras Bilder aus der gesamten Nahostregion, einschließlich Irans. Von alledem, so gab sich G. Madhvan Nair, der Chef der indischen Weltraumorganisation ISRO, blauäugig, wisse er nichts. Vor Journalisten erklärte er, er glaube gar nicht, daß es »Spionagesatelliten« gebe, denn das seien nur Hilfsmittel, die man so oder so verwenden könne.

Trotzdem wächst die Kritik an der immer intensiver werdender indisch-israelischer Militärkooperation. Die KPI (Marxistisch) prangerte in einer Stellungnahme das »beschämende Schweigen« Neu-Delhis zu den Vorgängen im Gazastreifen an, während Indien gleichzeitig Israels Militärkapazitäten mit dem Tecsar-Satelliten stärke. Die Marxisten fordern ein Ende der Blockade, die »alle internationalen und humanitären Normen verletzt« und mit denen sich Israel gegenüber den 1,5 Millionen Gaza-Palästinensern »schlimmer als eine Kolonialmacht« benimmt.

»Wir haben die Regierung der Vereinten Progressiven Allianz vor einer Vertiefung der Militärbeziehungen mit Israel gewarnt,« erklärte D. Raja, Nationalsekretär der KP Indiens. Mit Tecsar erhielten die Palästinenser die »falsche Botschaft, nämlich daß Indien sie in ihrem Kampf nicht mehr untestütze. »Wir werden von der Regierung Aufklärung über diese neue Kosmoskooperation verlangen«, sagte D.Raja.

Das Land Gandhis

Die sozialdemokratisch-orientierte Samajwadi Party erinnerte daran, daß Tel Aviv der größte Opponent gegen Frieden in Westasien ist und sich kontinuierlich über UN-Resolutionen hinwegsetzt. »Unser Land ist das Nehrus und Gandhis, die für gewisse moralische Prinzipien in den internationalen Beziehungen eintraten. Wie kann die Regierung das alles ignorieren?« fragte der Parlamentsabgeordnete der Partei Shahid Siddiqui. Es gebe viele Inder, die Israels »Politik der politischen Apartheid« in Westasien ablehnen. Neu-Delhi müsse die Stimmen dieser friedliebenden Menschen zur Kenntnis nehmen.

Zudem wurden Befürchtungen laut, die strategische Kooperation zwischen Indien und Israel könnte ernsthafte politische Konsequenzen für den Nahen Osten haben. In der islamischen Welt könnte die Zusammenarbeit zwischen Israel und Indien nicht anders als als »unheilvoll« verstanden werden, wertete die britische BBC.

* Aus: junge Welt, 24. Januar 2008


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