Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Geballte Fäuste

Indien empört über die Behandlung einer Diplomatin in den USA

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Die USA und Indien liegen seit Tagen im diplomatischen Clinch. Neu-Delhi zeigte sich empört darüber, wie die Polizei in New York eine ihrer leitenden Diplomatinnen behandelte. Devyani Khobragade, stellvertretende Generalkonsulin, war am Donnerstag vergangener Woche auf offener Straße in Handschellen gelegt und in Gewahrsam genommen worden, nachdem sie ihre Tochter zur Schule gebracht hatte. Auf dem Revier wurde sie verhört und mußte sich angeblich einer Leibesvisitation unterziehen, ehe sie mit Drogenabhängigen und Prostituierten in eine Zelle gesperrt wurde. Auf Intervention der indischen Botschaft kam sie nach etlichen Stunden gegen eine Kaution von 250000 Dollar frei. Die Festnahme war mit der Begründung erfolgt, daß Frau Khobragade in Visadokumenten falsche Angaben über das Gehalt ihrer indischen Hausangestellten gemacht haben soll. Tatsächlich zahle sie nur etwa ein Drittel der angegebenen Summe, die in den USA als Lohnminimum gilt. Nach Auffassung der US-Behörden habe es sich um eine »Standardprozedur« gehandelt.

Das indische Außenministerium bestellte daraufhin US-Botschafterin Nancy Jo Powell ein, um ihr den Unmut der Regierung mitzuteilen. Da es von Washingtons Seite keine Geste des Bedauerns oder eine Entschuldigung gab, überschlugen sich die Ereignisse in Neu-Delhi. Eine Delegation des US-Kongresses fand plötzliche keine Gesprächspartner im Gastland, Regierung und Opposition sagten alle Treffen ab. Am Dienstag rückten Bagger und Kräne vor der US-Botschaft an und beseitigten alle Barrikaden, die seit dem 11. September 2001 zum Schutz des Geländes errichtet worden waren. Die Straße Nyaya Marg im Botschaftsviertel ist seitdem für den öffentlichen Verkehr wieder frei. Diesem demonstrativen Akt folgten etliche Verfügungen des Außenministeriums: Alle Zulassungsgenehmigungen für US-Botschaftspersonal zum Betreten des Flughafens wurden ungültig gemacht. Indien stoppte die Zollabfertigung von Importen für die US-Botschaft. Die Konsulatsmitarbeiter wurden aufgefordert, ihre Identitätsausweise abzugeben. Sie sollen auf das Niveau indischer Konsulatsmitarbeiter in den Vereinigten Staaten herabgestuft werden. Die Regierung in Neu-Delhi hat detaillierte Angaben über die Gehälter aller indischen Beamten und Beschäftigten verlangt, einschließlich der Hausangestellten, die in US-Konsulaten arbeiten.

Außenminister Salman Khurshid erklärte dazu: »Wir haben Maßnahmen ergriffen, von denen wir glauben, daß sie ein effektiver Weg sind, diese Frage zu behandeln und die Würde unserer Diplomatin zu schützen.« Sie seien eine klare Botschaft, daß diese Art des Umgangs inakzeptabel ist. Frau Khobragades Anwalt in New York sprach von einer »unglaublich schäbigen Behandlung«. In seltener Einigkeit schloß sich die indische Opposition dem energischen Protest an. Die Regierung müsse auf jeden einzelnen Schritt der USA mit gleicher Münze reagieren, um »Indiens Souveränität und das Prestige seiner Diplomaten zu sichern«. Das äußerte der Sprecher der Indischen Volkspartei (BJP), Ravi Shankar Prasad, und fügte hinzu, dieses Verhalten der USA entspreche nicht dem Niveau der Freundschaft zwischen beiden Staaten. Indische Medien werfen dagegen der Regierung einen zu weichen außenpolitischen Kurs vor, nur deshalb könne Washington so auftreten.

Wie das US-Außenministerium mitteilte, äußerte US-Außenminister John Kerry am Mittwoch in einem Telefonat mit dem indischen Nationalen Sicherheitsberater Shivshankar Menon sein Bedauern über den Vorfall. Marie Harf, die Sprecherin des US-Außenministeriums, versuchte in einem Gespräch mit der Zeitung The Hindu, die Affäre herunterzuspielen. Beide Länder würden sich »einer breiten und tiefen Freundschaft erfreuen«. Harf gab zu, daß es sich um eine »reizbare Frage für viele in Indien« handelt. Ihre Regierung werde alle Umstände der Festnahme überprüfen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 20. Dezember 2013


Zurück zur Indien-Seite

Zurück zur Homepage