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Asiens Riesen im "Freundschaftsjahr"

Chinas Präsident Hu Jintao zu seinem ersten Staatsbesuch in Indien / Wirtschaft im Mittelpunkt

Von Hilmar König, Delhi *

Chinas Präsident Hu Jintao traf am Montag zu seinem ersten Besuch in Indien ein. Bereits im April vorigen Jahres war Ministerpräsident Wen Jiabao Gast der Regierung in Delhi. Einen indischen Gegenbesuch hat es seither nicht gegeben.

Vor dem Krieg zwischen den beiden asiatischen Riesen im Jahre 1962 umschrieb man in Indien die bilateralen Beziehungen mit »Hindi Chini Bhai Bhai«, was soviel wie indisch-chinesische Bruderschaft bedeutete. Immerhin waren beide Länder in den 50er Jahren die Urheber von »Panchashila«, den fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz. Nach dem Krieg war aus dem Slogan ein unmissverständliches »Hindi Chini bye-bye« geworden. Doch diese Periode haben die Nachbarn inzwischen überwunden, auch wenn der Krieg – die Chinesen sagen die »Geschichte« – schmerzende Narben hinterließ, vor allem die ungelöste Grenzfrage. Bis heute ist ein mehrere 100 000 Quadratkilometer umfassendes Gebiet zwischen beiden Ländern umstritten.

Wenige Tage vor Hu Jintaos Besuch berührte der chinesische Botschafter in Indien diese Narbe unsanft, als er öffentlich bemerkte, Arunachal Pradesh (ein indischer Unionsstaat im Nordosten) sei umstrittenes Territorium und man müsse dafür einen Kompromiss finden. Das entspricht Pekings Strategie des »Gebens und Nehmens« von beidseitig beanspruchten Gebieten. Doch Indien sieht keinen Spielraum, bevölkertes Territorium auszutauschen. Außenminister Pranab Mukherjee erwiderte zum »Fall« Arunachal Pradesh, diese Region sei integraler Bestandteil Indiens.

Immerhin gibt es seit Wen Jiabaos Besuch das Abkommen über politische Bedingungen und Leitprinzipien für eine Regelung der Grenzfrage sowie eine vereinbarte »Strategische und kooperative Partnerschaft für Frieden und Prosperität« zwischen beiden Staaten. Entsprechende Kommissionen treffen sich regelmäßig. Beide Seiten sind sich ihrer Verantwortung für Frieden und Stabilität in Asien bewusst.

Hu Jintaos Besuch markiert den Höhepunkt im »Indien-China-Freundschaftsjahr«, in dem es bereits mehr als 50 kulturelle, politische, wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Veranstaltungen gab. Nahezu 100 Geschäftsdelegationen reisten hin und her. Im April wurde das Abkommen über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen initiiert. Es könnte beim jetzigen Besuch unterzeichnet werden. Im Juli öffnete man zudem den Nathula-Pass zwischen Tibet und Sikkim für den kleinen Grenzhandel. Dieser Schritt hatte eine nicht unerhebliche politische Dimension, denn er bedeutete die Anerkennung des 1975 »eingemeindeten« Sikkim als Teil Indiens durch die chinesische Regierung.

Schwerpunkte des viertägigen Besuchs Jintaos werden die wirtschaftliche Zusammenarbeit und der Handel sein. Von 1990 bis 2005 ist das Handelsvolumen stetig gewachsen, von 260 Millionen auf 18.7 Milliarden Dollar jährlich. In den ersten sieben Monaten 2006 lag es bereits bei 13.6 Milliarden Dollar, 27 Prozent höher als im Vorjahr. Über 150 indische Unternehmen haben Ableger oder Büros in China, die an mehr als 1000 Projekten arbeiten. Etwa 50 chinesische Firmen sind in Indien tätig.

Aber auch im Freundschaftsjahr bleibt genügend Grund für gegenseitiges Misstrauen. Indien betrachtet mit Skepsis die traditionell herzlichen Beziehungen Pekings zu Pakistan, insbesondere deren militärischen Aspekte, etwa beim Bau von Raketen und im atomaren Bereich. Hu Jintao reist nach seiner Indien-Visite direkt nach Pakistan weiter. Auf der anderen Seite verfolgen die Chinesen nicht gerade begeistert die immer enger werdende Kooperation zwischen Delhi und Washington, wie sie sich auch im Abkommen über die zivile Nuklearkooperation widerspiegelt. Überschatten werden solche »Irritationen« den Besuch im Freundschaftsjahr allerdings nicht.

* Aus: Neues Deutschland, 21. November 2006

Indien braucht neue Atlanten

Bangalore heißt jetzt Bengaluru

Seit dem 1. November heißt das ehemalige Bangalore, eine der größten Städte im Süden des indischen Subkontinents, Bengaluru. Damit will die Regierung des Unionsstaates Karnataka die Besinnung auf die Regionalsprache Kannada fördern. Die Um- oder Rückbenennung – Bangalore war die anglizierte Form – erfolgte zum 50. Gründungstag des Unionsstaates. So wie Karnataka erhielten auch Kerala und Andhra Pradesh vor einem halben Jahrhundert den Status von Unionsstaaten. Dafür waren Verwaltungsfragen und Sprachgrenzen ausschlaggebend. In allen drei südindischen Staaten feierte die Bevölkerung am Mittwoch das Jubiläum. Nur in der Telengana- Region von Andhra Pradesh beging man eine Art Trauertag. In diesem Gebiet kämpft eine starke Bewegung für einen eigenen Unionsstaat Telengana, was aber sowohl von der Regierung in Hyderabad als auch der Zentralregierung in Delhi abgelehnt wird.

In Bengaluru, der Hauptstadt Karnatakas, haben über 1500 indische und ausländische Infotech- Firmen Büros und Arbeitsstätten, darunter Infosys, SAP, Dell, Google, IBM, Intel und Oracle. Auf dem indischen Atlas werden sechs weitere Städte Karnatakas mit neuen Namen verzeichnet werden: Mysore wird zu Mysuru, Mangalore zu Mangaluru, Hubli zu Hubballi, Shimoga zu Shivamogga, Belgaum zu Belagaavi und Hospet zu Hosapete. Karnataka folgt damit dem Beispiel Bombays, das seit einigen Jahren Mumbai heißt, sowie Madras (jetzt Chennai), Kalkutta (jetzt Kolkata) und Trivandrum (jetzt Thiruvananthapuram).
Hilmar König




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