Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Indien, Pakistan und der indisch-pakistanische Konflikt

Dezember 2005

Donnerstag, 1. Dezember, bis Sonntag, 11. Dezember
  • In Pakistan ist ein ranghoher Führer der Terrororganisation El Kaida getötet worden: Staatschef Pervez Musharraf bestätigte einen Zeitungsbericht, wonach der Syrer Hamsa Rabia bei einem Raketenangriff in den pakistanischen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan getötet wurde. Der Angriff auf ein Haus bei dem Ort Mirali in der Region North Waziristan sei am 1. Dez. erfolgt, sagte Musharraf. Der englischsprachigen Tageszeitung "Dawn" zufolge wurden bei dem Angriff vier weitere Kämpfer getötet. Behördenvertreter hätten erklärt, die Männer seien bei einer Explosion in einem Haus ums Leben gekommen; Zeugen hätten jedoch berichtet, dass unbemannte Flugzeuge einen "Raketenhagel" auf das Haus abgefeuert hätten.
  • Bei zwei Granatenangriffen in Kaschmir sind am 4. Dez. ein indischer Polizist getötet und mindestens elf Menschen verletzt worden. Der Polizeibeamte kam durch eine Granate ums Leben, während Sicherheitskräfte eine Razzia gegen ein mutmaßliches Rebellenversteck in Tral 40 Kilometer südlich der Sommerhauptstadt Srinagar unternahmen, wie die Polizei mitteilte. Zwei weitere Polizisten und vier Soldaten seien verletzt worden. In Srinagar wurden demnach zwei Polizisten und drei Zivilisten verletzt, als Unbekannte eine Polizeipatrouille mit Granaten angriffen.
  • Bei einem Bombenanschlag auf einem Markt in Pakistan sind zwölf Menschen getötet worden. Mehr als 40 Menschen seien bei der Explosion in der Stadt Jandola nahe der Grenze zu Afghanistan verletzt worden, teilten die Behörden am 8. Dez. mit. Der Sprengsatz explodierte in einem Restaurant auf dem Basar und zerstörte auch umliegende Geschäfte. In der Stadt Jandola in der Unruheregion Süd-Waziristan ist die Präsenz der Sicherheitskräfte sehr hoch. Pakistan hatte nach dem US-Einmarsch in Afghanistan 2001 dort tausende Soldaten stationiert, um zu verhindern, dass fundamentalistische Kämpfer über die Grenze ins Land kommen. Die Einrichtungen von Regierung und Armee werden dennoch regelmäßig von Extremisten angegriffen.
  • In der Region im Süden Pakistans wurden am 8. Dez. auch die Leichen zweier pakistanischer Soldaten gefunden. In der vergangenen Woche war dort ein ranghoher Führer der Terrororganisation El Kaida, Hamsa Rabia, getötet worden. Wie ein Militärvertreter mitteilte, wurden die enthaupteten Leichen zweier pakistanischer Soldaten gefunden. Sie waren am Dienstag gemeinsam mit zwei weiteren Soldaten in der Stadt Wana, der Hauptort Süd-Waziristans, verschwunden. Augenzeugenberichten zufolge waren sie von Unbekannten in einen Wagen gezerrt worden.
  • Zwei Monate nach dem verheerenden Erdbeben in Pakistan hat die UNO Deutschland um mehr finanzielle Hilfe für die von Hunger und Kälte bedrohten Menschen in der betroffenen Himalaya-Region gebeten. "Wir erwarten zusätzliche Beiträge aus Deutschland", sagte der UN-Hilfskoordinator für Pakistan, Jan Vandermoortele am 8. Dez. dem NDR. Deutschland sei bereits großzügig gewesen und habe gespendet. Aber es gehöre zu den Ländern, die UN-Bemühungen über den Winter hinweg unterstützen könnten. "Es wäre eine Schande, wenn wir unsere Aktivitäten mitten im Winter herunterfahren und die Menschen hilflos in den Bergen sitzen lassen müssten", fügte er hinzu.
  • Die NATO will Ende Januar ihre Transport- und Expertenhilfe für die pakistanische Erdbebenregion auslaufen lassen. Wie NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer am 8. Dez. in Brüssel mitteilte, brachte die NATO bisher rund 2700 Tonnen Hilfsgüter in das Gebiet. Zudem entsandte das Bündnis Ingenieure und Ärzte. "Auf Bitten der pakistanischen Regierung hat die NATO auch den Opfern des schrecklichen Erdbebens vom 8. Oktober geholfen", sagte De Hoop Scheffer, fügte aber hinzu, dass die NATO keine Hilfsorganisation sei und dies auch nicht anstrebe. "Aber wir haben uns gefreut, in dieser schwierigen Zeit einen Beitrag leisten zu können." Bei dem Erdbeben im Oktober starben rund 74.000 Menschen, 3 Millionen Menschen wurden obdachlos.
Montag, 12. Dezember, bis Sonntag, 18. Dezember
  • Indische Abgeordnete haben sich für parlamentarische Anfragen im Auftrag einer vermeintlichen Lobby gut bezahlen lassen. Der Fernsehsender Aaj Tak strahlte ein detailliertes Video über den Vorfall aus, und laut einer Webseite wurden insgesamt elf Parlamentarier von Journalisten der Korruption überführt. Die regierende Kongresspartei suspendierte daraufhin einen ihrer Abgeordneten, die oppositionelle BJP sogar sechs, wie die Nachrichtenagentur PTI am 13. Dez. berichtete. Der Webseite Cobrapost zufolge gaben sich Journalisten als Vertreter einer Lobby für Handwerksbetriebe aus und versprachen den Abgeordneten Geld für gezielte parlamentarische Anfragen. Elf sollen dieses Angebot angenommen haben, wobei die gezahlten Summen zwischen 15.000 und 110.000 Rupien (275 bis 2.000 Euro) gelegen haben sollen. Im Gegenzug wurden den Abgeordneten mehr als 60 Fragen vorgelegt, die dann auch prompt mehrfach gestellt wurden. Mindestens 25 dieser Anfragen beschäftigten schon bald mehrere Ministerien. Den Berichten zufolge wollten die Journalisten mit dieser Aktion Korruption unter Abgeordneten aufdecken. Einige der Angesprochenen sollen sogar ein Jahreseinkommen von gut 500.000 Rupien (rund 10.000 Euro) für regelmäßige parlamentarische Anfragen verlangt haben. Laut PTI hat der Ethikausschuss des indischen Oberhauses inzwischen eine Untersuchung der Vorfälle eingeleitet.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat den amerikanischen Expräsidenten George Bush zu seinem Sondergesandten für den Wiederaufbau im Erdbebengebiet von Kaschmir ernannt. Annan unterrichtete den pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf von dieser Entscheidung, wie das Außenministerium in Islamabad am 15. Dez. mitteilte. Ihre Regierung begrüße dies, sagte Ministeriumssprecherin Tasnim Aslam. Sie hoffe, dass die Prominenz des Expräsidenten dabei helfe, die Staatengemeinschaft zur fortgesetzten Hilfe für die Erdbebenopfer zu bewegen.
  • Nach einem Sicherheitsalarm ist das indische Parlament in Neu-Delhi am 16. Dez. evakuiert worden. Nach einem Bericht des Fernsehsenders NDTV wurden alle Abgeordneten und ihre Mitarbeiter aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Augenzeugen zufolge rannten Menschen aus dem Parlament. Nähere Einzelheiten waren zunächst nicht bekannt.
  • US-Vizepräsident Dick Cheney will in der kommenden Woche nach Afghanistan, Pakistan, Oman, Saudi-Arabien und Ägypten reisen. Cheney wolle am Montag (19.12.) bei der konstituierenden Sitzung des afghanischen Parlaments die USA repräsentieren, erklärte sein Büro am 16. Dez. in Washington. Demnach ist auch Treffen mit Präsident Hamid Karsai und ein Besuch der US-Truppen vorgesehen. Thema der Gespräche in Oman, Saudi-Arabien und Ägypten soll unter anderem der Kampf gegen den Terrorismus sein. In Pakistan stehen als Thema die US-Hilfen nach dem verheerenden Erdbeben vom Oktober auf dem Programm.
  • Bei einer Massenpanik in einer Einrichtung für Flutopfer im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu sind mindestens 42 Menschen zu Tode gekommen. Weitere 20 seien verletzt worden, als sie in einem Gebäude in der Stadt Chennai für Essensmarken angestanden hätten, teilte die Polizei am 18. Dez. mit. Unter den rund 3000 Wartenden sei Panik ausgebrochen, als sich das Gerücht verbreitet habe, dass keine weiteren Coupons ausgeteilt würden. Den Angaben zufolge waren die meisten der Opfer Frauen. Voraussichtlich werde die Zahl der Toten noch steigen, hieß es. Die Verletzten seien in Krankenhäuser gebracht worden.
Montag, 19. Dezember, bis Sonntag, 25. Dezember
  • Die pakistanische Polizei hat in der Nähe von Karachi ein führendes Mitglied einer sunnitischen Terrororganisation festgenommen. Aus Kreisen des Geheimdienstes ISI verlautete am 20. Dez., Usman Chotto von der Gruppe Lashkar-e-Jhangvi sei vor einigen Tagen bei einer Razzia in seinem Versteck entdeckt worden. Der Organisation wird vorgeworfen, für die Ermordung hunderter Schiiten verantwortlich zu sein. Sie soll auch Verbindungen zum Terrornetzwerk Al Kaida haben. Die Polizei hatte schon seit Jahren nach Chotto gesucht, der für die Anwerbung von Selbstmordattentätern zuständig gewesen sein soll.
  • Bei einem Besuch im pakistanischen Erdbebengebiet am 20. Dez. hat US-Vizepräsident Dick Cheney die Trauer seines Landes über die Naturkatastrophe mit rund 73 000 Toten ausgedrückt. Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf dankte Washington für die schnelle Erdbebenhilfe. Bei dem Beben am 8. Oktober waren mehr als drei Millionen Menschen obdachlos geworden. Cheney besuchte die vom Erdbeben betroffene Stadt Muzaffarabad. Er traf dort auch US- Soldaten, die Erdbebenhilfe leisten.
  • US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ist am 21. Dez. zu Besuch in Pakistan eingetroffen. Er will unter anderem US-Soldaten treffen, die in den vom Erdbeben verwüsteten Gebieten im Norden Pakistans Katastrophenhilfe leisten. Erst gestern hatte US-Vizepräsident Dick Cheney hat bei einem Besuch im Erdbebengebiet die Trauer der USA über die Naturkatastrophe ausgedrückt. Dabei waren im Oktober rund 73 000 Menschen gestorben. Pakistan ist ein enger Verbündeter der USA im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
  • Deutsche Hubschrauber bleiben auch nach dem Abzug der NATO in Pakistan, um weiter bei der Hilfe für die Erdbebenopfer zum Einsatz zu kommen. Dies habe Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung am 22.Dez. seinem Kollegen Rao Sikandar Iqbal versichert, berichteten am 23. Dez. pakistanische Medien. Derzeit sind vier Bundeswehrhubschrauber in Pakistan im Einsatz. Nach dem Ende der NATO-Mission am 1. Februar würden zwei Hubschrauber und weiteres Personal in Pakistan bleiben, hieß es. Bei dem Beben vom 8. Oktober wurden schätzungsweise 87.000 Menschen getötet, rund 3,5 Millionen wurden obdachlos.
    Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung fliegt am 23. Dez. ins pakistanische Erdbebengebiet. Rund 75 Bundeswehr- Soldaten leisten dort mit vier Hubschraubern Katastrophenhilfe. Schon gestern übergab Jung in Islamabad ein Röntgen- und ein Ultraschallgerät sowie weitere medizinische Hilfsgüter. Nach dem Besuch reist er zurück nach Berlin.
  • Das indische Parlament hat am 23. Dez. elf korrupte Abgeordnete ausgeschlossen. Ein Fernsehsender hatte vor knapp zwei Wochen aufgedeckt, dass die Abgeordneten sich für parlamentarische Anfragen bezahlten ließen. Ein Untersuchungsausschuss des Parlaments kam zu dem Schluss, dass die Volksvertreter unethisch gehandelt hätten und daher als Mitglieder untragbar seien. Das Unterhaus schloss zehn Abgeordnete aus, das Oberhaus einen. Für das Oberhaus war es der erste Schritt dieser Art überhaupt, das Unterhaus hatte zuletzt 1951 ein Mitglied ausgeschlossen. Die Entscheidung fiel einstimmig, nachdem die Abgeordneten der oppositionellen Bharatiya Janata die Bestrafung für zu streng erklärt und den Saal verlassen hatten. Sechs der betroffenen Abgeordneten gehörten der Partei an. Die Abgeordneten hatten von getarnten Journalisten Geld für gezielte parlamentarische Anfragen erhalten. Die gezahlten Summen lagen zwischen 15.000 und 110.000 Rupien (275 bis 2.000 Euro). Im Gegenzug wurden den Abgeordneten mehr als 60 Fragen vorgelegt, die dann auch prompt mehrfach gestellt wurden.
  • Bei einer Militäroffensive gegen Rebellen in der südwestpakistanischen Provinz Belutschistan haben Regierungstruppen in diesem Monat angeblich 100 Menschen getötet. Die Zahlen wurden von zwei Rebellenführern am 25. Dez. genannt. Regierungsstellen äußerten sich nicht zu den Angaben. Nach eigenen Angaben hat die Regierung in Islamabad die Militäraktion befohlen, um Angriffe auf staatliche Anlagen zu unterbinden. Die Aufständischen kämpfen für mehr Autonomie und einen größeren Anteil an den Gewinnen aus der Öl- und Gasförderung.
Montag, 26. Dezember, bis Samstag, 31. Dezember
  • Indien und Pakistan wollen ihre Friedensverhandlungen zu Beginn des neuen Jahres fortsetzen. Im Mittelpunkt der Gespräche am 17. und 18. Januar in Neu-Delhi sollen Sicherheits- und vertrauensbildende Maßnahmen sowie der Kaschmir-Konflikt stehen, wie ein Sprecher des indischen Außenministeriums am 26. Dez. mitteilte. Zuletzt hatten sich Vertreter beider Staaten im September in Islamabad getroffen. Geplant sei außerdem die Wiederaufnahme einer weiteren Eisenbahnverbindung zwischen beiden Ländern, hieß es. Darüber werde bereits am 5. und 6. Januar in Neu-Delhi verhandelt. Es gehe um die Strecke zwischen Munabao im Westen Indiens und der pakistanischen Grenzstadt Khokrapar. Diese Verbindung wurde vor 40 Jahren eingestellt. Die erste grenzüberschreitende Bahnlinie wurde im vergangenen Jahr wieder in Betrieb genommen.
    Im Rahmen der Friedensbemühungen wurden außerdem acht Pakistaner aus indischer Haft entlassen. Die ehemaligen Häftlinge, darunter zwei Jugendliche, wurden am 26. Dez. pakistanischen Behörden am Grenzübergang Wagah übergeben, wie ein Grenzbeamter mitteilte.
  • Indien hat eine Rakete getestet, die auch mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden kann. Die Rakete sei erfolgreich von einem Kriegsschiff im Golf von Bengalen abgefeuert worden, berichtete die Nachrichtenagentur IANS am 28. Dez. Sie habe eine Reichweite von 250 Kilometern. Indien testet wie das Nachbarland Pakistan regelmäßig atomwaffentaugliche Raketen.
  • Ein mutmaßlicher Terrorist hat am 28. Dez. bei einer wissenschaftlichen Konferenz in der südindischen Stadt Bangalore einen Forscher durch Schüsse getötet und vier weitere Menschen verletzt. Bei dem Toten handelt es sich nach Polizeiangaben um einen Professor aus einer der angesehensten Forschungsanstalten des Landes, dem Indian Institute of Sciences. Einer der Verletzten befinde sich in einem kritischen Zustand, erklärte die Polizei, die von einem Terrorakt ausgeht.



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