Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Indien, Pakistan und der indisch-pakistanische Konflikt

Oktober/November 2004

Freitag, 1. Oktober, bis Sonntag, 10. Oktober
  • Bei einem Bombenanschlag auf eine schiitische Moschee in der ostpakistanischen Stadt Sialkot sind am 1. Okt. mindestens 19 Menschen ums Leben gekommen, mehr als 30 weitere Gläubige wurden verletzt. Zum Zeitpunkt des Anschlags hielten sich hunderte Gläubige zum Freitagsgebet in der Moschee im Zentrum der Stadt nahe der Grenze zu Indien auf. Augenzeugen berichteten von grausigen Szenen in dem Gotteshaus.
    Der Geheimdienst vermutet nach Angaben eines Vertreters, dass der Selbstmordattentäter die Bombe in einer Aktentasche mit sich trug und sie inmitten der Betenden zündete. Laut einem Polizeisprecher ließen die aufgewühlten Menschen hinterher ihre Wut an der Polizei aus - es kam zu heftigen Auseinandersetzungen. Wer hinter dem Anschlag steht, ist bislang unklar. Die überwiegende Mehrheit der 150 Millionen Pakistaner ist sunnitischen Glaubens, nur etwa 15 Prozent sind Schiiten. In der Regel leben beide moslemischen Glaubensgemeinschaften friedlich nebeneinander; doch seit den 80er Jahren nimmt die Gewalt durch Extremisten auf beiden Seiten zu. Sie forderte bislang mehr als 4.000 Tote.
    Die pakistanische Regierung verdächtigt das sunnitische Terrornetzwerk El Kaida von Osama bin Laden, sich der fundamentalistischen Gruppierungen in Pakistan zu bedienen, um Terroranschläge zu verüben und gleichzeitig den religiösen Konflikt mit den Schiiten weiter zu schüren.
  • Bei vier Bombenanschlägen in dem von Konflikten geprägten Nordosten Indiens sind am 2. Oktober mindestens 27 Menschen getötet und 93 weitere verletzt worden. Die Anschläge ereigneten sich am 135. Geburtstag des pazifistischen indischen Unabhängigkeitskämpfers Mahatma Gandhi.
    Drei schwere Explosionen ereigneten sich auf dem Bahnhof und auf zwei Märkten der Stadt Dimapur im Bundesstaat Nagaland, wie der lokale Regierungschef Neibhiu Rio mitteilte. Dabei seien 26 Menschen ums Leben gekommen und 86 weitere verletzt worden.
    Eine weitere Bombe riss nach Angaben der Polizei in Kokrajhar im Nachbarstaat Assam einen Menschen in den Tod und verletzte sieben weitere.
    Regierungschef Rio sprach vom "bislang schlimmsten" Anschlag in Nagaland. In dem Bundesstaat hatte relative Ruhe geherrscht, seit die Regierung in Neu Delhi und die größte Rebellengruppe Nationaler Sozialistischer Rat von Nagaland (NSCN) sich 1997 auf einen Waffenstillstand geeinigt hatten. In Assam hatten die Rebellen der Vereinigten Befreiungsfront (ULFA) erklärt, sie lehnten ein Waffenstillstandsangebot der Regionalregierung ab. Zuletzt war in dem Bundesstaat bei einem Anschlag am 15. August, dem 57. Jahrestag der Unabhängigkeit Indiens, 15 Menschen getötet worden.
    Der Nordosten Indiens, wo rund 30 Gruppen die Unabhängigkeit von der Zentralregierung fordern, ist immer wieder Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen. Seit der Unabhängigkeit Indiens 1947 wurden im Nordosten des Landes rund 50.000 Menschen bei Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und Rebellengruppen getötet.
  • Bei einer weiteren Serie von Anschlägen am 2. Okt. sind im Nordosten Indiens mindestens 17 Menschen ums Leben gekommen. Bewaffnete überfielen einen Markt im Dorf Makri Jhora im Bundesstaat Assam und erschossen dort elf Menschen, wie die Polizei bekannt gab. Außerhalb der Ortschaft erschossen die fliehenden Täter vier weitere Menschen.
    Bei einem Bombenanschlag im Distrikt Bongaingaon seien zwei Menschen ums Leben gekommen.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Anschläge im Nordosten Indiens scharf verurteilt. "Kein Grund kann solche unsinnigen und brutalen Akte rechtfertigen, die auf unschuldige Zivilisten abzielen", sagte Annans Sprecher Fred Eckhard am 2. Okt. in New York. Annan sei "schockiert und bestürzt." Der UN-Generalsekretär sprach den Opfern und ihren Angehörigen seine Anteilnahme aus.
  • Die Anschläge hielten in Assam auch am 3. Okt. an. Ziele waren ein Markt, eine Stromleitung, eine Gaspipeline und eine Teeplantage.
    Die Behörden in Assam erklärten, möglicherweise seien die Anschläge von Rebellen aus Boroland verübt worden. Zwei Mitglieder der verbotenen Nationalen Demokratischen Front von Boroland seien bei der vorzeitigen Explosion eines Sprengsatzes getötet worden. Der 3. Okt. war auch der 18. Jahrestag der Gründung der Gruppe, die im Grenzgebiet von Assam und Nagaland aktiv ist. Es war unklar, ob zwischen den Anschlägen in Nagaland und Assam ein Zusammenhang bestand.
  • Hunderte schiitische Moslems haben am 3. Okt. in der ostpakistanischen Stadt Sialkot in Gebeten der 31 Menschen gedacht, die am 1. Okt. bei einem Selbstmordanschlag auf eine Moschee getötet wurden. Nach dem Anschlag war es am Wochenende zu Unruhen in Sialkot gekommen, bei denen hunderte Jugendliche plündernd und brandschatzend durch die Straßen zogen. Unter anderem wurden eine Polizeiwache und das Büro des Bürgermeisters in Brand gesteckt. Soldaten sorgten dann für Sicherheit.
  • Bei einer neuen Gräueltat im indischen Bundesstaat Assam sind am 4. Okt. sechs Menschen ums Leben gekommen. Mutmaßliche Rebellen seien in der Nacht in ein Dorf im Distrikt Sonitpur eingefallen, teilte die Polizei mit. Sie hätten die Bewohner aus dem Schlaf gerissen und gezwungen, sich in eine Reihe zu stellen; dann hätten sie mit automatischen Waffen auf die Menschen geschossen. Neun Bewohner seien verletzt worden.
  • Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) startete am 5. Okt. zu einer sechstägigen Asienreise. Am 6. und 7. Okt. besucht der Kanzler zunächst Indien. In der Hauptstadt Neu Delhi sind unter anderem Treffen mit dem indischen Premierminister Manmohan Singh und Präsident Abdul Kalam vorgesehen. Am 8. Okt. reist der Kanzler zur Teilnahme am fünften ASEM-Gipfel nach Hanoi, am 10. Okt. besucht er Pakistan. Zum Abschluss der Reise will Schröder in Kabul zwei Tage nach den ersten freien Wahlen in Afghanistan mit Bundeswehrsoldaten und Präsident Hamid Karsai zusammentreffen.
  • Bei einem doppelten Bombenanschlag sind in Pakistan mindestens 39 Menschen getötet und etwa 100 verletzt worden. Die beiden Sprengsätze explodierten laut Polizei am frühen Morgen des 7. Okt. im Zentrum der Stadt Multan, wo sich rund tausend Sunniten auf dem Rasheedabad-Platz versammelt hatten. "In der Innenstadt herrschen Chaos und Panik. Wir versuchen, die Situation unter Kontrolle zu bekommen", sagte ein Polizeisprecher. Informationsminister Sheikh Rashid nannte den Anschlag einen "Akt von brutalem Terrorismus", der Instabilität in Pakistan erzeugen solle. Die radikalen Gläubigen waren zusammengekommen, um der Ermordung des Gründers der verbotenen extremistischen Sunnitengruppe Sipah-e-Sahaba zu gedenken. Azam Tariq war am 6. Oktober vergangenen Jahres in der Nähe der Hauptstadt Islamabad erschossen worden. Die Nacht verbrachten seine Anhänger mit Gebeten, bevor sie sich in den Morgenstunden zurückziehen wollten.
  • Deutschland und Indien haben ihre enge Zusammenarbeit bei der Reform der UNO bekräftigt und den weiteren Ausbau ihrer Wirtschaftskontakte vereinbart. Die Bundesregierung betrachte Indien als "außerordentlich wichtigen Partner, nicht nur in der Region, sondern in der internationalen Politik überhaupt", sagte Schröder nach einem Treffen mit Premierminister Manmohan Singh in Neu Delhi am 7. Okt.
    Es gehe um eine strategische, langfristige Zusammenarbeit mit Indien, sagte Schröder am zweiten Tag seines Besuchs in Neu Delhi. Er unterstrich das Ziel, das Handelsvolumen von fünf Milliarden Euro im Jahr 2003 in den nächsten fünf Jahren zu verdoppeln. Schröder warb auch dafür, dass weitere indische Computerspezialisten nach Deutschland kommen sollten. Mit dem neuen Einwanderungsgesetz habe sich die Situation deutlich verbessert. "Spezialisten nicht zuletzt aus Indien sind bei uns hochwillkommen", betonte er. Derzeit arbeiten rund 5500 Inder mit einer Green Card in Deutschland.
    Bei der UN-Reform hätten beide Länder "absolut übereinstimmende Interessen", sagte Schröder. Im September hatten Deutschland, Indien, Brasilien und Japan vereinbart, sich in ihrem Streben nach einem ständigen Sitz im höchsten UN-Gremium gegenseitig zu helfen. Der Sicherheitsrat werde von vielen als nicht mehr repräsentativ für die Staatengemeinschaft im 21. Jahrhundert empfunden, sagte Schröder bei einer Rede vor der Rajiv-Gandhi-Stiftung. Seine künftige Zusammensetzung müsse der wachsenden Bedeutung wichtiger Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas Rechnung tragen, aber auch den Beitrag der Industrieländer zum Weltfrieden berücksichtigen.
  • Ein U-Boot-Geschäft mit Indien bringt die deutsche und die französische Regierung nach Informationen des "Handelsblatts" auf Kollisionskurs. Wie die Fachzeitung in ihrer Ausgabe am 8. Okt. unter Berufung auf Regierungs- und Industriekreise berichtet, setzt sich die Bundesregierung in Neu-Delhi für die Kieler Werft HDW ein. Dabei sei der Auftrag für die französische Staatswerft DCN über die milliardenschwere Lieferung von sechs U-Booten an die indische Marine bereits so gut wie sicher gewesen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wollte laut "Handelsblatt" das Thema bei seinen Gesprächen mit der indischen Führung am Donnerstag ansprechen.
  • Zwei Tage nach einem Bombenanschlag auf sunnitische Moslems in Pakistan haben die Sicherheitskräfte mehr als 100 mutmaßliche Islamisten festgenommen. In der zentralen Provinz Punjab seien mehr als 100 Aktivisten verbotener sunnitischer und schiitischer Gruppen gefasst worden, sagte ein Polizeisprecher am 9. Okt. Ziel sei die Zerschlagung ihrer Netzwerke und Organisationen.
  • Bewaffnete haben am 9. Okt. einen bekannten islamischen Geistlichen erschossen, der den Taliban nahe stand. Der sunnitische Mufti Jamil sei auf dem Weg zur Moschee in der Hafenstadt Karachi angegriffen worden, teilte der Polizeichef mit. Ein anderer Geistlicher, der den Mufti begleitete, sei ebenfalls getötet worden. Die Angreifer schossen den Angaben zufolge von Motorrädern aus auf die Geistlichen.
    Das Attentat in Karachi löste in zwei Stadtteilen schwere Unruhen aus. Anhänger der beiden Geistlichen errichteten nach Polizeiangaben Straßenblockaden aus brennenden Autoreifen und steckten vier Fahrzeuge in Brand.
  • Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat das Interesse Deutschlands an einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Pakistan bekundet. Bei einem Gespräch mit dem pakistanischen Premierminister Shaukat Aziz sagte der Kanzler am 10. Okt., Deutschland werde alles tun, um Pakistan näher an die Europäische Union heranzuführen. Zu Verhandlungen zwischen Pakistan und der EU, bei denen es unter anderem um Zölle und Abgaben geht, sagte Schröder: "Wir glauben, dass wir Pakistan hilfreich sein können bei diesen Verhandlungen." Der Bundeskanzler wird von etwa 20 deutschen Unternehmern begleitet.
    Im Beisein der beiden Regierungschefs wurde ein bereits 2003 geschlossenes Abkommen über finanzielle Zusammenarbeit unterzeichnet. Demnach wird Deutschland eine Reihe von Entwicklungsprojekten mit insgesamt 18 Millionen Euro unterstützen.
    Schröder und Aziz plädierten für Gemeinsamkeit im Kampf gegen den Terrorismus. "Wir müssen alle Anstrengungen machen, um dem Terrorismus die ideologischen Grundlagen zu entziehen", sagte Schröder.
  • Bei einem Anschlag auf eine schiitische Moschee in der pakistanischen Stadt Lahore sind mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. Vier weitere Menschen wurden verletzt, wie die pakistanische Polizei am 10. Okt. mitteilte. Demnach versuchte ein Mann, mit Sprengstoff in die Moschee einzudringen. Als er von zwei Wächtern aufgehalten wurde, zündete er den Sprengstoff und riss die beiden Wächter mit sich in den Tod.
  • Bundeskanzler Gerhard Schröder ist in Pakistan mit seinen Vorstellungen zur Reform des UN-Sicherheitsrats auf Ablehnung gestoßen. Die Vergrößerung der Gruppe ständiger Mitglieder würde dem demokratischen Gedanken der Gleichheit unter den Nationen widersprechen, sagte der pakistanische Präsident Pervez Musharraf am Abend des 10. Okt. nach einem Treffen mit Schröder in Islamabad. "Deswegen sind wir prinzipiell gegen eine Erweiterung." Schröder sagte dazu: "Das bedeutet, das wir noch Überzeugungsarbeit leisten müssen."
Montag, 11. Oktober, bis Sonntag, 24. Oktober
  • Die Atommacht Pakistan hat am 12. Okt. erneut eine Mittelstreckenrakete vom Typ «Ghauri» getestet. Wie die Regierung in Islamabad mitteilte, sei der Test erfolgreich verlaufen. Die Rakete habe ihr Ziel getroffen, alle technischen Vorgaben seien erfüllt worden. Ministerpräsident Shaukat Aziz und führende Generäle waren beim Start anwesend. Alle Nachbarstaaten seien vorab über den Test informiert worden, hieß es in der Erklärung weiter. Die pakistanischen "Ghauri"-Mittelstreckenraketen können sowohl atomare als auch konventionelle Sprengköpfe bis zu 1.500 Kilometer weit transportieren. Sie wurden erstmals 1998 getestet.
  • Das pakistanische Parlament hat gegen den erbitterten Widerstand der Opposition Präsident Pervez Musharraf erlaubt, weiterhin Heereschef zu bleiben. Das Gesetz wurde am 14. Okt. mit einfacher Mehrheit in Islamabad beschlossen. Die islamische Opposition sprach von einem Verstoß gegen die Verfassung an und kündigte eine "Bewegung" gegen die politisch-militärische Personalunion an. Musharraf hatte ihr im vergangenen Jahr versprochen, den Oberbefehl über die größte Teilstreitkraft, das Heer, niederzulegen. Dafür erhielt er ihre Unterstützung für Verfassungsänderungen, die dem Präsidenten mehr Vollmachten als bisher geben. So kann er das Parlament auflösen und den Ministerpräsidenten entlassen. Ein Sprecher der Pakistanischen Muslimischen Liga, der größten Oppositionspartei, sagte, mit dem Gesetz werde die Militärherrschaft zementiert.
  • Die indische Kongresspartei hat bei Wahlen im Unionsstaat Maharashtra einen entscheidenden Sieg über die Hindu-Nationalisten gewonnen. Die Regierungspartei auf nationaler Ebene errang 139 Mandate im regionalen Parlament von Bombay, während auf die Hindu-Partei BJP nur 118 Sitze entfielen, meldeten die Agenturen am 16. Okt. Mit Hilfe von einigen der 31 übrigen Abgeordneten dürfte die Kongresspartei über die Mehrheit von mindestens 145 Stimmen in der 288-köpfigen Versammlung verfügen. Beobachtern zufolge ist der Wahlsieg ein weiterer Triumph für die Parteivorsitzende Sonia Gandhi, deren Führungsrolle auf Grund ihrer italienischen Herkunft umstritten ist. Die Witwe des 1991 ermordeten Ministerpräsidenten Rajiv Gandhi führte die Kongresspartei bei den Parlamentswahlen im April und Mai zurück an die Regierung. Sie verzichtete aber auf das Amt des Ministerpräsidenten zu Gunsten von Manmohan Singh.
  • Die pakistanischen Sicherheitsbehörden haben nach eigenen Angaben ein ranghohes aus Ägypten stammendes Mitglied der El-Kaida-Organisation festgenommen. Abdul Rehman stehe auf der Liste der meistgesuchten Verdächtigen des US-Auslandsgeheimdienstes CIA und sei in der nordwestlichen Stadt Peshawar an der Grenze zu Afghanistan festgenommen worden, sagte ein Vertreter der pakistanischen Sicherheitsbehörden am 20. Okt. in Islamabad. Der Zugriff sei bereits "vor einigen Tagen" erfolgt.
Montag, 25. Oktober, bis Sonntag, 31. Oktober
  • Mit einer Kehrtwende in seiner Kaschmir-Politik hat der pakistanische Präsident Pervez Musharraf Bewegung in den fast 60-jährigen Streit mit Indien gebracht. Musharraf sprach sich am 25. Okt. in Islamabad für einen neuen Status der Grenzregion aus: Diese könne unabhängig werden, unter die gemeinsame Kontrolle Pakistans und Indiens gestellt oder demilitarisiert werden. Indien reagierte zurückhaltend auf den Vorstoß Musharrafs.
    Islamabad solle "offizielle Kanäle" für seine Vorschläge nutzen, anstatt eine Diskussion über die Medien zu führen, erklärte das indische Verteidigungsministerium. "Wir haben diese Kommentare gehört", sagte ein Ministeriumssprecher in Neu Delhi in einer ersten offiziellen Reaktion am 26. Okt. Seine Regierung glaube aber, dass das Thema Kaschmir nicht in den Medien diskutiert werden dürfe. Wenn es Vorschläge gebe, sollten sie im bestehenden Dialog zwischen beiden Ländern eingebracht werden.
    Musharraf hatte vor Regierungsbeamten, Diplomaten und Journalisten erklärt, die verschiedenen Optionen müssten nun mit Rechtsexperten erörtert werden. Seine Vorschläge sollten das Land anregen, sich Gedanken über die Zukunft der umstrittenen Region zu machen. Die Nation solle nun darüber debattieren, bevor Islamabad einen offiziellen Vorschlag zur Beilegung des Kaschmir-Konflikts unterbreite.
    Eine Volksabstimmung zum zukünftigen Status von Kaschmir, wie sie auch die UNO vorgeschlagen hat, lehnte der Präsident mit dem Hinweis ab, dass dies für Indien inakzeptabel sei. Im Gegenzug schloss er wiederum kategorisch aus, die so genannte Kontrolllinie zwischen der pakistanischen und der indischen Zone der Kaschmir-Region zu einer dauerhaften Grenze zu erklären.
    Musharrafs Vorschläge beherrschten die Titelseiten der Zeitungen und die Fernsehnachrichten in Pakistan am 26. Okt. Die islamistische Allianz Muttahida Majlis-e-Amal (MMA), eine der wichtigsten Oppositionsparteien im Parlament, wies Musharrafs Ansinnen als "Rückschlag" zurück. Die Befreiungsfront von Jammu und Kaschmir (JKLF) erklärte, die Vorschläge Musharrafs öffneten "neue Perspektiven". Auch die pakistanische Menschenrechtskommission äußerte sich positiv.
  • Indien hat erneut eine atomwaffentaugliche Mittelstreckenrakete getestet. Die Erprobung der Marine-Version der Rakete, die von Schiffen und U-Booten abgefeuert werden könne, sei erfolgreich verlaufen. Das meldet der indische Nachrichtensender NDTV am 27. Okt. Die Rakete habe eine Reichweite von 250 bis 300 Kilometer.
  • Die Angriffe muslimischer Rebellen im indischen Unionsstaat Jammu-Kaschmir sind nach Regierungsangaben in den letzten Monaten zurückgegangen. Die Lage in Jammu-Kaschmir habe sich verbessert, sagte der indische Innenminister Shivraj Patil der Zeitung "Hindustan Times" vom 31. Okt. In diesem Jahr habe es täglich durchschnittlich sechs Rebellenattacken im indischen Teil Kaschmirs gegeben. Im vorigen Jahr seien es neun gewesen, 2002 im Durchschnitt sogar elf Übergriffe pro Tag. Auch eine Infiltration islamischer Extremisten aus Pakistan habe nachgelassen. Patil will in einer Woche die unruhige Himalaya-Region besuchen und sich mit örtlichen Politikern treffen. Ministerpräsident Manmohan Singh hat seinen Besuch für den 17. November angekündigt.
Montag, 1. November, bis Sonntag, 7. November
  • Bei der Explosion einer Autobombe im Südwesten Pakistans sind vier Menschen verletzt worden. Die Detonation in Quetta beschädigte Häuser, Fenster zersplitterten, wie die Polizei in der Hauptstadt der Provinz Baluchistan am 2. Nov. mitteilte. Der Anschlag galt möglicherweise dem Regierungschef der Provinz, Jam Mohammed Yousuf. Er hielt sich zum Zeitpunkt der Detonation in seiner Residenz auf und blieb unversehrt, sein Anwesen wurde beschädigt.
  • In Pakistan ist erneut ein Angriff auf eine Moschee verübt worden. Dabei starb in Karachi mindestens ein Mensch. Zwei weitere wurden verletzt. Unbekannte hätten das Feuer auf das sunnitische Gotteshaus eröffnet, teilte die Polizei am 3. Nov. mit. Der Anschlag reiht sich in eine Serie blutiger Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Vertretern der schiitischen Minderheit in Pakistan. Im vergangenen Monat waren bei einem Anschlag in Zentral-Pakistan mindestens 39 sunnitische Muslime getötet worden.
  • Bei der Explosion eines Sprengsatzes im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan sind mindestens sechs Soldaten getötet und zehn verletzt worden. Die Bombe sei explodiert, als ein pakistanisches Armeefahrzeug darüber gefahren sei, teilten die Streitkräfte am 4. Nov. mit. Die pakistanische Armee sucht im halbautonomen Stammesgebiet an der afghanischen Grenze nach El-Kaida- und Taliban- Kämpfern. Die Soldaten werden dabei immer wieder das Ziel von Angriffen.
  • Indische Truppen haben eine Offensive gegen separatistische Rebellen im Nordosten des Landes eingeleitet. Dabei kamen nach Militärangaben vom 5. Nov. mindestens 13 Rebellen ums Leben, 34 wurden gefangen genommen. Im Nachbarland Birma verstärkten die Behörden nach Angaben aus Sicherheitskreisen die Grenztruppen, um Rebellen aus dem Unionsstaat Manipur daran zu hindern, in Birma Zuflucht zu suchen. In Manipur kämpfen drei Guerillagruppen seit etwa 20 Jahren für eine Unabhängigkeit der Region - die Vereinigte Nationale Befreiungsfront, die Volksbefreiungsarmee und die Revolutionäre Volkspartei von Kangleipak. Dem Aufstand in der rohstoffreichen Region sind in den vergangenen zehn Jahren mehr als 15.000 Menschen zum Opfer gefallen.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai und sein pakistanischer Kollege Pervez Musharraf haben ein gemeinsames "offensives" Vorgehen im Kampf gegen den Terrorismus angekündigt. "Wir werden den Terrorismus offensiv bekämpfen und auf alle Arten zusammenarbeiten, um erfolgreich zu sein", sagte Musharraf am 6. Nov. vor Journalisten bei einem Besuch in Kabul. Erfolge in dem Vorgehen kämen beiden Nachbarländern gleichermaßen zugute. Beide Staatschefs erörterten auch weitere Fragen der beiderseitigen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen.
  • Indien hat eine atomwaffenfährige Kurzstreckenrakete getestet. Die Rakete vom Typ "Dhanus" (Bogen) mit einer Reichweite von 250 Kilometern wurde von einem Schiff vor der Küste des ostindischen Bundesstaates Orissa im Golf von Bengalen abgefeuert, wie aus indischen Verteidigungskreisen am 7. Nov. verlautete.
Montag, 8. November, bis Sonntag, 22. November
  • Die indische Regierung will ihre Truppenstärke in der umstrittenen Kaschmir-Region reduzieren. Premierminister Manmohan Singh habe für "diesen Winter" die Reduzierung der Streitkräfte im Bundesstaat Jammu und Kaschmir angeordnet, gab die Regierung in Neu Delhi am 11. Nov. in einer Erklärung bekannt. Anlass dafür sei die Verbesserung der Sicherheitslage in dem Bundesstaat. Es könnten jedoch wieder zusätzliche Soldaten entsandt werden, sollten die Gewalt und die Grenzüberschreitungen von Rebellen wieder zunehmen. Indien gibt seine Truppenstärke in Jammu und Kaschmir nur vage mit 200.000 bis 300.000 Mann an. Die Rebellen in der Unruheregion und die pakistanische Regierung schätzen die Zahl dagegen auf 500.000 bis 700.000.
  • Bei einer Bombenexplosion in einem Kino im Nordwesten Pakistans sind in der Nacht zum 17. Nov. zwei Menschen getötet und 29 weitere verletzt worden. Nach Angaben der Polizei war der Sprengsatz in einer Plastiktüte versteckt und explodierte kurz vor Filmende gegen Mitternacht. Wer hinter dem Anschlag stand, war zunächst unklar. Der Ort Mingora liegt in einem von Touristen gerne besuchten malerischen Flusstal unweit der Grenze zu Afghanistan. Mingora ist gleichzeitig eine Hochburg islamischer Fundamentalisten.
  • Wenige Stunden vor einer geplanten Rede des indischen Premierministers Manmohan Singh in der Unruheprovinz Kaschmir haben Rebellen in unmittelbarer Nähe des Veranstaltungsorts einen Angriff gestartet. Die bewaffneten Aufständischen hätten einen Gebäudekomplex in Srinagar angegriffen, der 200 Meter vom Sheri-Kashmir-Stadion entfernt liegt, in dem Singh am 17. Nov. bei einer Großveranstaltung sprechen sollte, teilte die Polizei mit. Augenzeugen berichteten von heftigen Schusswechseln zwischen Sicherheitskräften und Rebellen. Nach Informationen des indischen Fernsehens kam dabei mindestens ein Zivilist ums Leben. Singhs geplanter Kaschmir-Besuch wäre der erste seit seinem Amtsantritt im Mai.
  • Nach dem Beginn der Reduzierung indischer Soldaten in der Krisenregion Kaschmir hat Premierminister Manmohan Singh einen weiteren Truppenabbau in Aussicht gestellt. Sollte die Gewalt im indischen Teil der Krisenregion zurückgehen, werde er noch weitere Soldaten abziehen, sagte Singh am 17. Nov. zu Beginn seines Kaschmir-Besuchs vor Studenten in der Sommerhauptstadt Srinagar. Indien und Pakistan arbeiteten derzeit gemeinsam daran, die "sinnlose Gewalt" in Kaschmir zu beenden, betonte er.
  • Die pakistanischen Behörden haben nach eigenen Angaben einen mutmaßlichen Drahtzieher des Anschlags auf das US-Konsulat in Karachi vor zwei Jahren verhaftet. Der Verdächtige sei am 17. Nov. in dem Bekleidungsgeschäft festgenommen worden, das er seit einigen Monaten in einen Ort an der indischen Grenze betrieben habe, teilte Informationsminister Scheikh Rashid Ahmed mit. Naveed-ul Hassan habe den Anschlag auf das US-Konsulat im Juni 2002 geplant, bei dem 14 Pakistaner getötet wurden. Er sei auch für mehrere andere Anschläge verantwortlich, bei dem Menschen verletzt wurden. Ahmed sagte weiter, ein anderes führendes Mitglied von Hassans verbotener Gruppe Harkat-ul-Mujahedeen al-Alami sei noch auf der Flucht.
  • Bei einem Anschlag maoistischer Rebellen sind im Norden Indiens mindestens 13 Polizisten ums Leben gekommen. Vier weitere wurden verletzt, wie die Nachrichtenagentur United News of India am 20. Nov. unter Berufung auf Polizeiangaben berichtete. Die Attentäter hatten demnach einen Sprengsatz unter einer kleinen Brücke im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh deponiert. Als der Bus die Brücke passierte, sei der Sprengsatz explodiert. Die Polizisten waren demnach auf dem Weg zu einer Fahndungsmission in der Region, wo bereits vor wenigen Tagen Sicherheitskräfte von Rebellen getötet worden waren.
Montag, 22. November, bis Dienstag, 30. November
  • Nach acht Jahren Haft ist der Ehemann der früheren pakistanischen Ministerpräsidentin Benazir Bhutto, Asif Ali Zardari, am 22. Nov. gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt worden. Zardari saß wegen Korruptionsvergehen in Haft. Der stellvertretende Superintendent des Zentralgefängnisses von Karachi erklärte, ein Abgeordneter von Bhuttos Partei habe die vom Obersten Gericht festgelegte Kaution in Höhe von einer Million Rupie (13.000 Euro) hinterlegt. Daraufhin sei Zardari freigelassen worden. Die Korruptionsvorwürfe, die zu seiner Verurteilung führten, bezogen sich auf einen Zeitraum Anfang der 90er Jahre, als Bhutto die Regierung für zwei Legislaturperioden führte.
  • Wegen Sicherheitsalarms sind Teile des US-Konsulats und das Amerikanische Zentrum in Bombay für 24 Stunden geschlossen worden. Die Maßnahme sei aufgrund einer Warnung aus Washington vor möglichen terroristischen Anschlägen erfolgt, teilte die US-Botschaft in Neu-Delhi am 23. Nov. mit. Danach waren US-Interessen in Bombay und der indischen Hauptstadt Neu Delhi "unmittelbar" bedroht. Die US-Bürger in beiden Städten seien zur Vorsicht gemahnt worden, sagte eine Botschaftssprecherin.
  • Die verfeindeten Nachbarstaaten Indien und Pakistan wollen ihren Dialog über die umstrittene Kaschmir-Region fortsetzen. Ein Gespräch zwischen dem indischen Außenminister Natwar Singh und dem pakistanischen Regierungschef Shaukat Aziz in Neu Delhi sei in "sehr freundlicher, vorausblickender" Atmosphäre verlaufen, sagte ein Sprecher des indischen Außenministeriums am 23. Nov. Auch bei der regionalen Zusammenarbeit in Südasien hätten Singh und Aziz weiteres Potenzial festgestellt. Der pakistanische Ministerpräsident Shaukat Aziz hat sich ebenfalls versöhnlich gegenüber Indien geäußert. "Der Dialog wird fortgesetzt. Pakistan will Frieden mit Indien", sagte der Politiker am 24. Nov. in Neu-Delhi vor Journalisten.
    Auch Indien bekräftigte seinen Einsatz für den Frieden: "Dieser Weg, den beide Seiten gehen wollen, wird in der Zukunft Ergebnisse bringen", sagte Shyam Saran, ein leitender Diplomat im Außenministerium. Beide Länder vereinbarten ferner die Wiedereröffnung von Niederlassungen ihrer jeweiligen Staatsbanken im Nachbarland; diese waren 1965 geschlossen worden.
  • Auf einem belebten Basar im Südwesten Pakistans ist am 25. Nov. eine Bombe explodiert. Mindestens ein Mensch kam ums Leben, 14 weitere wurden verletzt, wie ein Behördensprecher in Chusdar in der Provinz Baluchistan sagte. Der Sprengsatz war auf einem Fahrrad befestigt, das vor einem Laden abgestellt war. Zu dem Anschlag bekannte sich die Befreiungsarmee von Baluchistan, eine bislang kaum in Erscheinung getretene Gruppe. In Anrufen bei mehreren Zeitungen warnte ein Sprecher die Regierung vor der Stationierung weiterer Truppen in der Provinz.
  • Die pakistanische Regierung hat die Verbreitung der jüngsten Ausgabe des US-Nachrichtenmagazins "Newsweek" aus religiösen Gründen verboten. Die Behörden nahmen Anstoß am Bild einer Frau, auf deren Rücken Koran-Verse geschrieben waren, wie Informationsminister Scheich Raschid am 27. Nov. der Nachrichtenagentur AFP sagte. "Das Foto in Newsweek verletzt die Gefühle von Moslems." Bereits ausgelieferte Exemplare würden konfisziert.
  • Pakistan hat erneut eine atomwaffenfähige Rakete getestet. Der Test einer Boden-Boden-Kurzstreckenrakete vom Typ Hatf III Ghaznavi am 29. Nov. sei "Teil einer Testserie", um "Teilsysteme" der Waffe zu verbessern, teilte die pakistanische Armee mit. Die Rakete mit einer Reichweite von 290 Kilometern kann atomare Sprengköpfe transportieren. Indien testete Anfang November eine atomwaffenfähige Kurzstreckenrakete vom Typ "Dhanus" (Bogen) mit einer Reichweite von 250 Kilometern.


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