Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Indien, Pakistan und der indisch-pakistanische Konflikt

Januar 2004

1. bis 4. Januar
  • Der erste Linienflug zwischen Pakistan und Indien seit genau zwei Jahren hat die Hoffnungen auf eine Aussöhnung zwischen beiden Staaten neu belebt. Eine Maschine der Pakistan International Airlines (PIA) flog am 1. Jan. mit 42 Passagieren von Lahore nach Neu-Delhi. Indien will den regulären Flugbetrieb nach Pakistan am 9. Januar wieder aufnehmen. Seit April haben beide Staaten bereits den Busverkehr ins jeweilige Nachbarland wieder aufgenommen und die vollen diplomatischen Beziehungen wiederhergestellt.
  • Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf hat sich am 1. Jan. seine Machtbefugnisse und die Fortsetzung seiner Amtsdauer bis 2007 von beiden Parlamentskammern bestätigen lassen. Bei den Vertrauensabstimmungen im Unter- und Oberhaus gab es nach Angaben von Informationsminister Sheikh Rashid keine Gegenstimmen. Die nicht-religiösen Oppositionsparteien boykottierten die Wahl. Die islamistischen Abgeordneten enthielten sich der Stimme. Sie hatten sich zuvor mit dem Militärmachthaber überraschend auf eine entsprechende Vereinbarung geeinigt. Demnach verfügt Musharraf auch in den kommenden vier Jahre über das Recht, eigenmächtig das Parlament aufzulösen. Als Zugeständnis an die Islamisten sicherte er zu, bereits Ende 2004 als Oberbefehlshaber der Armee zurückzutreten.
  • Der indische Premierminister Atal Bihari Vajpayee ist bereit, mit der pakistanischen Regierung über den Kaschmir-Konflikt zu verhandeln. "Die große Frage ist, ob Islamabad auf meine Friedensinitiative mit angemessenen Schritten reagieren wird", sagte Vajpayee der pakistanischen Zeitung "Dawn" am 2. Jan. Die sei ein dritter und "letzter Versuch", die Feindseligkeiten beizulegen, sagte er. Als größtes Hindernis für den Frieden nannte er den Terror, der von Pakistan aus nach Kaschmir getragen werde.
  • Am 2. Jan. starben bei Angriffen mutmaßlicher muslimischer Separatisten mindestens sechs Menschen; 25 wurden verletzt.
  • Am 3. Jan. reiste der indische Premier Vajpayee in die pakistanische Hauptstadt Islamabad, um am Gipfel des Vernades Südostasiatischer Staaten (SAARC) teilzunehmen. Es ist der erste Besuch eines indischen Premiers in Pakistan seit 1999.
    Wie ein pakistanischer Regierungsvertreter am 4. Jan. in der Hauptstadt Islamabad mitteilte, wollen sich der pakistanische Präsident Pervez Musharraf und der indische Premierminister Atal Behari Vajpayee am 5. Jan. treffen.
5. bis 11. Januar
  • Erstmals seit zweieinhalb Jahren sind der pakistanische Präsident Pervez Musharraf und der indische Ministerpräsident Atal Bihari Vajpayee am 5. Jan. zu einem persönlichen Gespräch zusammengekommen. Das 65-minütige Treffen in Islamabad wurde als Meilenstein für bessere Beziehungen zwischen den beiden verfeindeten Atommächten gewertet. Einzelheiten der Unterredung wurden zunächst nicht bekannt. Die Begegnung am Rande des Gipfeltreffens der Südasiatischen Vereinigung für Regionale Zusammenarbeit (SAARC) fand hinter verschlossenen Türen statt. An den Gesprächen der beiden Politiker nahmen auch ihre Außenminister und nationalen Sicherheitsberater teil.
    Die verfeindeten Atommächte Indien und Pakistan wollen ihren Dialog im Februar wieder aufnehmen. Darauf hätten sich der indische Ministerpräsident Atal Behari Vajpayee und Pakistans Präsident Pervez Musharraf bei ihrem Treffen am Montag geeinigt, sagte der indische Außenminister Yashwant Sinha am 6. Jan. in Islamabad.
    Pakistan hat die jüngste Annäherung an Indien als Durchbruch in den Beziehungen zwischen den lange verfeindeten Nachbarstaaten gewertet. "Das Eis ist geschmolzen", sagte Informationsminister Sheikh Rashid Ahmed am 6. Jan. der Nachrichtenagentur AP. Er hoffe, dass die bilateralen Kontakte nach dem Treffen des pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf und des indischen Ministerpräsidenten Atal Bihari Vajpayee fortgesetzt würden.
  • Trotz der jüngsten Annäherung zwischen Indien und Pakistan halten die militanten Organisationen in Kaschmir am bewaffneten Kampf fest. Es werde keine Fernsteuerung der Mudschahedin durch die Regierungen in Islamabad und Neu-Delhi geben, sagte ein Sprecher der Organisation Jaish e Mohammed, Omar Naqashbandi, am 7. Jan. der Nachrichtenagentur AP. Auch die indischen Geheimdienste rechneten mit einer Fortsetzung der Kämpfe. Mit ihren "Stellungen in Wäldern im besetzten Kaschmir" seien die Kämpfer sehr stark, sagte Naqashbandi. Die Jaish e Mohammed wird unter anderem für den Überfall auf das indische Parlament im Dezember 2001 und für den dritten der jüngsten Attentatsversuche verantwortlich gemacht, die sich gegen den pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf richteten. Auch andere militante Gruppen in Kaschmir kritisierten die Annäherung zwischen Indien und Pakistan, sprachen von einem Ausverkauf Kaschmirs und forderten eine Beteiligung an den Gesprächen. Der Führer der Hezb ul Mujahedeen, Syed Salahuddin, sagte, die militärischen Einsätze würden solange fortgesetzt, bis Indien alle inhaftierten Gesinnungsgenossen freilasse. Aus indischen Sicherheitskreisen verlautete, man befürchte ein Wiederaufflammen der Gewalt zum Nationalfeiertag am 26. Januar. Abgefangene Funksprüche der militanten Gruppen legten nahe, dass diese nur auf eine Gelegenheit zum Losschlagen warteten.
  • Pakistan will die politischen Vertreter Kaschmirs bei den Gesprächen mit Indien über die Zukunft der Region einbeziehen, auch wenn sie nicht selbst am Verhandlungstisch sitzen. Das sicherte der pakistanische Präsident Pervez Musharraf am 8. Jan. führenden Repräsentanten des pakistanischen Teils Kaschmirs bei einem Treffen zu, wie Informationsminister Rashid Ahmed Khan mitteilte. Präsident Musharraf werde sich mit ihnen beraten und ihre Wünsche respektieren, bevor er irgend eine Entscheidung treffe. Der Präsident des pakistanischen Teils Kaschmirs, Sardar Anwar Khan, sagte nach der Unterredung: "Wir sind froh, dass Präsident Musharraf einen richtigen Schritt in die richtige Richtung getan hat, um die Kaschmir-Frage zu lösen." Einige Bewohner Kaschmirs hätten Zweifel gehabt, dass ihre Interessen berücksichtigt würden. Das Treffen mit Musharraf habe diese Zweifel zerstreut.
  • Die pakistanische Armee hat im Grenzgebiet zu Afghanistan eine neue Großrazzia gegen das Terrornetzwerk El Kaida gestartet. Unterstützt von Kampfhubschraubern habe der Einsatz zur Ergreifung "ausländischer Terroristen" am Morgen des 8. Jan. im Stammesgebiet Süd-Wasiristan begonnen, sagte ein Armeesprecher der Nachrichtenagentur AFP in Islamabad. Ein örtlicher Behördenvertreter sagte, der Einsatz habe in Kalu Shah stattgefunden, rund 40 Kilometer von der Grenze zu Afghanistan entfernt. Kampfhubschrauber hätten auf Ziele in der Region gefeuert.
  • Bei einem Anschlag auf eine Moschee im indischen Teil von Kaschmir sind am 9. Jan. 15 Menschen verletzt worden. Die Angreifer warfen nach Polizeiangaben eine Handgranate in die Moschee der Stadt Jammu, wo sich die Gläubigen zum Freitagsgebet versammelten. Danach ergriffen sie die Flucht. Jammu ist die Winterhauptstadt des indischen Unionsstaates Jammu- Kaschmir. In dem einzigen indischen Staat mit islamischer Bevölkerungsmehrheit kämpfen mehrere Untergrundgruppen für die Unabhängigkeit von Kaschmir oder die Vereinigung mit Pakistan.
  • Der indische Ministerpräsident Atal Behari Vajpayee sieht die Entwicklung des Verhältnisses zu Pakistan nach den jüngsten Schritten der Annäherung auf gutem Weg: In den Außenbeziehungen Indiens wehe ein "positiver Wind", sagte Vajpayee am 9. Jan. in Neu Delhi. Der Abschluss eines Freihandelsabkommens auf dem Südasien-Gipfel werde zudem eine "neue Ära" von Handel und wirtschaftlicher Zusammenarbeit in der Region schaffen.
  • In Indien gibt es möglicherweise schon im März vorgezogene Parlamentswahlen. Ein Sprecher der Regierungspartei BJP sagte am 10. Jan., das Präsidium wolle Ministerpräsident Atal Bihari Vajpayee empfehlen, das Parlament aufzulösen. Die BJP will mit einer baldigen Neuwahl von den derzeit guten wirtschaftlichen Aussichten und der Annäherung an das Nachbarland Pakistan profitieren. Die laufende Legislaturperiode endet eigentlich erst im Oktober.
  • In Zusammenhang mit dem gescheiterten Attentat auf den pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf am 25. Dezember hat die Polizei neun Personen festgenommen. Die Verdächtigen seien am 10. Jan. bei einer Razzia in einer islamischen Schule in Lahore festgenommen worden, wie am 11. Jan. aus Sicherheitskreisen verlautete. Sie sollen Verbindungen zu den Attentätern haben.
12. bis 18. Januar
  • Der indische Ministerpräsident Atal Bihari Vajpayee will das Parlament vorzeitig auflösen und bis April Neuwahlen abhalten lassen. Das sagte der Präsident der Regierungspartei BJP, Vankaiah Naidu, am 12. Jan. nach einer zweitägigen Sitzung des Parteivorstands. Die BJP will die Wahlen um Monate vorziehen, um von der wirtschaftlichen Erholung und der jüngsten Annäherung an das Nachbarland Pakistan zu profitieren. Die laufende Legislaturperiode endet eigentlich erst im Oktober.
  • Die USA weiten ihre Zusammenarbeit mit Indien in den Bereichen Raketenabwehr, zivile Nutzung der Atomkraft sowie Raumfahrttechnologie aus. Dies gab US-Präsident George W. Bush am 12. Jan. am Rande des Amerika-Gipfels im mexikanischen Monterrey bekannt. "Die Zusammenarbeit wird die Handels- und Freundschaftsbeziehungen unserer Nationen vertiefen", hieß es in einer vom Weißen Haus verbreiteten Erklärung. "Damit wird die Sicherheit in Asien und darüber hinaus verbessert."
  • Die indische Regierung hat erstmals eine politische Organisation der Separatisten in Kaschmir zu gemeinsamen Gesprächen eingeladen. Das Treffen solle am 22. Januar in Neu-Delhi stattfinden, sagte der Vorsitzende der kaschmirischen Allparteienkonferenz Hurriyat, Molvi Abbas Ansari, am 13. Jan. der Nachrichtenagentur AP. Eingeladen habe der stellvertretende indische Regierungschef Lal Krishna Advani. Die Allparteienkonferenz ist die größte Separatistenvereinigung in Kaschmir. Ansari erklärte, er wolle zunächst ein Treffen aller religiösen und politischen Gruppierungen der Hurriyat einberufen. Dort solle dann über die Agenda für das Gespräch mit Advani beraten werden. Es sind die ersten ranghohen Kontakte zwischen Neu-Delhi und den Separatisten in Jammu-Kaschmir.
  • Indien hat am 13. Jan. eine Boden-Luft-Rakete vom Typ Akash getestet. Die Flugabwehrrakete mit einer Reichweite von 25 Kilometern wurde in Chandipur im ostindischen Küstenstaat Orissa, 1.200 Kilometer südöstlich von Neu-Delhi, gezündet, wie die Nachrichtenagentur PTI berichtete. Das 650 Kilogramm schwere Geschoss kann eine Nutzlast von 50 Kilogramm transportieren. Die Akash, was auf Hindi "Himmel" bedeutet, ist die modernste Flugabwehrrakete indischer Bauart. Die Regierung in Neu-Delhi macht geltend, sie benötige die Waffe, um sich notfalls gegen die Nachbarstaaten Pakistan und China verteidigen zu können.
  • Mit der Wiederaufnahme des direkten Zugverkehrs haben die beiden verfeindeten Atommächte Indien und Pakistan ein weiteres Zeichen der Entspannung gesetzt. Jubelnde Menschen begrüßten am 15. Jan. in Attari im nordindischen Bundesstaat Punjab einen pakistanischen Zug mit 65 Fahrgästen. Der Samjhota-Express kam aus der ostpakistanischen Stadt Lahore. Die Einrichtung der ersten Zugverbindung nach zwei Jahren Ruhepause sei ein weiterer "Meilenstein" im Friedensprozess zwischen beiden Ländern, sagte der pakistanische Eisenbahnchef Khurshid Khan.
  • Bei einem Bombenanschlag auf einen Militärkonvoi sind im indischen Teil Kaschmirs am 15. Jan. sieben Sicherheitskräfte verletzt worden. Nach Polizeiangaben befand sich der Sprengstoff in einem geparkten Auto und wurde gezündet, als der Konvoi die Stelle passierte. Ein Anrufer bekannte sich bei einer örtlichen Nachrichtenagentur im Namen von zwei militanten islamistischen Gruppierungen mit Sitz in Pakistan zu dem Anschlag. Die Tat ereignete sich in einem Vorort von Srinagar, der Sommerhauptstadt des indischen Unionsstaats Jammu-Kaschmir.
  • In der indischen Millionenmetropole Bombay hat am 16. Jan. das vierte Weltsozialforum begonnen. Die pakistanische Band Junoon eröffnete das sechstägige Treffen von Globalisierungskritikern mit einem Friedenskonzert. Die Veranstalter erwarten zu dem Treffen mehrere zehntausend Menschen. Auftreten sollen auch prominente Redner wie die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi. Die Veranstaltung endet am Mittwoch. Das Forum war 2001 als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos gegründet worden.
  • Indische Soldaten haben nach offiziellen Angaben vom 16. Jan. in Kaschmir drei ranghohe Separatistenführer getötet. Bei zwei der Getöteten handelt es sich laut einem Armeesprecher um Ghulam Rasool, den Feldkommandeur der Untergrundorganisation Hezb-ul-Mujahedeen, und Fayaz Ahmad, ein weiteres Führungsmitglied der größten Rebellengruppe in Kaschmir. Beide seien bei einer Schießerei während einer Razzia in einem Dorf bei Srinagar erschossen worden. Zuvor hatten Soldaten am 15. Jan. in einem Vorort von Srinagar Schüsse auf ihr Fahrzeug erwidert und dabei nach Angaben eines Sprechers der Grenztruppen Abbas Malik getötet, den stellvertretenden Befehlshaber von Hezb-ul-Mujahedeen.
  • Bei zwei gewalttätigen Zwischenfällen im indischen Teil Kaschmirs sind am 17. Jan. nach Polizeiangaben zwölf Menschen getötet worden. Bei einem Feuergefecht im südlichen Bezirk Pulwama seien zwei Grenzsoldaten und ein moslemischer Kämpfer ums Leben gekommen, teilte die Polizei mit. Bei der Schießerei sei der Geheimdienstchef der Rebellengruppe Hizb-ul-Mujahedin, Tariq Aziz, entkommen. Bei einem zweiten Vorfall wurden den Angaben nach im nördlichen Bezirk Baramulla drei indische Soldaten und sechs mutmaßliche moslemische Kämpfer getötet.
  • Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf hat seine Landsleute zu einem "Heiligen Krieg" gegen Extremismus aufgerufen. Angesichts von Vorwürfen der Internationalen Gemeinschaft stehe Pakistan am Scheideweg, sagte Musharraf am 17. Jan. vor beiden Parlamentskammern in Islamabad. Pakistanische Stammesgebiete würden als Ursprungsgebiet des Terrorismus in Afghanistan betrachtet, Pakistan gelte international als extremistische und intolerante Gesellschaft, ferner werde Islamabad der Verbreitung von Atomwaffentechnik beschuldigt. Seine erste Parlamentsrede seit der Machtergreifung vor rund vier Jahren ist von Protestrufen wie "Verschwinde, Musharraf" begleitet worden. Die Opposition forderte den Rücktritt der Präsidenten. "Die demokratische Opposition hat mit aller Stärke deutlich gemacht, dass ein Eindringling und Fremder das Parlamentsgebäude betreten hat, dass ein amtierender General der Streitkräfte nicht zugleich gewählter Präsident sein kann", erklärte der oppositionelle Senator Farhatulalh Babar. Musharraf kam 1999 durch einen Putsch an die Macht. Mit Hilfe eines Referendums sicherte er sich 2002 eine weitere fünfjährige Amtszeit bis zum Jahr 2007. Im Gegenzug versprach er, bis Ende 2004 sein Amt als Armeechef niederzulegen.
  • Die pakistanischen Behörden haben am 17. Jan. einen ranghohen Atomwissenschaftler festgenommen, der im Rahmen von Ermittlungen wegen der möglichen Weitergabe von Informationen über Pakistans Atomprogramm an Iran verhört werden soll. Sicherheitsoffiziere hätten Islam ul Haq am Abend im Haus des pakistanischen "Vaters der Autobombe", Qadeer Khan, festgenommen, sagte Haqs Frau Nilofer am 18. Jan. der Nachrichtenagentur AFP. Mehrere Offiziere, darunter Geheimdienstagenten, seien in zwei Geländewagen gekommen und hätten ihren Mann zum Verhör abgeführt.
19. bis 25. Januar
  • Die Globalisierungskritiker auf dem Weltsozialforum in Bombay haben am 19. Jan. ein Ende der Diskriminierung von Minderheiten gefordert. Besonderes Augenmerk lenkten sie auf verfolgte Völker in Südamerika sowie die Unterdrückung der so genannten Unberührbaren in Indien. "Auch wir haben Rechte" stand auf einem Plakat einer Gruppe von Dalits, die der untersten Kaste im indischen Gesellschaftssystem angehören. Zwar wurde das Kastenwesen 1955 offiziell aufgehoben, dennoch hat das System in ganz Indien faktisch noch Geltung, wie Vertreter der Dalits berichteten. Mit Ketten an ihren Füßen marschierten hunderte "Unberührbare" durch die indische Finanzmetropole, in der das Weltsozialforum noch bis zum 21. Jan. stattfindet. "Behandelt uns wie Menschen, gebt uns Würde", riefen sie.
  • Bei der Explosion einer Landmine ist im indischen Teil Kaschmirs am 20. Jan. ein Polizist getötet worden, zwei weitere Menschen wurden verletzt. Nach Polizeiangaben wurde die Explosion im Bezirk Udhampur vermutlich von militanten Separatisten ausgelöst.
    Bei einer weiteren Detonation in der Region Arnia nahe der indisch-pakistanischen Grenze wurden sieben Zivilpersonen verletzt, vier davon schwer. Über die Ursache dieser Explosion war zunächst nichts bekannt.
  • Indien will von Russland zwölf Kampfjets und einen Flugzeugträger kaufen. Der Vertrag für das Geschäft im Umfang von 1,6 Milliarden US-Dollar sollte am 20. Jan. während eines Besuchs des russischen Verteidigungsministers Sergej Iwanow in Neu Delhi unterzeichnet werden. Iwanow will während seines dreitägigen Aufenthalts eine engere Zusammenarbeit der beiden Staaten auf militärischem und wirtschaftlichem Gebiet erreichen. Indien hat seit 1960 von Moskau Waffen im Wert von mehr als 30 Milliarden Dollar gekauft und ist in den vergangenen Jahren zum zweitgrößten Kunden der russischen Rüstungsindustrie nach China aufgestiegen.
  • Zum Abschluss des diesjährigen Weltsozialforums haben zehntausende Menschen in der indischen Metropole Bombay gegen die Irak-Politik der USA protestiert. "Nieder mit Bush, nieder mit Blair" riefen die Demonstranten bei ihrem Zug am 21. Jan. durch die Millionenstadt. Ein letztes Mal bei dem sechstägigen Treffen waren die unterschiedlichsten Interessengruppen vereint: Angehörige der Dalit, der untersten Kaste Indiens, tibetische Mönche und Palästinenser sangen und tanzten auf der Straße. 2006 könnte das Forum in Afrika stattfinden.
  • Ein Polizist in Pakistan hat mit einem Sturmgewehr das Feuer auf seine Kollegen eröffnet und vier von ihnen getötet. Wie ein Polizeisprecher am 21. Jan. mitteilte, ereignete sich die Bluttat am Abend des 20. Jan. vor dem Haupteingang des Polizeipräsidiums in Kohat, 50 Kilometer südwestlich von Peshawar. Andere Beamte konnten den 27-jährigen Täter anschließend überwältigen. Sein Motiv war zunächst nicht bekannt.
  • Indien hat sich mit Führern der Separatisten in Kaschmir auf ein Ende des Blutvergießens in der Himalaya- Region verständigt. "Wir sind überein gekommen, dass der einzige Weg nach vorn darin besteht, ein Ende aller Formen von Gewalt auf allen Ebenen zu gewährleisten", hieß es am 22. Jan. in einer gemeinsamen Erklärung. Zuvor waren beide Seiten erstmals auf ranghoher Ebene zu Verhandlungen zusammengetroffen. Das zweieinhalbstündige Treffen sei der "erste wichtige Schritt im Dialogprozess" gewesen, hieß es weiter. Nun sollten Schritt für Schritt alle noch offenen Fragen im Kaschmir-Konflikt geklärt werden. Eine weitere Verhandlungsrunde sei für Ende März angesetzt worden. Der stellvertretende indische Ministerpräsident Lal Krishna Advani sagte, die Kaschmir-Separatisten hätten um ein Gespräch mit Regierungschef Atal Bihari Vajpayee gebeten, das am 23. Jan. stattfinden solle. An dem Treffen in Neu-Delhi nahmen ranghohe Mitglieder der kaschmirischen Allparteienkonferenz Hurriyat sowie eine indische Delegation unter Führung von Advani teil. Die Allparteienkonferenz ist die größte Separatistenvereinigung in Kaschmir und eine legale politische Organisation. Einigen ihrer Mitglieder wird jedoch vorgeworfen, Verbindungen zu bewaffneten Aufständischen zu unterhalten.
  • Der indische Regierungschef Atal Behari Vajpayee hat am 23. Jan. gemäßigte Kaschmir-Rebellen empfangen. Fünf Vertreter der Gruppierung Hurriyat besuchten Vajpayee in dessen Residenz in Neu Delhi, wie indische Medien berichteten. Es war das erste Treffen überhaupt zwischen einem indischen Premierminister und Rebellen aus Kaschmir. Bereits am Donnerstag waren die Rebellenvertreter mit indischen Regierungspolitikern zusammengekommen. Dabei verständigten sich beide Seiten auf ein Ende der Gewalt in der Himalaya-Region.
  • Vier Monate nach dem Scheitern der WTO-Konferenz im mexikanischen Cancún hat der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva Indien zu einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit aufgerufen. Gemeinsam seien die beiden Länder eine "starke Macht, die die Handelsgeographie der Welt ändern" könne, sagte Lula da Silva am 25. Jan. in Neu Delhi zum Auftakt eines viertägigen Besuchs in Indien. Der brasilianische Präsident wollte im Laufe des Tages ein Zollabkommen zwischen der südamerikanischen Freihandelszone Mercosur und Indien unterzeichnen. Auf bilateraler Ebene liegen sechs Vereinbarungen zur Unterschrift bereit, die die Zusammenarbeit zwischen Brasilien und Indien in der Raumfahrt sowie Visa-Bestimmungen regeln sollen.
26. bis 31. Januar
  • Mit einer dreistündigen Militärparade hat Indien am 26. Jan. seiner Republiksgründung vor 54 Jahren gedacht. Bei der Parade in Neu Delhi wurden unter anderem neu erstandene T-90-Panzer sowie Raketen indischer Bauart gezeigt, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden können. Aus Angst vor Anschlägen galt die höchste Sicherheitsstufe. Allein in Neu Delhi waren 23.000 Polizisten und Paramilitärs im Einsatz; Präsident Avul Pakir Jainulabdeen Abdul Kalam, Premierminister Atal Behari Vajpayee und ihr Ehrengast, der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, nahmen die acht Kilometer lange Parade hinter Panzerglas ab.
  • Die pakistanische Regierung hat die Beteiligung von Wissenschaftlern an der Weitergabe von Atomtechnologie an Iran oder Libyen eingeräumt. "Ich kann Ihnen sagen, dass sich ein oder zwei Einzelpersonen verantwortungslos verhalten haben, um sich persönlich zu bereichern", sagte Informationsminister Shaikh Rasheed Ahmed am 26. Jan. vor Journalisten in Islamabad. Seit Ende November 2003 werden neun pakistanische Atomwissenschaftler von den Behörden wegen des Verdachts der Weitergabe von Atomtechnologie verhört.
  • Pakistan und Indien wollen Mitte Februar Friedensgespräche aufnehmen. Die Außenminister beider Länder wollten sich am 18. Februar in Islamabad treffen, sagte ein Sprecher des pakistanischen Außenministeriums am 27. Jan. In den Tagen davor sollten ranghohe Mitarbeiter der Ministerien über Wege zum Frieden beraten. Die indische Regierung in Neu-Delhi bestätigte die geplanten Gespräche.
  • Das indische Kabinett hat Fernsehberichten vom 27. Jan. zufolge mit Blick auf vorgezogene Neuwahlen die Auflösung des Parlaments zum 6. Februar beschlossen. Vor mehreren Tagen hatte die Regierung bereits mitgeteilt, dass dem Parlament am 3. Februar lediglich ein Übergangshaushalt vorgelegt werden sollte. Statt der regulär für Oktober vorgesehenen Parlamentswahl dürfte der Urnengang nun im April stattfinden.
  • Afghanistan hat am 29. Jan. 21 wegen Unterstützung der Taliban inhaftierte Pakistani frei gelassen. Ein Sprecher des afghanischen Außenministeriums sagte, damit sollten die "guten Beziehungen zwischen den beiden Staaten deutlich" gemacht werden. Sicherheitsbeamte beider Staaten treffen am 30. Jan. mit amerikanischen Truppen zusammen, um über ihr weiteres gemeinsames Vorgehen gegen die Taliban-Kämpfer im Grenzgebiet zu beraten.
  • Pakistan will der US-Armee nicht sein Territorium für eine Großoffensive gegen das Terrornetzwerk El Kaida zur Verfügung stellen. US-Medienberichte über eine bevorstehende Offensive seien "frei erfunden", sagte der pakistanische Armeesprecher Shaukat Sultan am 29. Jan. in Islamabad der Nachrichtenagentur AFP. Shaukat bestätigte, dass die USA Pakistan um die Erlaubnis für einen Truppeneinsatz gebeten hätten; "Pakistan hat dies den USA immer verweigert" und werde auch weiterhin nicht seine Erlaubnis erteilen.
  • In einer pakistanischen Ortschaft nahe der afghanischen Grenze wurden am 29. Jan. 1.600 kg Heroin beschlagnahmt. Es war der größte Heroinfund in der Geschichte Pakistans.
  • Bei der Erstürmung eines Stützpunkts islamistischer Rebellen im indischen Teil von Kaschmir sind am 30. Jan. zehn Personen ums Leben gekommen. Unter ihnen befand sich auch ein afghanischer Staatsbürger. In dem Stützpunkt wurden Sturmgewehre, Granaten und Munition beschlagnahmt.


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