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Rechtsstaat auf rechts

Verfassungsreform in Honduras: Konservative Partei ermöglicht Wiederwahl des Präsidenten

Von Benjamin Beutler *

Sechs Jahre nach dem Staatsstreich von Tegucigalpa gegen den Linkspolitiker und damaligen Präsidenten Manuel Zelaya hat die rechts-konservative Nachfolgeregierung der Nationalpartei Honduras (PNH) eine Verfassungsänderung erwirkt, die erstmals seit Inkrafttreten der gültigen Magna Charta von 1982 eine unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten ermöglicht. Der Oberste Gerichtshof (CSJ) gab vergangene Woche grünes Licht für die Gesetzesnovelle. CSJ-Sprecher Melvin Duarte erklärte, dass zwei Anträge zur Änderung von Verfassungsartikel 239 geführt hätten. Einer sei von 16 Parlamentariern der regierenden PNH eingereicht worden, die auch den amtierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández stellt. Den zweiten Antrag hatte Expräsident und PNH-Urgestein Rafael Leonardo Callejas gestellt, der das Land von 1990 bis 1994 regiert hatte. Der geänderte Verfassungspassus begrenzte bisher die Amtszeit von Präsident und Vizepräsident, eine Wiederwahl anzustreben war strafbar.

Nun wurde die Möglichkeit der Wiederwahl von der rechten Machtelite durchgewunken. Das fünfköpfige CSJ-Verfassungsgremium hatte am vergangenen Donnerstag in der Hauptstadt geschlossen dafür gestimmt. Zwar zog einer der Richter am späten Donnerstag abend nachträglich sein Votum zurück, womit die Entscheidung wegen der fehlenden Einstimmigkeit für unwirksam erklärt werden könnte. Andere Juristen verwiesen jedoch darauf, dass Richterentscheidungen bindend seien und nicht rückwirkend kassiert werden könnten. Mit Veröffentlichung des Rechtsanzeigers um 5 Uhr früh am darauffolgenden Freitag morgen galt das, was im politischen System von Honduras jahrzehntelang tabu war: Jeder ehemalige Staatschef kann erneut und unbegrenzt kandidieren.

Von der Änderung profitiert die rechte Elite der von Drogenkartellgewalt, Privatisierungen und Bauernvertreibungen gebeutelten Acht-Millionen-Einwohner-Nation. Im Juni 2009 hatte eine gut aufgestellte Oberschicht Präsident Zelaya aus dem Amt geputscht. Der CSJ verpasste dem international verurteilten Staatsstreich damals bereitwillig einen legalen Anstrich. Zelaya bedrohe den Rechtsstaat, eine von ihm anberaumte Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung hätte auf eine Wiederwahl abgezielt, so hieß es damals, und das sei ein klarer Verfassungsbruch. Der Direktor des CSJ, bis heute in Amt und Würden, erwirkte ein Urteil, das Zelaya wegen »Vaterlandsverrats« und »Ungehorsams der Regierung« seines Amtes enthob.

Weil der Liberale, selbst aus reichem Hause, nach links gerückt war und das mittelamerikanische Land zum Verbündeten von Venezuela machen wollte, trieb eine Phalanx aus alteingesessenen Parteien, Unternehmensverbänden, Medienkonzernen, Armee und katholischer Kirche Zelaya aus dem Land. Das Militär zwang Zelaya zur Unterzeichnung einer Rücktrittserklärung, die Bilder vom erniedrigten Präsidenten, der im Schlafanzug per Flugzeug ins Nachbarland Costa Rica abgeschoben wurde, gingen um die Welt. Die Wiedereinsetzung des demokratisch gewählten Staatschefs gelang trotz Massenmobilisierung seiner Anhänger nicht, brutal und rücksichtslos setzte sich die neue, alte Macht in Honduras durch. Todesschwadronen ließen aufmüpfige Zelaya-Parteigänger verschwinden, loyale Medien wurden geschlossen, Journalisten ermordet, das Land versank wochenlang im Chaos. Bei Neuwahlen hatten die Konservativen wieder die Nase vorn.

In einem Interview deutete nun auch Zelaya an, dass er erneut kandidieren könnte. Die nächsten Wahlen finden am 10. November dieses Jahres statt.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 28. April 2015


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