"Das beruht auf Empfehlungen der Weltbank"
Honduras: Konzerne investieren in Bergbau und Wasserkraft. Die Bevölkerung leidet unter den Folgen. Gespräch mit Tomás Gómez *
Tomás Gómez ist einer der Koordinatoren des »Zivilen Rates der indigenen und Volksorganisationen von Honduras« (COPINH). Er unterstützt die lokalen Räte bei Protesten gegen Bergbau- und Energieprojekte.
Sie setzen sich in Honduras gegen Wasserkraftwerke und Bergbau ein. Warum?
Der Staat vergibt ohne Rücksprache mit der Bevölkerung im ganzen Land Konzessionen für derartige Vorhaben. Diese verursachen aber schwere Umweltschäden und haben so direkte Auswirkungen für die Gemeinden. Ein Beispiel ist das Siria-Tal im Bundesstaat Francisco Morazán. Dort ist das Wasser verseucht, schwangere Frauen verlieren dort infolgedessen oft ihr Kind. Den Erwachsenen fallen die Haare aus, sie bekommen Hautkrankheiten. Die Bevölkerung wird vertrieben, es gibt viel Migration und Armut. Wir haben keinen Zugang mehr zu privatisierten Gebieten und können die Flüsse nicht zur Bewässerung unserer Anbauflächen nutzen. So wird die Selbstversorgung mit Lebensmitteln gefährdet.
Inwiefern hängen der Bau von Staudämmen und die Rohstoffgewinnung überhaupt zusammen?
In den Bundesstaaten Lempira, Intibucá und La Paz sind beispielsweise Lizenzen für sämtliche Flüsse vergeben worden, es gibt 52 Wasserkraftprojekte. Diese werden zuerst umgesetzt, da für die Minen Strom benötigt wird. Sobald sie angelaufen sind, werden die Konzessionen für den Bergbau vergeben.
Wer sind die Investoren?
In der Regel werden Strohmänner an die Spitze der Unternehmen gestellt. Im Fall des Staudammprojekts Agua Zarca in Intibucá ist die Firma dem Namen nach honduranisch, dahinter stehen aber internationale Organisationen wie die Weltbank, die Kredite vergibt. Die Investoren haben im Land selbst Unterstützer. Verteidigungsminister Julián Pacheco ist etwa an einem Projekt beteiligt, das von »Blue Energy« geleitet wird. Die Ausplünderung unserer Gebiete ist aber auch Bestandteil des Assoziationsabkommens zwischen Zentralamerika und der Europäischen Union.
Haben diese Projekte seit dem Putsch 2009 zugenommen, bei dem das Militär den gewählten Präsidenten Manuel Zelaya gestürzt hat?
Nach dem Staatsstreich sind mehr als 300 Konzessionen vergeben worden, unter anderem für Bergbau, Wasser- und Windkraftprojekte oder Freizeitparks. Es werden sogenannte Modellstädte gebaut, um Investoren anzuziehen. Die Privatisierungen haben stark zugenommen, auch im öffentlichen Dienst. Das basiert auf Empfehlungen, die beispielsweise die Weltbank dem honduranischen Staat gibt. Der Widerstand der Bewohner ist aber auch größer geworden.
Wie sieht der Protest aus?
Wir verteidigen unsere Territorien. Das bedeutet, wir organisieren dort Workshops, wo die Staudämme gebaut werden sollen. Wir machen auch durch Demonstrationen und in unseren Medien auf das Unrecht aufmerksam. Bei der für ethnische Fragen zuständigen Staatsanwaltschaft haben Beschwerde eingereicht. Allerdings wissen wir, dass dort niemanden unsere Forderungen interessieren. Die Lizenzen werden vom Staatssekretariat für natürliche Ressourcen und Umwelt vergeben. Dessen früherer Minister, Rigoberto Cuellar, arbeitet jetzt etwa in der Staatsanwaltschaft. Er hat die Konzessionen bewilligt. Wenn wir diese anfechten, geht unsere Beschwerde nicht durch. Er will sich selbst schützen.
Wie reagiert der Staat auf die Proteste?
Auf unseren Widerstand folgen Militarisierung, Repression und Mord. Die Unternehmen wollen die Gemeinden einschüchtern. Im Falle von Agua Zarca haben sie alles versucht. Es werden Sicherheitskräfte dorthin geschickt, wo der Staat Konzessionen vergeben hat. Dieser behauptet, dass sie die Gemeinden schützen sollen, tatsächlich verteidigen sie aber die Interessen der Unternehmen und sind sogar selbst Teil des organisierten Verbrechens.
Wie hat Ihre Organisation, COPINH, diese Repression erfahren?
Wir werden auf der Straße bedroht, sie ermorden uns, Familienmitglieder werden entführt. Es werden vor Gericht Vorwürfe gegen uns konstruiert, in den Mainstreammedien werden wir diskreditiert. Der Staat richtet sich gegen die Indigenen, Rassismus und Frauenunterdrückung nehmen zu. Die sozialen Bewegungen sollen kontrolliert werden. So kann der Staat auf internationaler Ebene behaupten, dass alles ruhig ist und die Bevölkerung mit allem einverstanden ist.
Interview: Lena Kreymann
* Aus: junge Welt, Donnerstag, 5. März 2015
Tomás Gómez referiert bei der Veranstaltung »Weil unser Land nicht zu verkaufen ist...« am heutigen Donnerstag ab 19 Uhr im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Str. 4, Berlin. (Veranstalter: Menschenrechtskette Honduras, Honduras-Delegation, FDCL)
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