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Bevölkerung von Honduras schöpft wieder Hoffnung

Der rechtmäßige Präsident, Manuel "Mel" Zelaya, ist zurückgekehrt - als Gast der brasilianischen Botschaft / Putschisten reagieren mit Repression

Am 28. Juni wurde der rechtmäßige Präsident Honduras, Manuel "Mel" Zelaya, durch einen Militärputsch gestürzt und außer Landes gebracht worden. Am 21. September ist er - nach verschiedenen vergeblichen Versuchen - wieder in die Hauptstadt Tegucigalpa zurückgekehrt. Allerdings als Gast und unter dem Schutz der brasilianischen Botschaft.
Im Folgenden dokumentieren wir eine Reihe von Meldungen, die sich mit diesem überraschenden Ereignis befassen.



Letzte Meldung

Brasilien beantragt Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats

Die brasilianische Regierung hat wegen der Belagerung ihrer Botschaft in Honduras eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats gefordert. Der brasilianische UN-Botschafter habe das Gremium in einem Schreiben gedrängt, die Sicherheit der Botschaft und des abgesetzten honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya zu garantieren, der auf dem Botschaftsgelände Zuflucht gesucht hat, berichtet die amtliche Nachrichtenagentur Agencia Brasil am Abend des 22. Sept.
Zelaya war am 21. Sept. überraschend in sein Heimatland zurückgekehrt. Honduranische Sicherheitskräfte umstellten das Botschaftsgelände, es gab Zusammenstöße mit Zelaya-Anhängern. Die Regierung in Tegucigalpa deutete an, dass sie die Unantastbarkeit diplomatischer Gebäude in diesem Fall möglicherweise nicht respektieren werde und schloss eine Erstürmung nicht aus.
Die Lage in der Botschaft war unterdessen am 22. Sept. kritisch geworden. Der Komplex wurde vorübergehend von der Wasser- und Stromversorgung abgeschnitten, wie lokale Medien berichteten. Auch seien die Telefonverbindungen gekappt worden. Xiomara Castro, Zelayas Frau berichtete im Radio. Es fehlten Wasser und Lebensmittel. Später verließen annähernd 170 Zelaya-Anhänger die von starken Sicherheitskräften abgeriegelte Botschaft, wie die Zeitung «El Heraldo» berichtete. Sie waren am Morgen auf das Gelände der Vertretung des südamerikanischen Landes eingedrungen, um Zelaya zu beschützen.

Angesichts des zunehmenden internationalen Drucks hat sich der honduranische Interimspräsident Roberto Micheletti zum ersten Mal zum Gespräch mit dem gestürzten Staatschef Zelaya bereiterklärt. «Ich bin bereit, mit jedem, an jedem Ort, zu jeder Stunde zu sprechen, einschließlich mit dem Ex-Präsidenten Manuel Zelaya», sagte Micheletti in einer Erklärung, die am Abend des 22. Sept. von Außenminister Carlos López Contreras im Fernsehen verlesen wurde. Die Krise müsse zu einem Ende kommen. Micheletti bestand aber darauf, dass der politische Konflikt im Rahmen der Verfassung beigelegt werden müsse.
(AP, dpa, AFP, 23.09.2009)



Zelaya zurück in Honduras

Präsident findet Zuflucht in brasilianischer Botschaft. Bevölkerung feiert in den Straßen

Von Kerstin Sack *


Tegucigalpa. Am heutigen Montagvormittag (Ortszeit) ist der gestürzte Präsident von Honduras Manuel "Mel" Zelaya in sein Land zurückgekehrt. Der Fernsehkanal 36 zeigte die ersten Live-Bilder des Präsidenten. Zelaya war bei einem Staatsstreich am 28. Juni gestürzt und von Militärs nach Costa Rica deportiert worden.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez berichtete im venezolanischen Fernsehen nach einem Telefongespräch mit Zelaya, dass dieser auf dem Landweg nach Honduras gekommen sei. Zelaya hält sich in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa auf. Auch seitens der USA und Brasiliens wurde die Rückkehr Zelayas bestätigt.

Währenddessen trat in Honduras auch der Putschistenführer Roberto Micheletti vor die Presse. Laut Micheletti handelt es sich bei dem Auftritt Zelayas um eine "Medienkampagne". Er selbst fühle sich besser denn je.

Nachdem zunächst Gerüchte kursierten, nach denen Zelaya in der Vertretung der UNO in Tegucigalpa sei, strömten die Menschen dorthin, um ihn zu begrüßen. Rafael Alegría, der Vorsitzende der Landarbeiterorganisation Vía Campesina in Honduras, kündigte gegenüber dem lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur für den morgigen Dienstag einen landesweiten Streik und Demonstrationen an.

In Tegucigalpa feiern die Menschen indes auf den Straßen. Viele konnten es kaum glauben, dass Zelaya wieder zurück in Honduras ist. Am morgigen Dienstag sollen Vertreter der Organisation Amerikanischer Staaten und der UNO nach Tegucigalpa kommen, um die Verhandlungen zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung fortzuführen.

Bis zur Stunde (23.30 MEZ) ist nicht bekannt, wie das Militär und die Putschisten sich verhalten werden. Der Bauernführer Alegría geht davon aus, dass das Militär die Putschisten nicht weiter unterstützen wird. Es gibt vereinzelt Berichte über Desertierungen bei der Polizei. Der demokratische Fernsehsender Radio Globo ruft die Bevölkerung auf, das Sendegebäude zu beschützen. Der Redaktion sei von den Putschisten erneut mit Schließung gedroht worden.

Aus: Portal amerika21.de; 21. September 2009; www.amerika21.de


Große Erwartungen nach Zelaya-Rückkehr

Honduranische Aktivisten erreichte Botschaft während einer Veranstaltung in Berlin

Von Harald Neuber **


Berlin. Die Mitteilung von der Rückkehr des honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya platzte mitten in die Veranstaltung. Rund 100 Personen hatten sich am Montagabend in Berlin im "Haus der Demokratie und Menschenrechte" versammelt, um von drei Gästen aus Honduras unmittelbar über die Lage in dem mittelamerikanischen Land informiert zu werden. Zu der Konferenz hatte auch das Internetportal amerika21.de eingeladen.

Währen der Veranstaltung erreichte die Konferenzgäste die Nachricht aus Honduras. "Es fällt mir nun wirklich schwer, mich zu konzentrieren", entschuldigte sich Gilda Rivera vom Frauenrechtszentrum CDM: "Mit dem Herzen und in Gedanken bin ich jetzt in Honduras." Auch sie sei sehr bewegt von den Nachrichten, sagte Reina Rivera von dem Menschenrechtszentrum CIPRODEH: Die Rückkehr des Präsidenten sei schließlich eine der zentralen Forderungen der Demokratiebewegung gewesen.

"Die erneute Präsenz unseres Präsidenten ist ein wichtiger Schritt", bestätigte Honduras` Botschafter in Deutschland, Roberto Martínez Castañeda. Die internationale Gemeinschaft und die Streitkräfte in Honduras stünden nun unter großem Entscheidungsdruck. "Wir dürfen nicht vergessen, dass in Honduras seit dem 28. Juni eine Militärdiktatur besteht", sagte der Diplomat, um zugleich daran zu erinnern, dass die Demokratiebewegung friedlichen und unbewaffneten Widerstand leistet.

Bei den deutschen Gästen sorgten die Neuigkeiten aus Honduras ebenso für Aufregung. "Wir begrüßen die Rückkehr des Präsidenten natürlich", sagte Martin Wolpold-Bosien, der Präsident der Kopenhagen-Initiative für Zentralamerika (CIFCA), die 40 Nichtregierungsorganisationen in elf Staaten der EU vereint. Die CIFCA hoffe nun, dass die Rückkehr Zelayas "auch ein erster Schritt zur Restauration von Demokratie und Verfassungsmäßigkeit ist." Das Putschregime müsse nun von Gewalt gegen die Bevölkerung absehen.

"Auch wir hoffen, dass es zu einer politischen Lösung kommt", sagte der Amerika-Referent der deutschen Sektion von Amnesty International, Ferdinand Muggenthaler. Mittelfristig müssten die Verstöße gegen die Menschenrechte während und nach dem Putsch untersucht werden.

** Aus: Portal amerika21.de; 21. September 2009; www.amerika21.de


Putschisten bleiben stur

Nach Rückkehr von Manuel Zelaya nach Honduras: Demonstrationen und neue Ausgangssperre

Von Harald Neuber ***


Tegucigalpa. Auch einen Tag nach der Rückkehr von Präsident Manuel Zelaya nach Honduras ist die Lage unübersichtlich. Der 57-jährige Politiker war am Montagvormittag (21. Sept.) überraschend in der Hauptstadt Tegucigalpa aufgetaucht. Nachdem es zunächst hieß, Zelaya halte sich im Sitz der Organisation der Vereinten Nationen auf, bestätigte wenig später die brasilianische Botschaft seine Präsenz auf ihrem Gelände. Offenbar war der am 28. Juni gestürzte Staatschef auf dem Landweg wieder nach Honduras eingereist. Zuvor waren zwei Rückkehrversuche gescheitert.

Tausende Menschen strömten am Nachmittag (Ortszeit) zur Botschaft Brasiliens. "Wir haben es geschafft", skandierten sie, und: "Putschisten raus." Das Putschregime unter Führung des ehemaligen Parlamentspräsidenten Roberto Micheletti regierte wie gehabt: Die Machthaber erließen eine neue Ausgangssperre bis zum Dienstagmorgen (22. Sept.). Soldaten riegelten zudem die Zugänge zur Hauptstadt ab, nachdem die letzten unabhängigen Medien von großen Autokarawanen berichtet hatten, die sich von Land in Richtung Tegucigalpa bewegten.

Nach Angaben des Protestbündnisses Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich in Honduras wurden mindestens 2000 Menschen nahe einer Tankstelle im Ortsteil Villa Nueva am Rande der Hauptstadt von Militärs interniert. Die Menschenrechtsorganisation COFADEH beklagte die Sperrung der Mobilfunknetze des Anbieters TIGO. Der Empfang sei um 15.40 Uhr abgebrochen.

Nach Angaben der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina rief der gewählte Präsident Zelaya zum Dialog auf. Ähnliche Forderungen kamen vom US-amerikanischen Außenministerium und von der Organisation Amerikanischer Staaten. Zudem appellierte Zelaya an die Militärs, den Machthabern die Gefolgschaft zu verweigern.

Am heutigen Dienstag (22. Sept.) sollte Zelaya vor der Vollversammlung der Organisation der Vereinten Nationen in New York eine Rede halten. Der Präsident kündigte an, sich von einem "Funktionär meiner Regierung" vertreten zu lassen.

*** Aus: Portal amerika21.de; 22. September 2009; www.amerika21.de

Illegale und willkürliche Maßnahmen

Kommunique der Menschenrechtsorganisation COFADEH über die aktuelle Lage in Honduras ****

Wir dokumentieren eine Erklärung der Menschenrechtsorganisation COFADEH von Montag (21. Sept.). Die Lage in Honduras entwickelt sich rasch weiter. Am heutigen Nachmittag (22. Sept.) wurde bekannt, dass der Sitz der COFADEH von Polizeikräften mit Tränengasgranaten attackiert wurde.

Tegucigalpa. Das Komitee der Angehörigen von verschwundenen Verhafteten in Honduras (COFADEH) wendet sich inmitten der Freude, die unsere Nation angesichts der Rückkehr des verfassungsmäßigen Präsidenten der Republik, Don José Manuel Zelaya Rosales, erfasst hat, voller Sorge an die nationale und internationale Gemeinschaft.

Das honduranische Volk hat das Recht, sich frei zu äußern und sich ohne Beeinträchtigung im Land zu bewegen.

Wir berufen uns auf den Artikel 3 der Verfassung der Republik, in dem es heißt: „Niemand schuldet einer usurpatorischen Regierung Gehorsam noch jenen, die mit Gewalt öffentliche Ämter übernehmen, indem sie sich Mitteln und Vorgehensweisen bedienen, die das, was in der Verfassung und den Gesetzen festgelegt ist, brechen oder verleugnen. Die von solchen Behörden durchgeführten Handlungen sind null und nichtig“.

In diesem Sinne ist das Vorhaben der De-Facto-Regierung, eine Ausgangssperre oder einen Ausnahmezustand zu verhängen, illegal und willkürlich. Diese Maßnahmen zielen alleine darauf ab, die friedlichen Meinungsäußerungen des honduranischen Volkes zu verhindern, das im Wissen um seine Rechte über 86 Tage hinweg aufbegehrt hat.

Wir warnen davor, dass sich im Rahmen dieser illegalen Maßnahmen die Verletzungen der Menschenrechte zum Nachteil der physischen Integrität von Tausenden und Abertausenden Honduranerinnen und Honduraner verschärfen werden, die dazu entschlossen sind, den Staatsstreich durch die friedliche Wiedereinsetzung des verfassungsmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya Rosales rückgängig zu machen, damit dieser die ihm vom honduranischen Volk in Wahlen übertragene Verantwortung erneut übernehmen kann.

Wir können nach diesen bislang 86 Tagen die Tausenden von Verhaftungen nicht vergessen, die Folterungen, die Todesdrohungen, die Morde und die politische Verfolgung, deren Opfer das honduranische Volk im Widerstand gegen den Staatsstreich geworden ist.

Ebenso wenig können wir die Vielzahl von juristischen Anklagen vergessen, die sich darauf stützen, dass Paramilitärs oder Agenten die Aktionen der Verteidigerinnen und Verteidiger der Menschenrechte gefilmt haben. Der jüngste Vorfall ereignete sich am vergangenen Freitag, den 18. September, als Menschenrechtsanwältinnen des COFADEH sowie Journalisten von defensoresenlinea.com und Prensa Latina durch Agenten und Paramilitärs in ihrer Arbeit behindert wurden. Durch ständige Ton- und Filmaufnahmen versuchten diese, die Arbeit der Menschenrechtsverteidiger zu sabotieren.

Wir beklagen die abrupte Sperrung der Mobilfunkdienstleistungen der Firma TIGO, die von Montag 15:40 Uhr an, unter Verletzung des Rechtes auf Kommunikation und Redefreiheit, das in der Verfassung der Republik festgelegt ist, Tausende Honduraner betreffen.

Uns beunruhigen die Militär- und Polizeikonvois nahe der Avenida La Paz, in der Gegend, in der sich der verfassungsmäßige Präsident der Republik, Don Manuel Zelaya Rosales, in der Botschaft von Brasilien aufhält.

Einmal mehr rufen wir die internationale Gemeinschaft und die Menschenrechtsorganisationen dazu auf, die Entwicklung angesichts der begangenen Verletzungen der Menschrechte durch das De-facto-Regime aufmerksam zu verfolgen

Tegucigalpa, M.D.C., 21. September 2009

WEDER VERGESSEN NOCH VERGEBEN FÜR DIE TATEN UND DIE TÄTER

Komitee der Angehörigen von Verschwundenen Verhafteten in Honduras COFADEH

Übersetzung: Klaus E. Lehmann

**** Aus: Portal amerika21.de; 22. September 2009; www.amerika21.de




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