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Am toten Punkt

Bei den Verhandlungen in Honduras spielen die Putschisten auf Zeit

Von André Scheer *

Die Verhandlungen zwischen der rechtmäßigen Regierung von Honduras und den Putschisten sind an einem toten Punkt angelangt, nachdem der am 28. Juni gestürzte Präsident Manuel Zelaya in der Nacht zum Dienstag (20. Okt.) die neuesten Vorschläge der Unterhändler von De-facto-Präsident Roberto Micheletti als »beleidigend« abgelehnt hatte. Auch der Sprecher von Zelayas Verhandlungsdelegation, Víctor Meza, kritisierte die »offenkundige Verzögerungstaktik« des Regimes. Man werde sich erst wieder mit der Gegenseite an einen Tisch setzen, wenn diese »ernsthafte und konstruktive Vorschläge« vorlege.

Vilma Morales von der Delegation der Putschisten hatte zuvor vorgeschlagen, daß weder das Parlament noch - wie bis dahin vom Regime gefordert - der Oberste Gerichtshof über eine Wiedereinsetzung Zelayas in das Präsidentenamt entscheiden sollten, sondern die beiden Verhandlungskommissionen selbst. Allerdings sollten erst detaillierte Stellungnahmen beider Institutionen eingeholt werden, die für die Kommissionen dann als bindend gelten.

»Dieser Vorschlag ist beleidigend, denn er verlangt von uns zu erklären, daß es keinen Staatsstreich gegeben habe, und danach soll alles, was dann geschieht, vom Willen der Putschisten abhängen«, kritisierte Meza, der sich zuvor zusammen mit den übrigen Delegationsmitgliedern mit Zelaya beraten hatte. »Die Zeit, die wir den Putschisten gewähren, verliert Honduras«, warnte er.

Unterdessen haben die Putschisten am Montag (19. Okt.) den Ende September verhängten Ausnahmezustand offiziell aufgehoben. Obwohl das Micheletti-Kabinett bereits am 5. Oktober einen entsprechenden Beschluß gefaßt hatte, war die Veröffentlichung des diesbezüglichen Dekrets im Amtsblatt zwei Wochen lang hinausgezögert worden. In dieser Zeit blieb die Aufhebung der verfassungsmäßigen Grundrechte in Kraft, Polizei und Militär gingen weiterhin gewaltsam gegen Proteste der Widerstandsbewegung vor. Auch die Schließung des oppositionellen Fernsehsenders Canal 36 und der Rundfunkstation Radio Globo am 28. September wurde mit dem Ausnahmezustand begründet. Nach dessen Aufhebung konnte Radio Globo am Montag seinen Sendebetrieb wieder aufnehmen. Gegen 11 Uhr Ortszeit ertönte auf seiner Frequenz die honduranische Nationalhymne, anschließend ergriffen der Eigentümer des Senders, Alejandro Villatoro, und Moderator David Romero das Wort. »Ich habe geweint, ich habe Tränen vergossen«, kommentierte Romero, der zugleich einräumte, daß sich der Sender nun einer »Selbstzensur« unterwerfen werde. Noch am gleichen Tag mußte der Sender jedoch den Tod eines weiteren Aktivisten der Widerstandsbewegung melden. In Santa Bárbara wurde der Lehrer Eliseo Hernández durch Schüsse regelrecht hingerichtet.

Ebenfalls am Montag (19. Okt.) hat die Linkspartei »Demokratische Vereinigung« (UD) beschlossen, sich definitiv nicht an den für den 29. November geplanten Wahlen zu beteiligen, wenn Präsident Zelaya bis dahin nicht wieder in sein Amt zurückgekehrt sei. Die drittstärkste der fünf bislang im Parlament vertretenen Parteien des Landes erklärte, Wahlen unter Kontrolle der Putschisten seien verfassungswidrig, es gäbe »keine Garantien für einen freien, transparenten und demokratischen Wahlverlauf«. Der Präsidentschaftskandidat der UD, César Ham, kündigte einen außerordentlichen Parteitag seiner Organisation an, bei dem der Wahlboykott offiziell beschlossen werden soll. Auch der unabhängige Kandidat Carlos H. Reyes berät derzeit mit seinen Unterstützern einen Rücktritt von der Kandidatur.

* Aus: junge Welt, 21. Oktober 2009


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