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Neue Strategie

Putschgegner in Honduras geben Hoffnung auf Wiedereinsetzung Zelayas auf

Von André Scheer *

Die Widerstandsbewegung in Honduras sieht den Kampf um eine Rückkehr des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya in sein Amt als verloren an. Wie der Generalkoordinator der Nationalen Front gegen den Staatsstreich, Juan Barahona, dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur sagte, werde sie nun die in den vergangenen Monaten entstandenen Strukturen nutzen, um für die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung zu kämpfen.

»Es wird sich nichts ändern, der Widerstand bleibt eine Kraft gegen diese Regierung, die die Macht übernehmen wird. Wir kämpfen weiter für die Interessen unseres Landes«, erklärte Barahona mit Blick auf den Sieger der Wahlfarce vom vergangenen Sonntag, Porfirio Lobo. Der soll Ende Januar das Amt vom derzeitigen Chef des Putschregimes, Roberto Micheletti, übernehmen. Das Kapitel des Kampfes um die Wiedereinsetzung Zelayas sei jedoch »abgeschlossen«.

Barahona kündigte außerdem an, daß die Bewegung »mit der Einheit und der Kraft des Widerstandes« bei künftigen Wahlen antreten werde, um auf diesem Weg die Macht zu erobern. Es sei noch nicht entschieden, ob dies als Partei, Bewegung oder Wahlbündnis geschehen solle: »Unser Kampf gilt der Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung.«

Fast eine Woche nach der unter Kontrolle der Putschisten durchgeführten Präsidentschaftswahl mußte der Wahlgerichtshof TSE indirekt eingestehen, daß die tatsächliche Beteiligung weit unter dem Wert von 61 Prozent geblieben ist, den die Behörde kurz nach Schließung der Wahllokale behauptet hatte. Selbst den offiziellen Ergebnissen zufolge, die noch immer nur einen Auszählungsstand von 56 Prozent der Wahllokale widerspiegeln, ergibt sich eine Wahlbeteiligung von fast genau 50 Prozent der 4,6 Millionen Berechtigten. Die Putschgegner gehen jedoch davon aus, daß selbst dieser Wert noch geschönt ist und schätzen die Beteiligung auf weniger als ein Drittel.

Unterdessen wurde bekannt, daß das Putschregime am Donnerstag die Schriftstellerin Rebeca Becerra, die zu den bekanntesten Autoren des zentral­amerikanischen Landes gehört, für mehrere Stunden verhaftet hat. Angeordnet worden war die Verhaftung offenbar von der »Kulturministerin« des Putschregimes, Myrna Castro, die Becerra vorwirft, Dokumente des Ministeriums gestohlen zu haben. Becerra hatte unter der Regierung Zelaya das Archiv des Kulturministeriums geleitet.

Vertreter von Menschenrechtsorganisationen, Familienangehörige und Freunde der Schriftstellerin versammelten sich unmittelbar nach deren Verhaftung am Ort des Geschehens und erreichten nach mehreren Stunden die Freilassung. Becerra berichtete anschließend, daß insgesamt acht Polizisten sie erwartet hatten, als sie das Gebäude des Kulturministeriums verließ. Sie zwangen sie, gemeinsam mit ihrer sechsjährigen Tochter in das Polizeifahrzeug einzusteigen. Nach ihrer Verhaftung sei sie weder über ihre Rechte informiert, noch sei ihr mitgeteilt worden, was ihr zur Last gelegt wurde.

* Aus: junge Welt, 5. Dezember 2009


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