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"Die Putschisten biegen sich die Realität zurecht"

Der Widerstand in Honduras nimmt zu. Unheilvolle Rolle der Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP. Gespräch mit Monika Knoche *

Monika Knoche ist stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag. Sie ist am Donnerstag (11. Aug.) von einer Lateinamerika-Reise zurückgekehrt, bei der sie unter anderem Honduras besuchte, um die gestürzte Regierung von Präsident Manuel Zelaya zu unterstützen.



Welchen Eindruck haben Sie von der Situation in Honduras gewonnen? Wie fest sitzen die Putschisten im Sattel?

Die Putschisten sind äußerst ignorant und biegen sich die Realität so zurecht, wie es ihnen paßt. Sie sind isoliert, das müssen sie aber noch viel deutlicher zu spüren bekommen.

Auf welche gesellschaftlichen Kräfte stützt sich das Regime?

Zunächst auf das Militär und den gesamten Sicherheitsapparat. Dann natürlich auf die konservativen Schichten des Landes, die Großgrundbesitzer und Teile des Mittelstands.

Und welche Rolle spielt die Protestbewegung?

Die nimmt meiner Einschätzung nach eher zu. Am vergangenen Wochenende fand z. B. ein Sternmarsch auf die Hauptstadt Tegucigalpa statt, an dem sich Zehntausende beteiligten.

Wer sind die Hauptakteure des Widerstandes?

Ich bin mit vielen Repräsentanten der Opposition zusammengetroffen. Die wichtigsten Bewegungen sind Gewerkschaften, Landarbeiterorganisationen und vor allem Frauenverbände und Menschenrechtsgruppen.

Der Putsch wird weltweit zwar abgelehnt – was wird aber vom Ausland her dagegen unternommen?

Für mich steht vor allem die Rolle Deutschlands und Europas im Mittelpunkt. Bei uns im Lande kommt es vor allem darauf an, alle Versuche zurückzuweisen, die Putschisten zu legitimieren. Das wird hauptsächlich von der FDP und ihrer Friedrich-Naumann-Stiftung betrieben. Die hatte erst kürzlich im Bundestag eine Tagung organisiert, bei der ausschließlich Personen auftraten, die den Putsch begrüßten.

In der Bundesregierung beobachte ich zur Zeit, daß sie den Putsch zwar verurteilt, sich aber dennoch damit abfinden würde, wenn der gestürzte Präsident Manuel Zelaya bei Wahlen, die die Putschregierung ansetzt, nicht wieder im Amt bestätigt wird. Eines muß jedoch klar sein: Solange die Putschisten an der Macht sind, kann es keine freien Wahlen geben.

Könnte die Bundesregierung nicht wirtschaftliche Sanktionen verhängen?

Es muß zunächst geklärt werden, über welche Kanäle sich die Putschisten finanzieren. Diese Quellen müssen stillgelegt werden. Beispielsweise genießt Honduras im Rahmen des »Allgemeinen Präferenzsystems« erhebliche Zollvergünstigungen von seiten der EU. Die sind jedoch an die Einhaltung der Menschenrechte geknüpt – deswegen müssen diese Vergünstigungen sofort gestrichen werden.

Mitglieder des Kabinetts von Zelaya haben uns bestätigt, daß wirtschaftliche Sanktionen das beste Mittel sind, um die Putschisten und die sie unterstützenden wirtschaftlichen Eliten zu treffen. Dabei gäbe es keine negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung, versicherten sie.

Im übrigen kann ich sagen, daß das Entwicklungsministerium in Berlin eine recht gute Reaktion gezeigt hat. Ich habe mich davon überzeugt, daß die Bundesregierung die Zahlung von Entwicklungshilfe an Honduras eingestellt hat. Diesem Beispiel müßten aber alle europäischen Staaten folgen.

Welche Möglichkeiten hat die Linke hier in Deutschland, um die politische Opposition in Honduras zu unterstützen?

Die Solidarität, die ich im Namen meiner Partei und meiner Fraktion zum Ausdruck gebracht habe, wurde begeistert aufgenommen. Wir müssen in der Öffentlichkeit den nötigen Druck dafür erzeugen, daß die Opposition in Honduras international anerkannt wird.

Natürlich stehen uns auch parlamentarische Wege offen, um hier in Deutschland die Forderung nach Handelssanktionen und nach Unterstützung demokratischer Wahlen in Honduras zu propagieren. Ich werde mich auf jeden Fall dafür einsetzen, daß das ins Parlament eingebracht wird. Auch wenn wir bis zur Bundestagswahl keine regulären Sitzungen mehr haben, nutze ich bis dahin alle Möglichkeiten, die ich als Abgeordnete habe.

Zum anderen muß Deutschland noch viel stärker in der EU dafür sorgen, daß die Assoziierungsverhandlungen mit Europa nicht zustande kommen. Es darf keine Unterstützung dafür geben, daß unter der Herrschaft einer Putschregierung Wahlen stattfinden.

* Aus: junge Welt, 15. August 2009


Liberale Putschisten

Von Martin Ling **

Sie konnen auch anders als liberal – die Liberalen. Wenn das Mittel Putsch den Zweck heiligt wie in Honduras, steht die FDP in der ersten Reihe der Unterstützer. Und das gilt nicht nur für die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS), die seit Jahren mit ihrem neoliberalen Netzwerk die Obstruktion der weit gehenden Linkswende in Lateinamerika betreibt. Es gilt auch für Westerwelle-Vorgänger Wolfgang Gerhardt, seines Zeichens Chef der FNS, und Werner Hoyer, den außenpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Da mögen die ganze Welt, die EU und selbst die USA den Sturz des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya verurteilen und die Wiedereinsetzung verlangen – die FDP hält starr an ihrer Rechtfertigung des Staatsstreiches fest. Zu bitter ist es auch, dass ausgerechnet Honduras von der neoliberalen Fahne ging. Schließlich galt ihnen Zelaya beim Amtsantritt 2006 als liberaler Hoffnungsträger – als Garant für die weitere Handelsliberalisierung in Mittelamerika und für maximale unternehmerische Freiheit. Doch stattdessen wandte er sich überraschend dem solidarischen Handelsbündnis ALBA zu und leitete eine Politik des sozialen Ausgleichs ein. Für die FDP der schlimmste aller Sündenfälle. Wenn nach der Bundestagswahl die FDP für die deutsche Außenpolitk maßgeblich werden sollte, wird Berlin zur Lachnummer.

** Aus: Neues Deutschland, 15. August 2009 (Kommentar)


Rote Karte für Botschafterin

Argentinien verweist honduranische Diplomatin des Landes

Von André Scheer ***


Die Proteste gegen die Putschisten in Honduras gehen weiter. »Etwa 5000 Menschen«, so Agenturberichte, versammelten sich am Donnerstag vor der Polizeizentrale und verlangten Auskunft über den Verbleib von 27 Demonstranten, die am Vortag verhaftet wurden. Am Freitag gingen erneut Tausende in Tegucigalpa und anderen Städten auf die Straße.Unterdessen verschärft das Regime knapp 50 Tage nach dem Staatsstreich die Repression gegen die Demokratiebewegung des mittelamerikanischen Landes.

Der von Aufstandsbekämpfungseinheiten der Polizei brutal zusammengeschlagene Abgeordnete der Linkspartei DU, Marvin Ponce, mußte am Mittwoch im Krankenhaus operiert werden. Wie seine Ehefrau Elsa Marina Rodríguez gegenüber der kubanischen Agentur Prensa Latina berichtete, war der linke Arm des Abgeordneten von Polizisten mehrfach gebrochen worden. Augenzeugenberichten zufolge war Ponce am Mittwoch abend (Ortszeit) von acht uniformierten Mitgliedern der Sicherheitskräfte zusammengeschlagen worden, während deren Kollegen gewaltsam gegen einen Demonstrationszug für den gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya vorgingen. Ponce selbst warnte, die Unterdrückung des Volkes durch die Putschisten drücke die Menschen regelrecht in die »Guerilla", deren Aufbau in der Grenzregion zu Nicaragua Zelaya angekündigt hatte.

Unterdessen hielt auch auf internationaler Ebene der Druck auf die Putschisten an. Während Argentiniens Regierung auf Bitten Zelayas die honduranische Botschafterin in Buenos Aires, Carmen Eleonora Ortez Williams, des Landes verwies, nachdem diese für die Putschisten Partei ergriffen hatte, wurde der rechtmäßige Staatschef in Santiago de Chile mit allen Ehren von der chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet empfangen. Die Regierung Chiles hatte dem dort akkreditierten Botschafter Honduras' zu Wochenbeginn ebenfalls den Diplomatenstatus aberkannt, nachdem dieser in das Lager der Putschisten gewechselt war.

Zelaya kritisierte bei seiner Ankunft in Santiago die »schüchternen Maßnahmen« der internationalen Gemeinschaft und besonders der USA gegen das Regime der Putschisten. Jede wirkliche Maßnahme, die Washington ergriffe, hätte massive Auswirkungen auf die honduranische Wirtschaft, unterstrich Zelaya. So jedoch sei es unmöglich, den Putsch zu beseitigen, warnte der honduranische Präsident.

*** Aus: junge Welt, 15. August 2009


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