Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Klare Haltung zu Honduras?

Lorena Zelaya über die Politik der EU seit dem Putsch und den "Wahlen" / Die Vertreterin des Bündnisses sozialer Organisationen Bloque Popular in Honduras ist aktiv in der Demokratiebewegung


ND: Der amtierende De-facto-Präsident von Honduras, Porfirio Lobo, nimmt heute an einem Treffen mit Vertretern der EU und zentralamerikanischer Staaten teil. Sind Sie damit einverstanden?

Zelaya: Die Europäische Union, das muss man zunächst einmal sagen, hat ja anerkannt, dass in Honduras ein Staatsstreich stattgefunden hat. Zugleich hat die EU alles daran gesetzt, seit den Präsidentschaftswahlen im vergangenen November das Bild einer angeblichen Normalisierung in Honduras zu festigen. Unmittelbar nach dieser Abstimmung unter der Kontrolle der Putschisten wurde die Kooperation zwischen der EU und Honduras wieder aufgenommen. Während in meinem Land die politischen Morde nicht abreißen, unterstützt Brüssel den Justizapparat und die bewaffneten Organe. Es ist also offensichtlich, dass die EU das Lobo-Regime unterstützt, obgleich unter ihm die Verletzung der Menschenrechte andauert, es keinen Rechtsstaat gibt, er nicht demokratisch gewählt wurde und ein Großteil der Bevölkerung im Widerstand aktiv ist.

Wie bewerten Sie die Einladung zu dem Treffen nach Madrid?

Sie ist Teil der widersprüchlichen EU-Politik, die auf eine Legitimierung des Putschistenlagers setzt, dem auch Lobo angehört. Solche Spielchen schüren das Misstrauen gegen die Europäische Union. Indem Brüssel Lobo in die Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen der EU mit den Staaten Mittelamerikas einbezieht, widerspricht sie ihrer eigenen Rhetorik von der angeblichen Verteidigung der Menschenrechte und der Demokratie. Ich glaube, dass die Menschen diese Widersprüche und diplomatischen Spielchen mit Unverständnis sehen. Vor allem, wenn inmitten dieser Spielchen ein Volk darum kämpft, seine Zukunft selbst zu bestimmen.

Dagegen ist die Position des südamerikanischen Staatenbündnisses UNASUR eindeutig, das Lobo als Präsidenten nicht anerkennt und das sich gegen seine Präsenz auf dem offiziellen EU-Lateinamerika-Gipfel ausgesprochen hat.

Was bedeutet die von der EU vorgenommene Normalisierung?

In erster Linie, dass die EU wieder mehr Gelder für das Regime zur Verfügung stellt, die direkt oder indirekt zur Verletzung und Unterdrückung der Menschenrechte verwendet werden.

Zuletzt war über Honduras in der europäischen Presse nicht mehr allzu viel zu erfahren. Bedeutet dass, das sich die Lage beruhigt hat?

Ich glaube, dass die Putschisten, zu denen auch Lobo gehört, eben darauf setzen. Sie wollen Gras über die Sache wachsen lassen und sie hoffen darauf, dass der Widerstand nach und nach an Kraft verliert. Eine ähnliche Strategie haben Vorgängerregime schon in den 80er Jahren gefahren. Aber die Bevölkerung hat genug davon. Den Putschisten wird nichts vergessen, ihnen wird nichts verziehen. Wie ich gesagt habe: Die Verletzungen der Menschenrechte dauern in meinem Land an, die Polarisierung nimmt immer weiter zu. Die Wirtschaft ist extrem schwach und die Staatsführung entbehrt jedweder Glaubwürdigkeit.

Und was fordert die Demokratiebewegung?

Das gleiche wie von Beginn an. An erster Stelle die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung, die durch das Volk, nicht von Parteien gebildet wird. Zweitens die Einhaltung der Menschenrechte und ein Ende der Repression. Drittens die sichere Rückkehr des legitimen Präsidenten Manuel »Mel« Zelaya und aller Mitbürger, die aus Angst um Leib und Leben ihr Land verlassen mussten.

Fragen: Harald Neuber

* Aus: Neues Deutschland, 19. Mai 2010


Zurück zur Honduras-Seite

Zur EU-Europa-Seite

Zurück zur Homepage