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Wahlfarce in Honduras gescheitert

Widerstandsfront und unabhängige Medien bestätigen sehr hohe Wahlenthaltung. Daten des Obersten Wahlgerichtes angezweifelt

Von Harald Neuber (Prensa Latina) *

Tegucigalpa. Soziale und politische Gruppen, die sich in Honduras gegen den Militärputsch wenden, haben am Sonntag das Scheitern des De-facto-Regimes bei den Wahlen gefeiert. In einem Kommuniqué erklärte die Widerstandsfront gegen den Staatsstreich noch am Abend, die Wahlenthaltung habe bei mindestens 65 bis 70 Prozent gelegen. Dies sei "ein großer Sieg des honduranischen Volkes", heißt es in dem Dokument, mit dem die Widerstandsfront die Menschen aufrief, die "Niederlage der Diktatur" zu feiern. Der am 28. Juni gestürzte Präsident, Manuel Zelaya, bestätigte die Daten. In einigen Regionen hätte die Enthaltung bei bis zu 75 Prozent gelegen.

Sprecher des De-facto-Regimes und von den Putschisten kontrollierte Medien erklärten hingegen, dass eine "massive Beteiligung" zu verzeichnen war. Der Urnengang sei deswegen ein Erfolg. Das Oberste Wahlgericht (TSE) veröffentlichte lediglich vor Mitternacht Angaben über die Beteiligung, die diesen Angaben zufolge bei 61 Prozent lag. Nach Informationen des TSE liegt der Kandidat der Nationalen Partei, der 62jährige Porfirio Lobo, vorne. Der reiche Viehzucht-Unternehmer hat den Staatsstreich am 28. Juni unterstützt.

Der jesuitische Priester Ismael Moreno hatte bereits am Abend erklärt, die Wahlen an diesem Sonntag seien von Betrug und einer hohen Enthaltung gekennzeichnet. Der Geistliche und Direktor der Radiostation Progreso im Nordes des Landes trat entschieden den Darstellungen des TSE entgegen, wonach eine der höchsten Wahlbeteiligungen in der Geschichte des Landes verzeichnet wurde. Dies ließe sich nur erklären, wenn eine entsprechende Entscheidung vorab getroffen wurde, so Moreno.

Die Widerstandfront bestätigte diese Angaben auf der Basis einer eigenen Erhebung. "Mit großer Genugtuung erklären wir gegenüber dem honduranischen Volk und der internationalen Gemeinschaft, dass die von der Diktatur anberaumte Wahlfarce wegen der spärlichen Beteiligung der Wähler vollends gescheitert ist", heißt es in einer Erklärung des Protestbündnisses. Auf diese Weise habe das Volk die putschnahen Kandidaten und die Diktatur abgestraft, war in dem Papier weiter zu lesen. Die Befürworter der Wahl setzten derzeit alles daran, international eine hohe Beteiligung zu suggerieren.

Die Widerstandsfront kündigte eine Kundgebung am Mittag in der Hauptstadt Tegucigalpa an. Anschließend ist ein Autokarawane durch die Stadt geplant.

* Aus: Internetportal Amnerika21.de, 30. November 2009

Massive Wahlenthaltung

Kommuniqué der Nationale Front gegen den Staatsstreich in Honduras

Von Frente Nacional Contra el Golpe de Estado


Wir teilen dem honduranischen Volk und der internationalen Gemeinschaft mit, dass die von der Diktatur inszenierte Wahlfarce gescheitert ist. Obwohl der Wahlrat der Putschregierung die Öffnungszeit der Wahllokale verlängerte, blieb die Wahlbeteiligung kümmerlich. Die Wahlfarce ist zu einem Fiasko geworden. Es ist offensichtlich.

Unsere Organisation hat ein landesweites Monitoring durchgeführt. Dieses zeigt eine klare Wahlenthaltung der Mehrheit der honduranischen Bevölkerung. Rund 65 - 70 Prozent der Wahlberechtigten sind nicht wählen gegangen, das hat es in der Geschichte von Honduras bisher nicht gegeben (in Honduras herrscht Wahlzwang, d.Ü.). Höchstens 30 – 35 Prozent der Wahlberechtigten haben gewählt. Auf diese Weise hat das honduranische Volk den Putsch-Kandidaten und der Diktatur eine klare Abfuhr erteilt.

Die Putschregierung versucht krampfhaft, der internationalen Öffentlichkeit eine hohe Wählbeteiligung vorzutäuschen. Wir verurteilen Wahlbetrugsmanöver wie z.B. die Einreise von Salvadorianern der rechtsextremen ARENA-Partei, die in unser Land gekarrt worden sind, um hier zu wählen. Bauern aus der Gemeinde Magdalena, Intibuca, haben dies beobachtet und uns informiert. Wir müssen davon ausgehen, dass die Putschregierung versucht, die Wählerstimmen mittels elektronischer Manipulation zu erhöhen.

Das De-facto-Regime hat eine friedliche Demonstration in San Pedro Sula brutal unterdrückt. Es gab zahlreiche Verletzte und Verhaftete, ein Teilnehmer ist seither verschwunden. Unter den Verletzten befindet sich ein Reporter von Reuters. Zwei Mitglieder des lateinamerikanischen Kirchenrates, die als Menschenrechtsbeobachter in San Pedro Sula waren, wurden verhaftet.

Die massive Wahlenthaltung ist ein Sieg des honduranischen Volkes. Die nationale Front gegen den Putsch ruft alle Honduranerinnen und Honduraner im Widerstand auf, morgen das Scheitern der Diktatur zu feiern.

Wir rufen zu einer großen Versammlung morgen Montag 30. November ab 12 Uhr im STYBIS (Gewerkschaftsgebäude) und ab 15 Uhr zu einer großen Sieges-Karawane gegen die Wahlfarce ausgehend von Planeta Cipango.

Wir leisten Widerstand!
Venceremeos!
RESISTIMOS Y VENCEREMOS!

Tegucigalpa, M.D.C.
29 de noviembre de 2009



Widerstand erkennt Ergebnis nicht an

Putschisten in Honduras loben "Sieg der Demokratie". Militär statt Wahlfeiern in Tagucigalpa

Von Kerstin Sack **


Tegucigalpa. Nach Auskunft der Widerstandsbewegung in Honduras hat ein Aufruf zum Boykott der Wahlen am Sonntag Erfolg gehabt. Die Enthaltung liege landesweit bei mindestens 57 Prozent, berichtete der unabhängige Sender Radio Globo. Zuvor hatte die Widerstandsbewegung im ganzen Land Befragungen und Beobachtungen organisiert. Mehrfach besuchten ihre Vertreter Wahllokale. Die höchste Wahlbeteiligung war demnach mit 40 Prozent in der Hauptstadt Tegucigalpa zu verzeichnen. Zur Wahl standen ein neuer Präsident, Bürgermeister und Parlamentsabgeordnete.

Die Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich hatte in Anlehnung an die vorherigen Ausgangssperren der Putschisten für den Wahltag eine "zivile Ausgangssperre" ausgerufen: Die Menschen sollten zu Hause bleiben und damit den Wahlboykott unterstützen. Auch sollte damit Repression vermeiden werden.

Nach den ersten Auszählungen von 60 Prozent der Stimmen entfielen auf den Kandidaten der Nationalen Partei, Porfirio Lobo, offenbar 56 Prozent der Stimmen. Der Kandidat der Liberalen Partei, Elvin Santos, bekam 39 Prozent. Lobo versprach in einer ersten Erklärung eine "Politik der Einheit".

Die Putschisten und ihre Medien lobten die "freiesten" und "transparentesten" Wahlen in Honduras mit einer höheren Wahlbeteiligung als bei der Abstimmung 2005. Die oberste Wahlbehörde (TSE) gibt die Enthaltung mit 39 Prozent an. Eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale unterbrach die TSE-Leitung die Medienprogramme, um den Verlauf der Wahlen und die hohe Wahlbeteiligung zu loben. Wegen des großen Wählerandrangs blieben die Lokale eine Stunde länger geöffnet.

Am 4. Dezember will die Organisation Amerikanischer Staaten die Situation diskutieren. Diese Reaktion im Ausland ist bedeutend: Wahlbeobachter der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung waren aus diesem Grund zusammen mit anderen Liberalen vor Ort. Sie gehen vermutlich, wie der US-Botschafter Hugo Llorens, von sauberen Wahlen aus. Dabei unterschied sich das Ambiente der "freien und transparenten Abstimmung" in Honduras deutlich von der gleichzeitigen Abstimmung in Uruguay. In dem mittelamerikanischen Land waren 30.000 Soldaten und Polizisten sowie über 5000 Reservisten mobilisiert. Wer zum Wahlboykott aufrief, musste mindestens mit einer Verhaftung rechnen.

Nur in San Pedro Sula, der zweitgrößten Stadt von Honduras, versammelten sich tausende Menschen zum Protest. Sie wurden umgehend mit Tränengas und Wasserwerfern auseinander getrieben. Menschenrechtsorganisationen berichteten von massiven Bedrohungen durch Militär und Polizei, Militarisierung und zahlreiche Verhaftete, darunter ein Journalist der Nachrichtenagentur Reuters.

In Uruguay endete die Stichwahl zum Präsidenten mit dem Sieg des linken Kandidaten der Frente Amplio José "Pepe" Mujica. Am Abend fand in Montevideo ein großes Volksfest statt. Militär war zum Schutz der Wahlen nicht erforderlich. Von öffentlichen Begeisterungsstürmen in Honduras ist nichts bekannt.

** Aus: Internetportal Amnerika21.de, 30. November 2009


Kritik an Berlins Honduras-Politik

Oppositionsparteien und Nichtregierungsorganisationen beanstanden drohende Anerkennung der Wahlen unter dem Putschregime

Von Harald Neuber ***


Berlin. In Deutschland mehrt sich die Kritik an dem unbestimmten Kurs der Bundesregierung gegenüber Honduras. Nach den Wahlen unter der Kontrolle der Putschisten gehen in dem mittelamerikanischen Land die Proteste weiter. Für Aufsehen sorgte zu Wochenbeginn dabei der konservative Präsidentschaftskandidat Porfirio Lobo, nach dessen Aussagen Berlin seinen Sieg bei dem im Land und international scharf kritisierten Wahlgang anerkannt habe. Offiziell hat sich die Bundesregierung dazu noch nicht geäußert. Am morgigen Mittwoch wird sie den Auswärtigen Ausschuss und den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über ihre Haltung unterrichten. Die Sitzungen werden mit Spannung erwartet.

Die Menschenrechtsorganisation FIAN forderte die Bundesregierung heute erneut zur Distanzierung auf. Eine Delegation internationaler Menschenrechtsorganisationen habe die Lage vor Ort beobachtet, schreibt FIAN: "Ein Klima der Angst, Einschüchterung und politischen Verfolgung beherrschte den Wahlprozess. Die deutsche Regierung darf dies nicht ignorieren. FIAN fordert die Bundesregierung daher auf, die Wahlen nicht anzuerkennen."

Auch die "Welle der willkürlichen Verhaftungen" dauere an, heißt es in der Erklärung weiter. "Der Oberste Gerichtshof geht mit disziplinarischen Mitteln gegen Richter vor, die den Staatsstreich als solchen bezeichnen", so FIAN. Die Sonderstaatsanwältin für Menschenrechte gab an, dass seit dem Putsch zwar mehrere Hundert Anzeigen wegen Menschenrechtsverletzungen eingegangen seien. Bislang sein "aus Kapazitätsgründen" aber nur in sieben Fällen ein Strafantrag gestellt worden.

Am Montag (30. Nov.) hatten sich bereits die Bundestagsfraktionen der Linken und der Grünen zu Wort gemeldet. "Die Europäische Union, die den Putsch klar verurteilt und sich geweigert hatte, die von den Putschisten veranstalteten Wahlen durch die Entsendung von Wahlbeobachtern zu legitimieren, ist jetzt ratlos und tut sich schwer damit, eine gemeinsame Position zu finden", stellten die Grünen-Abgeordneten Thilo Hoppe und Hans-Christian Ströbele fest. Der Linksparteabgeordnete Wolfgang Gehrcke bezeichnete die Wahlen in Honduras als illegal: "Die Bundesregierung darf den 'Sieger' dieser Wahl-Farce nicht als rechtmäßigen Repräsentanten von Honduras anerkennen", schrieb Gehrcke in einer Presseerklärung.

** Aus: Internetportal Amnerika21.de, 1. Dezember 2009

Keine Anerkennung des „Siegers“ bei Wahl-Farce in Honduras

„Die Präsidentschaftswahlen in Honduras sind illegal. Die Bundesregierung darf den „Sieger“ dieser Wahl-Farce nicht als rechtmäßigen Repräsentanten von Honduras anerkennen“, so Wolfgang Gehrcke zu der Präsidentenwahl in Honduras. Der außenpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE weiter:

„In der EU muss Deutschland ebenfalls dafür eintreten, dass keinerlei Beziehungen zu dem „Wahlsieger“ aufgebaut werden. Unter den Bedingungen eines Putsches sind keine demokratischen Wahlen denkbar.

Auch die Tatsache, dass die Wahlsieger faktisch im Amt sind, rechtfertigt keine Anerkennung von illegalen Handlungen. In dieser Frage ist die Haltung der Bundesregierung unklar. Sie kritisiert den Putsch, spricht aber davon, dass neuen Realitäten Rechnung getragen werden müsse. Außenminister Westerwelle muss die deutsche Haltung schnell klären. Der Sieger einer Wahl-Farce darf nicht als legitimes Staatsoberhaupt anerkannt werden.“

Quelle: http://www.linksfraktion.de




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