Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Zelayas Dekret

Honduras: Unternehmer ignorieren neuen Mindestlohn und machen offen mobil gegen den Kurs des Präsidenten

Von Torge Löding, San José *

Die Konfrontation ist programmiert: Honduras Unternehmerdachverband schaltet auf stur, wenn es um das jüngste, aufsehenerregende Dekret von Präsident Manuel Zelaya geht. Dieser hatte eine Anhebung des Mindestlohns um 60 Prozent verfügt. »Diese Erhöhung können wir nicht leisten, denn uns fehlen die Mittel dazu«, lamentierte Verbandssprecher Amílcar Bulnes am vergangenen Mittwoch in der Hauptstadt Tegucigalpa vor Journalisten. Seine Verbandsmitglieder forderte er auf, mit den Arbeitern »direkt über die angemessene Entlohnung« zu verhandeln. Damit stellen sich die Unternehmer aber außerhalb geltender Gesetze, denn der Mindestlohn ist in dem mittelamerikanischen Land bindend.

Gegen Linkskurs

Der Kapitalvertreter behauptete zudem, daß der Linkskurs des amtierenden moderaten Präsidenten Zelaya (Liberale Partei) der Grund für mindestens 15000 Entlassungen in den vergangenen Wochen gewesen sei. Der Vorsitzende der Handelskammer für kleine und mittelständische Unternehmen, Carlos Uclés, sprang seinem Kollegen bei und erklärte, Zelaya sei Schuld, daß die honduranische Wirtschaft nicht mehr wachse.

Niemals zuvor hatte es in Honduras eine Erhöhung des Mindestlohnes um mehr als zehn Prozent gegeben. Doch nachdem die Verhandlungen mit Unternehmervertretern und Gewerkschaften im Dezember gescheitert waren, hatte Zelaya per Dekret die gewerkschaftliche Forderung nach einer Erhöhung des Mindestlohnes in urbanen Zentren um 60 Prozent von 181 auf 289 US-Dollar im Monat durchgesetzt. Damit sollte die massive Preissteigerung für Grundnahrungsmittel zumindest teilweise ausgeglichen werden. Zudem kündigte er an, die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Gewerkschaften und Kooperativen mit 50 Millionen Dollar zu fördern.

Nur eine halbe Million der 7,5 Millionen in Honduras lebenden Menschen kommt heute in den Genuß eines Mindestlohnes. Die meisten sind im informellen Sektor beschäftigt. Die mehr als eine Million in den USA arbeitenden Migranten steuern mit ihren Überweisungen fast 20 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Sonst stände es um die Lebensbedingungen der großen Bevölkerungsmehrheit noch wesentlich schlechter.

Neue Politik

Nach seiner Wahl im November 2005 begann der Staatschef, fortschrittliche Elemente in seine liberale Agenda einzuflechten. Unter Zelayas Ägide trat Honduras dem progressiven Staatenbund ALBA (Bolivarische Alternative für unsere Amerikas) bei, feierte den Sieg der sandinistischen Partei im Nachbarland Nicaragua und entwickelte zumindest im Ansatz eine Sozialpolitik. Er umreißt seinen Kurs als »sozialistischen Liberalismus«.

Seine gerade begonnene neue Politik wird allerdings vermutlich bereits Ende dieses Jahres ihr Ende finden. Im November wird ein neuer Präsident gewählt, und in der Liberalen Partei setzte sich Zelayas rechter Rivale Elvin Santos durch. Ende vergangener Woche nun entließ der Präsident eben diesen Santos als amtierenden Außenminister. Dessen Platz im Kabinett übernimmt Patricia Isabel Rodas, die erste Frau in diesem wichtigen Amt, und Zelaya machte deutlich, daß er offensichtlich nicht gewillt ist, seine Politik kampflos aufzugeben.

* Der Autor arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum in San José, Costa Rica

Aus: junge Welt, 13. Januar 2009



Zurück zur Honduras-Seite

Zurück zur Homepage