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Tote in Tegucigalpa

Von André Scheer *

Vier Tage nach der überraschenden Rückkehr des rechtmäßigen honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya in sein Heimatland bleibt die Lage in der Hauptstadt Tegucigalpa extrem angespannt. Das Gebäude der brasilianischen Botschaft, in dem sich Zelaya seit Montag (21. Sept.) gemeinsam mit Familienangehörigen und Unterstützern aufhält, ist weiterhin von Polizei und Militär belagert und von der Versorgung mit Essen und Trinkasser abgeschnitten. Während Soldaten in den Vierteln der Hauptstadt Razzien durchführen und willkürlich Menschen verhaften, sind die Zufahrten zur Stadt abgeriegelt, um die Einreise von Unterstützern des Präsidenten aus anderen Teilen des Landes zu verhindern. Wie Amnesty International informierte, wurde am Mittwoch (23. Sept.) auch das Gebäude der honduranischen Menschenrechtsorganisation COFADEH von den Putschisten mit Tränengasgranaten angegriffen, obwohl sich Schutz suchende Frauen und Kinder in dem Gebäude befanden.

Am Donnerstag (24. Sept.) kursierten in Tegucigalpa Gerüchte über einen bevorstehenden Angriff auf das Botschaftsgebäude. Gegenüber Radio Globo informierten Anrufer, daß die Armeeführung Zivilkleidung und Pistolen an die Soldaten ausgegeben habe. Diese sollten sich an einer vom Regime einberufenen Demonstration zur Unterstützung des Sturzes von Zelaya beteiligen und dann als »empörte Bürger« verkleidet die brasilianische Vertretung stürmen. Dabei solle dann Zelaya ermordet werden, so die Befürchtungen.

Für Zelayas Unterstützer wird der Zugang zur Botschaft hingegen weiträumig abgesperrt, selbst Angehörigen Zelayas wird der Zutritt zu dem Gebäude von der Polizei verweigert. Am Mittwoch hatten trotz Ausgangssperre mehr als 15.000 Menschen gegen den Putsch demonstriert und versucht, zu der diplomatischen Vertretung zu gelangen. Augenzeugen berichteten, daß es den Demonstranten zunächst gelungen war, mehrere Straßensperren der Polizei zu überwinden, bevor diese mit brutaler Gewalt gegen den Zug vorging. Das Regime der Putschisten räumte den Tod von zwei Menschen ein, Zelaya selbst sprach hingegen von bislang zehn Todesopfern.

Unterdessen wächst der internationale Druck auf das Regime. Die UNO entzog Honduras ihre Unterstützung für die am 29. November geplante Präsidentschaftswahl. Die technische Hilfe für die Abstimmung werde vorerst ausgesetzt, ließ UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Mittwoch in New York erklären. Derzeit erfülle das Land nicht die Voraussetzungen »für die Abhaltung glaubwürdiger Wahlen, die Frieden und Stabilität voranbringen«, hieß es zur Begründung.

Die Bolivarische Allianz ALBA forderte das Regime in Tegucigalpa auf, die Belagerung der brasilianischen Botschaft sofort zu beenden. »Das Putschistenregime ist verantwortlich für jede Handlung, die das Leben und die Sicherheit Zelayas und seiner Familie gefährdet«, heißt es in einer am Rande der UNO-Vollversammlung in New York verbreiteten Erklärung des Staatenbundes.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) kündigte an, am Wochenende erneut eine aus Außenministern der Mitgliedsstaaten bestehende Vermittlungsdelegation nach Honduras zu schicken. Sowohl der amerikanische Staatenbund als auch die Europäische Union beschlossen außerdem, ihre nach dem Putsch vom 28. Juni abgezogenen Botschafter nach Tegucigalpa zurückzusenden, damit sie von honduranischem Gebiet aus die Bemühungen um eine Lösung der Krise unterstützen können. Darum hatte Zelayas Außenministerin Patricia Rodas nach der Rückkehr des Präsidenten gebeten.

* Aus: junge Welt, 25. September 2009


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