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Protestwelle gegen deutsche Turbinen

NGOs kritisieren Maschinenbauer Voith und Siemens für Staudammprojekt in Honduras

Von Benjamin Beutler *

Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus Deutschland und Österreich haben einen Zuliefervertrag des Maschinenbauers Voith aus Baden-Württemberg für ein umstrittenes Wasserkraftwerk in Honduras in der vergangenen Woche scharf angegriffen. In ihrem Protestschreiben erklären 13 namhafte NGOs wie ATTAC, »Via Campesina Österreich« und »River Watch« ihre »große Besorgnis über die jüngsten Vorfälle und Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem Staudammprojekt Agua Zarca im Department Intibucá«.

Das Vorhaben sorgt seit Monaten für Negativschlagzeilen. Das honduranische Unternehmen Desarrollos Energéticos (DESA) will gemeinsam mit dem staatlichen chinesischen Bauriesen SINOHYDRO ein Wasserkraftwerk errichten. Von einem Damm im Departamento Intibucá soll Wasser des Gebirgsflusses Río Gualcarque durch ein enges Rohr schießen, um 300 Meter weiter nördlich im Departamento Santa Barbara im Maschinenraum riesige Stromgeneratoren anzutreiben. Geplante Inbetriebnahme ist 2014, so Angaben der Betreiberfirma DESA. Auch die US-Regierung ist mit an Bord, über die Mittelamerikanische Bank für Wirtschaftliche Integration (BCIE) fließt ein 24,4-Millionen-Dollar-Kredit in das Vorhaben. Ohne die Wasserkraftsparte Voiths stünde das Vorhaben in den Bergen von Honduras still: »Die Firma Voith Hydro GmbH, ein Gemeinschaftsunternehmen von Voith und Siemens, baut und liefert nach unserer Kenntnis für besagtes Projekt drei Turbinen mit jeweils 7,52 MW«, heißt es in dem Protestbrief. Bei den Anwohnern im Nordosten Nicaraguas regt sich ebenfalls Widerstand, Beobachter warnen sogar vor einer Eskalation. Seit April halten Projektgegner vom indigenen Lenca-Volk eine Zufahrtsstraße zur Baustelle besetzt. Unter dem Motto »Die Flüsse werden nicht verkauft« stellen sie sich gegen Vertreibung, Privatisierung von Wasser und Umweltzerstörung.

Bei der Bekämpfung der Proteste arbeitet DESA mit den Behörden des Acht-Millionen-Einwohnerlandes zwischen Karibik und Pazifik eng zusammen. Mehrfach räumte die Spezial­polizei die Blockade. Laut der Indigenen-Organisation COPINH werden Demonstranten vom Sicherheitspersonal bedroht. Polizisten bewegten sich in DESA-Firmenwagen durch das abgelegene Gelände.

Es steht viel Geld auf dem Spiel. Die Regierung in Tegucigalpa setzt verstärkt auf ausländisches Kapital und Technik. Die konservative Regierung unter Präsident Porfirio Lobo – Nachfolger des 2009 aus dem Amt geputschten Manuel Zelaya – hat den Energiesektor aufgrund der schlechten Haushaltslage radikal für Public-Private-Partnerships geöffnet. Mit öffentlichen Finanzspritzen und Steuervorteilen für Staudammbauer wurde Wasserkraft gegenüber Strom aus Wind, Solar und Geothermie gepuscht. Honduras will groß in den Energieexport einsteigen. Für die Honduraner bedeutet das gleichzeitig, das Strom bald nur noch per Vorkasse erhältlich ist. Stromraub wird härter denn je verfolgt. Widerstand ist nicht erwünscht.

Rechtsstaatlichkeit ist dagegen in Honduras, einem der Länder mit der höchsten Mordrate weltweit, oft kaum mehr als ein schlechter Witz. Erst im Juni war ein COPINH-Aktivist und Bewohner der Lenca-Gemeinde Unión Río Blanco von vier Männern angegriffen und durch Macheten-Hiebe ins Gesicht und auf die Arme schwer verletzt worden. Die protestierenden NGOs fordern in ihrem Brief an Voith nun den Stopp der Turbinenlieferung.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 18. Juli 2013


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