Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Regime des Schreckens

Honduras: Suche nach Weg aus der Krise. Putschisten wollen Wahlen legitimieren

Von André Scheer *

In Honduras haben am Donnerstag (24. Sept.) Gespräche begonnen, um die durch den Staatsstreich vom 28. Juni ausgelöste Krise zu überwinden. In den Räumen der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa, in der sich Manuel Zelaya, seit dem vergangenen Montag (21. Sept.) aufhält, empfing der rechtmäßige Staatschef des Landes die Präsidentschaftskandidaten der bürgerlichen Parteien. Sowohl der Kandidat der Liberalen, Elvin Santos, als auch sein wichtigster Konkurrent, Porfirio Lobo von der Nationalen Partei, sowie der Christdemokrat Felícito Ávila und der Sozialdemokrat Bernard Martínez hatten den Sturz Zelayas und die Ernennung Roberto Michelettis zum »Übergangspräsidenten« unterstützt. Die beiden Kandidaten, die den Widerstand gegen den Staatsstreich unterstützen, nahmen an dem Gespräch nicht teil, eine Begegnung des Kandidaten der Linkspartei Demokratische Vereinigung (UD), César Ham, und des Unabhängigen Carlos H. Reyes mit Zelaya war für Freitag (25. Sept.) angekündigt worden.

Die vier bürgerlichen Kandidaten sprachen sich im Gespräch mit Zelaya erneut dafür aus, auf der Grundlage des vom costaricanischen Präsidenten Óscar Arias vorgelegten Kompromißpapiers eine friedliche Lösung zu suchen. In diesem Zusammenhang vermieden die Politiker jedoch, ihre Haltung zum ersten Punkt dieses »Abkommens von San José« deutlich zu machen, in dem die Rückkehr Zelayas in das Präsidentenamt gefordert wird. Zelaya unterstrich noch einmal seine Unterstützung für die Vorschläge seines Amtskollegen, betonte jedoch, daß seine Rückkehr an die Regierung von sozialen Veränderungen begleitet werden müsse, durch die in Honduras eine gerechtere Gesellschaft geschaffen werden könne.

Einen vom Putschistenregime unterbreiteten Vorschlag lehnte Zelaya hingegen ab. Micheletti hatte gefordert, der gestürzte Staatschef müsse sich dem gegen ihn bestehenden Haftbefehl unterwerfen und aufhören, den Putsch vom 28. Juni als solchen zu verurteilen. Dann könne eine dritte Person die Präsidentschaft übernehmen. »Sie bieten mir Dinge an, die mich nicht interessieren«, wies Zelaya das Ansinnen der Putschisten zurück. Nur die Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse könne den Frieden in Honduras wiederherstellen. Zugleich klagte er im Gespräch mit dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur die weiter bestehende Belagerung der brasilianischen Vertretung durch Militär und Polizei an: »Hier herrscht ein Regime des Schreckens. Die Militärs haben den Häuserblock umstellt, haben das angrenzende Gebiet geräumt, Häuser durchsucht und benutzen Hochfrequenzgeräte, um unsere Kommunikation nach draußen zu blockieren.«

Eine vom früheren US-Präsidenten James Carter angebotene Vermittlung hat den Putschisten unterdessen als Vorwand gedient, die für das Wochenende geplante Reise einer OAS-Delegation nach Honduras abzusagen. Die Organisation Amerikanischer Staaten möge doch bitte erst in der kommenden Woche das Land besuchen, ließ Micheletti ausrichten. Dieser wird von Óscar Arias sowie, auf ausdrücklichen Wunsch Michelettis, vom Vizepräsidenten und Außenminister Panamas, Juan Carlos Varela, begleitet. Wenig überraschend ist dieser zum neuen Liebling der Putschisten avanciert, denn Panama hatte als bislang einziges Land am vergangenen Montag angekündigt, die unter Kontrolle des Putschistenregimes für den 29. November geplanten Wahlen anerkennen zu wollen. »Wir rufen alle Sektoren auf, in diesen Wahlen einen Ausweg aus der gegenwärtigen Situation zu sehen«, hatte Varela erklärt. Auch Carter zeigte sich offen, Beobachter seines Carter-Zentrums zur Beobachtung der Wahlen zu entsenden.

Die Widerstandsbewegung hatte wiederholt darauf hingewiesen, daß Wahlen unter Kontrolle der Putschisten nicht frei und transparent sein können. So soll das Militär, daß am 28. Juni die Präsidentenresidenz in Tegucigalpa gestürmt hatte, den Transport der Wahlurnen und Stimmzettel durchführen. Die OAS und andere internationale Organisationen haben bereits angekündigt, einen aus solchen Wahlen hervorgegangenen Staatschef nicht anzuerkennen.

* Aus: junge Welt, 26. September 2009


Zurück zur Honduras-Seite

Zurück zur Homepage