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Militärputsch in Honduras weltweit verurteilt

ALBA-Staaten sichern Präsident Manuel Zelaya Unterstützung zu - Weitere Berichte vom Staatsstreich



Honduras' Präsident steht nicht allein

Botschafter des ALBA-Bündnisses riefen in Berlin zur Unterstützung von Manuel Zelaya auf

Von Harald Neuber *

Die Botschaften der Bolivarischen Allianz für Amerika (ALBA) in Deutschland haben zur Unterstützung der demokratisch gewählten Regierung von Honduras aufgerufen.

Die Zusammenarbeit innerhalb der Bolivarischen Allianz für Amerika (ALBA) funktioniert auch in Berlin. Auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz in der Berliner Vertretung Venezuelas verurteilten die Abgesandten von Kuba und Ecuador, Gerardo Peñalver und Horacio Sevilla Borja, den Staatsstreich, durch den am Sonntagmorgen Honduras' Präsident Manuel Zelaya zunächst aus dem Amt und dann aus dem Land gezwungen wurde.

Venezuelas Botschafterin Blancanieve Portocarrero sprach als Organisatorin der Konferenz von einem »brutalen Putsch«. Die Länder der Bolivarischen Allianz unterstützen auch weiterhin das Projekt einer Volksbefragung in Honduras, so Portocarrero. Zelaya hatte für Sonntag ein Referendum über die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung am Jahresende geplant. Rechtsgerichtete Militärs und Teile der Oberschicht verhinderten das Plebiszit gewaltsam. In Berlin kritisierten auch die Geschäftsträgerin der Botschaft von Nicaragua, Karla Beteta, und die Zweite Sekretärin der Botschaft Boliviens, Miriam Siles, dieses Vorgehen scharf.

»In Honduras sind derzeit 486 Ärzte und humanitäre Helfer im Einsatz«, sagte Kubas Botschafter. Es bestehe die Gefahr, dass diese Hilfskräfte nun ins Visier der Putschisten geraten. Am Sonntag waren bereits die Botschafter mehrerer lateinamerikanischer Staaten von Soldaten angegriffen worden, als sie versuchten, die Verschleppung der honduranischen Außenministerin Patricia Rodas zu verhindern.

»Die Zeit der Militärdiktaturen in Lateinamerika ist vorbei«, sagte Botschafter Peñalver mit Blick auf dieses Geschehen. »Das Volk von Honduras braucht jetzt unsere Solidarität«, fügte Ecuadors Botschafter Horacio Sevilla Borja an. Die Vertreter der ALBA-Botschaften in Deutschland begrüßten daher die Positionsnahme des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier, der den Putsch in Honduras kurz zuvor verurteilt hatte. »Dieses Vorgehen verletzt die verfassungsmäßige Ordnung der Republik Honduras«, hieß es in seiner Erklärung.

Zelaya selbst war in der Nacht zum Montag (29. Juni) in Managua mit den Präsidenten von Venezuela, Ecuador und Nicaragua zusammengekommen. Venezuelas Staatschef Hugo Chávez prognostizierte nach dem Treffen ein Scheitern des Putsches, weil die zivil-militärische Junta von demokratischen Kräften »eingekreist« sei. Zugleich warnte Chávez davor, die Putschisten ihre Macht festigen zu lassen. Ecuadors Staatschef Rafael Correa rief Bevölkerung und Militär in Honduras zur Rebellion auf. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez schloss indes Verhandlungen mit der Junta kategorisch aus. Eine entsprechende Position hatte wenige Stunden zuvor auch der ehemalige Staats- und Regierungschef Kubas, Fidel Castro, eingenommen. Im Laufe des Montags wollen die ALBA-Staaten weitere Maßnahmen gegen die Junta in Honduras verkünden.

* Aus: Neues Deutschland, 30. Juni 2009


Honduras wehrt sich

Von André Scheer **

Der Tag nach dem Putsch in Honduras begann mit Demonstrationen und Blockaden. Sonntag früh hatten maskierte Einheiten des honduranischen Militärs die Residenz des Präsidenten Manuel Zelaya gestürmt und ihn zum Verlassen des Landes gezwungen. Über Nacht hatte sich bereits Massenproteste in dem zentralamerikanischen Land formiert. Am Montag morgen (Ortszeit) lag der Aufruf der Gewerkschaftsverbände zum Generalstreik ebenso vor wie die weltweit nahezu einstimmige Verurteilung der Putschisten. Trotz einer von den Militärs verhängten Ausgangssperre hatten Hunderte Menschen die ganze Nacht über vor dem Präsidentenpalast ausgeharrt. Die Soldaten, die das Gebäude und die angrenzenden Straßen abgeriegelt hatten, gingen zunächst nicht gegen die Demonstranten vor, zogen aber Medienberichten zufolge immer mehr Truppen im Zentrum der Hauptstadt Tegucigalpa zusammen. Sie würden verhindern, daß der von der rechten Opposition ernannte »Übergangspräsident « Roberto Micheletti das Gebäude in Besitz nehmen könne, kündigten Demonstranten an. »Das ist das Haus des legitimen Präsidenten«, erklärten Sprecher der Protestierenden gegenüber Reportern des lateinamerikanischen Nachrichtensenders TeleSur, der am Montag auch Aufnahmen zeigte, auf denen Demonstranten in der Umgebung des Regierungssitzes neue Barrikaden errichteten, während in geringer Entfernung Stoßtruppen der Armee zusammengezogen wurden.

Weltweit wurde der Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten nahezu einstimmig verurteilt. Sprecher des State Departments in Washington betonten, die USA sähen Manuel Zelaya auch weiterhin als den verfassungsmäßigen Präsidenten von Honduras an. Mit den Partnern in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wolle man sich für die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung in Honduras einsetzen. Der ständige Ausschuß der OAS verurteilte am Sonntag den Putsch in Honduras. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier wandte sich in Berlin gegen »die Verhaftung und Exilierung von Präsident Zelaya«. Dieses Vorgehen verletze die verfassungsmäßige Ordnung der Republik Honduras. Ebenfalls in Berlin forderten Botschafter der Mitgliedsstaaten der Bolivarischen Allianz ALBA auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz in der venezolanischen Vertretung die »sofortige und bedingungslose Wiedereinsetzung des demokratisch gewählten Präsidenten Zelaya«. Bei seiner Rückkehr dürften keinerlei Kompromisse eingegangen werden. Der Prozeß zur Bildung einer verfassunggebenden Versammlung sei demokratisch legitimiert und müsse vorangebracht werden.

Ecuadors Staatschef Rafael Correa rief das Volk von Honduras auf, sich gegen »diese korrupten Spitzen« zu erheben, die am Sonntag den Staatsstreich durchgeführt haben. Der Präsident von Nicaragua, Daniel Ortega, betonte, daß die ALBA-Mitgliedsstaaten keine Ruhe geben werden, bis die verfassungsmäßige Ordnung in Honduras wiederhergestellt sei. Nicaragua rückte als Nachbarland von Honduras im Verlauf des Montags immer mehr in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Berichte kursierten, wonach Zelaya über die Grenze nach Honduras zurückkehren wolle. Sprecher der sozialen Organisationen in Honduras erklärten daraufhin, Zelaya werde an der Grenze von 50 000 Menschen erwartet, die ihn nach Tegucigalpa begleiten würden.

** Aus: junge Welt, 30. Juni 2009


"Ihr seid umzingelt"

Militärputsch in Honduras weltweit verurteilt. ALBA-Staaten Venezuela, Kuba, Bolivien, Nicaragua und Ecuador sichern Präsident Zelaya Unterstützung zu

Von André Scheer ***


»Falls ihr es noch nicht gemerkt haben solltet: Ihr seid umzingelt! Ergebt euch!« wandte sich Venezuelas Präsident Hugo Chávez am Sonntag an die Putschisten in Tegucigalpa. Wenige Stunden zuvor hatten diese den demokratisch gewählten Präsidenten von Honduras, Manuel Zelaya, aus seiner Residenz geholt, in eine Luftwaffenbasis verschleppt und dann in einem Flugzeug nach Costa Rica geschickt. Der venezolanische Staatschef faßte mit seinen knappen Bemerkungen die weltweit nahezu einstimmige Verurteilung des Staatsstreiches in dem zentralamerikanischen Land zusammen. Sogar die US-Regierung erklärte nach stundenlangem Zögern, sie werde nur Manuel Zelaya als rechtmäßigen Staatschef des Landes anerkennen.

In Honduras haben die Putschisten unterdessen versucht, ihrem Schlag gegen die Demokratie den Anschein von Legalität zu geben. Der von der rechten Opposition beherrschte Kongreß in Tegucigalpa erklärte Zelaya für abgesetzt und bestimmte den bisherigen Parlamentspräsidenten Roberto Micheletti zum neuen »Übergangspräsidenten«. Dieser verhängte als erstes eine 48stündige Ausgangssperre. Bereits zuvor waren in weiten Teilen der Hauptstadt die Strom- und Telefonverbindungen gekappt worden, in den TV-Kabelnetzen wurden ausländische Kanäle wie TeleSur und Cubavisión Internacional, die ständig über die Situation in Honduras und die internationalen Reaktionen berichteten, abgeschaltet. Die Privatsender in dem zentralamerikanischen Staat, soweit sie noch zu empfangen waren, sendeten Zeichentrickfilme und verschwiegen die Situation im Land. Nur Radio Globo Honduras konnte von unbekanntem Ort aus sein Signal zumindest noch über Internet verbreiten, bis es offenbar gegen 18.30 Uhr Ortszeit von Soldaten besetzt wurde.

Trotzdem versammelten sich Augenzeugenberichten zufolge am Sonntag zwischen 15000 und 20000 Menschen in der Nähe des von Soldaten abgeriegelten Regierungspalastes im Zentrum von Tegucigalpa. Auch in der folgenden Nacht und am Montag morgen hielten die Proteste einer Meldung der kubanischen Agentur Prensa Latina zufolge an, womit die Demonstranten sich offen gegen die von den Putschisten verhängte Ausgangssperre stellten. In 500 Meter Entfernung vom Sitz des Präsidenten brannten Barrikaden, zahlreiche junge Mitglieder der Linkspartei Demokratische Vereinigung (UD) und anderer Organisationen hielten die wichtigsten Zufahrtsstraßen zu den Sammelplätzen der Demonstranten besetzt. Vertreter politischer und sozialer Organisationen bildeten noch am Sonntag eine Volkswiderstandsfront und riefen die Einwohner des Landes gemeinsam mit den Gewerkschaftsbünden sowie Bauern- und Studierendenorganisationen zu einem Generalstreik auf.

Während der Präsident der UN-Vollversammlung, Miguel D’Escoto, eine Sondersitzung der Vereinten Nationen für Montag einberief, traten die Staatschefs der Bolivarischen Alternative ALBA, deren Mitglied Honduras seit 2008 ist, bereits am Sonntag abend (28. Juni) in Managua zusammen. Auf Einladung des nicaraguanischen Präsidenten Daniel Ortega waren sowohl Manuel Zelaya als auch die Präsidenten von Venezuela, Hugo Chávez, von Ecuador, Rafael Correa, und von Bolivien, Evo Morales, vertreten. Kuba schickte Außenminister Bruno Rodríguez.

Zelaya kündigte an, daß er in dem Augenblick, an dem ALBA es für richtig halte, die Macht in Honduras wieder übernehmen werde, »denn ich habe jede moralische Autorität, jede Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, der OAS und jedes verfassungsmäßige Recht dazu«.

*** Aus: junge Welt, 30. Juni 2009


Putschisten isoliert

Proteste in Honduras halten an. Mindestens ein Demonstrant von Soldaten getötet. Staaten Lateinamerikas verteidigen abgesetzten Präsidenten Zelaya. Der kündigt Rückkehr an

Von André Scheer ****


Die Putschisten in Honduras gehen mit brutaler Gewalt gegen alle vor, die weiter gegen den Staatsstreich vom Sonntag protestieren. Gegenüber dem lateinamerikanischen Nachrichtensender TeleSur bestätigte der Dokumentarfilmer Angel Palacios am Montag (29. Juni) den Tod mindestens eines Demonstranten. Rosel Ulises Peña, ein Angestellter des Telekommunikationsunternehmens Hondutel, sei von einem Militärfahrzeug überrollt und getötet worden, als er versuchte, das Eindringen der Soldaten in die Einrichtungen des Unternehmens zu verhindern. In der Umgebung des Präsidentenpalastes gingen die Truppen gewaltsam gegen die Demonstranten vor, die eine Wiedereinsetzung des verfassungsmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya forderten. Als die Soldaten gegen eine Gruppe der Taxifahrergewerkschaft vorging, die sich dem Generalstreik gegen den Putsch angeschlossen haben, wurde ein Mensch durch Schüsse verletzt. Ärztliche Versorgung wurde ihm Augenzeugenberichten zufolge verweigert, statt dessen wurde der Verletzte zusammen mit anderen Verhafteten an einen unbekannten Ort gebracht.

Zelaya kündigte unterdessen an, er werde am Donnerstag (2. Juli) von Nicaragua aus in sein Land zurückkehren. Begleiten wird ihn der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza. Präsident Zelaya sprach zudem eine Einladung an alle Staatschefs der Region aus, ihn ebenfalls zu begleiten. »Der Präsident der Honduraner kehrt zurück, um seine Amtszeit als Präsident zu erfüllen. Ich kehre aus eigenem Entschluß unter dem Schutz Christi und des Volkes zurück. Ich kehre in mein Land zurück und werde die OAS bitten, mich zu begleiten, und ich akzeptiere das Angebot aller, die mich begleiten wollen, denn sie täten das auf Einladung des Staatschefs, es wäre also keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten«, erklärte Zelaya am Montag.

Der gegen ihn gerichtete Staatsstreich stelle einen Rückschritt in eine Zeit dar, in der Lateinamerika mit Gewalt regiert wurde. Die Putschisten versuchten, der großen Bevölkerungsmehrheit seines Landes den Zugang zu einer besseren Zukunft zu verweigern, so Zelaya weiter. »Wir dürfen nicht zulassen, daß die grobe Gewalt wieder über die Vernunft herrscht.«

Nachbarländer reagieren

Das Putschistenregime wird derweil international immer weiter isoliert. Brasiliens Präsident Lula da Silva erklärte, Lateinamerika dürfe nicht zulassen, daß im 21. Jahrhundert wieder ein demokratisch gewählter Präsident durch einen Militärputsch gestürzt werde. Zu den Ländern Lateinamerikas, die ihre Botschafter aus Honduras zurückgerufen haben, gehören Brasilien, Mexiko und Chile. Dabei haben es die Nachbarländer von Honduras nicht belassen. Guatemala, El Salvador und Nicaragua stellten sämtliche Handelsbeziehungen mit Honduras ein und schlossen die Grenzen zum Nachbarland. In einer von den Präsidenten Costa Ricas, El Salvadors, Guatemalas, Honduras, Panama, der Dominikanischen Republik, Belizes und Nicaraguas unterzeichneten Erklärung des Zentralamerikanischen Integrationssystems (SICA) wird u.a. festgelegt, daß alle Kredite und Auszahlungen der Zentralamerikanischen Bank an Honduras ausgesetzt und sämtliche politischen, wirtschaftlichen, finanzpolitischen, sportlichen und sonstigen Kontakte, die als Zusammenarbeit mit den Putschisten interpretiert werden könnten, abgesagt werden. Kein honduranischer Vertreter, der nicht vom rechtmäßigen Präsidenten akkreditiert wurde, darf an Zusammenkünften der SICA teilnehmen. Wenn die verfassungsmäßige Ordnung nicht wieder hergestellt werde, sollen diese Maßnahme schrittweise weiter verschärft werden, bis Manuel Zelaya wieder in sein Amt eingeführt wurde. Es werde keine Regierung anerkannt, die aus diesem Bruch mit der verfassungsmäßigen Ordnung in Honduras hervorgehe, betonten die Präsidenten.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez kündigte an, eine Sondersitzung des energiepolitischen Zusammenschlusses Petrocaribe einzuberufen, um sämtliche Öllieferungen an Honduras einzustellen. Mit Blick auf die für November geplanten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Honduras erklärte Chávez, diese könnten nicht anerkannt werden, wenn sie vor dem Hintergrund eines Staatsstreichs durchgeführt würden. Die Putschisten versuchten, Zeit zu gewinnen, aber eine Regierung, die aus von Putschisten kontrollierten Wahlen hervorgehe, könne nicht anerkannt werden.

Bei schönen Worten will es hingegen die US-Regierung belassen. Zwar verurteilte Außenministerin Hillary Clinton den Staatsstreich und forderte die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung in Honduras. Zugleich kündigte sie aber an, daß Washington nicht daran denke, die Wirtschaftshilfe für Honduras – also für die Putschisten – einzustellen, obwohl viele dieser Unterstützungsprogramme den Respekt demokratischer Normen zur Voraussetzung erklären.

Militärcoup gerechtfertigt

Für Empörung sorgte unterdessen ein Bericht, den die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung auf ihrer Homepage veröffentlichte. Unter der Überschrift »Zelaya – mehr Täter als Opfer« wird dort behauptet, die »trotzig-provokanten Reaktionen« Zelayas auf die Sabotage der für den vergangenen Sonntag geplanten Volksbefragung habe »dem Kongreß letztendlich keine andere Wahl (gelassen), sollte eine Rückkehr zu Rechtsstaat und zu Verfassungsmäßigkeit in Honduras garantiert werden«.

**** Aus: junge Welt, 1. Juli 2009


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