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Morde an der Tagesordnung

Honduras: Immer mehr Journalisten und Putschgegner werden Opfer von Todesschwadronen

Von Torge Löding, San José *

Mit Zynismus versuchen honduranische Behörden, die zunehmende politische Gewalt gegen Journalisten und Oppositionelle unter den Tisch zu kehren. In den vergangenen vier Monaten sind mindestens sieben Journalisten und zehn prominente Mitglieder der Nationalen Widerstandsfront (FNRP) gegen den Putsch vom 28. Juni 2009 auf offener Straße ermordet worden. Zuletzt fiel am 20. April der Fernsehjournalist Jorge Alberto Orellana tödlichen Schüssen in seiner Heimatstadt San Pedro Sula zum Opfer. Der Sicherheitsminister des aus einer Wahlfarce hervorgangenen Regimes von Porfirio Lobo, Oscar Álvarez, erklärte dazu, daß der Journalist Orellana einem gewöhnlichen Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sei und riet allen Medienvertretern »nach Einbruch der Dunkelheit besser aufzupassen«.

»Wir sind mit einer Situation wie zu den finsteren Zeiten der Militärdiktaturen in den 70er und 80er Jahren konfrontiert. Der Staat bedient sich finsterer Revolvermänner und Mörder, um politische Gegner einzuschüchtern und zu beseitigen«, sagte ein Aktivist der Gruppe »Los Necios« gegenüber junge Welt. Wie zahlreiche Aktivisten ist er zunächst in den Untergrund gegangen, agiert nun von einem anderen Land aus und möchte anonym bleiben.

Wie während der Diktaturen in Chile und Argentinien steht das plötzliche »Verschwinden« von politischen Aktivisten in Honduras heute auf der Tagesordnung. Am 20. April verhafteten Polizisten während einer Protestdemonstration gegen die Putschisten den Agronomieprofessor José Oscar Flores. Seither ist sein Aufenthaltsort unbekannt. Als zäher Unterstützer des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya hatte er im vergangenen Jahr wochenlang mit dem legitimen Staatschef in der braslianischen Botschaft in Tegucigalpa ausgeharrt.

Unter den politischen Mordopfern ist auch der bekannte Lehrer und Gewerkschafter José Manuel Flores Arguijo, der Ende März am hellichten Tagen in der Hauptstadt Tegucigalpa erschossen wurde, während er unterrichtete. Die Lehrergewerkschaft gehörte zu den aktivsten Gegnern des Putsches gegen Präsident Zelaya, monatelang hatte sie einen politischen Streik gegen den Staatsstreich aufrecht erhalten.

»Die Weltöffentlichkeit ist zur Tagesordnung übergegangen, während die Unterdrückung in Honduras erst richtig beginnt«, kritisierte Dunia Montaya vom Kommunikationszentrum COMUN gegenüber jW. Ein wahres Massaker drohe in der Region Bajo Agúan, wo sich der Konflikt zwischen Großgrundbesitzern und landlosen Bauern zuspitze: »Die Regierung hat 7000 Soldaten in die Region entsandt, um den Widerstand der Campesinos mit allen Mitteln zu brechen«, berichtete sie.

* Der Autor arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum Voces Nuestras.

Aus: junge Welt, 26. April 2010



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