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Regime der Straflosigkeit in Honduras

Juristin Dina Meza: EU-Unterstützung für die Regierung Porfirio Lobo muss gestoppt werden *


Die honduranische Rechtsanwältin Dina Meza erhielt im Dezember 2012 einen Preis von der Deutschen Botschaft für ihren unermüdlichen Einsatz für die Menschenrechte. Meza leitet das Internetnachrichtenforum »defensoresenlinea« sowie das Radioprogramm »Voces contra el Olvido« (Stimmen gegen das Vergessen) des renommierten Menschenrechtszentrums COFADEH. Mit ihr sprach für "neues deutschland" (nd) Kathrin Zeiske.


nd: Honduras gilt nach dem Putsch im Jahr 2009 auf dem internationalen Parkett als endgültig rehabilitiert. Frau Meza, teilen Sie diese Ansicht?

Dina Meza: Nein, auf keinen Fall. Diejenigen, die den Putsch durchgeführt haben, präsentieren sich heute lediglich mit weiß gewaschener Weste. Mit dem Abkommen von Cartagena konnte der weggeputschte Ex-Präsident Manuel »Mel« Zelaya im Sommer 2011 nach Honduras zurückkehren und das Land wurde wieder in die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) aufgenommen. Auch eine Staatsanwaltschaft für Menschenrechte wurde eingerichtet.

Doch all dies ist Teil einer Strategie, sich nach außen hin geläutert zu geben und die internationale Gemeinschaft glauben zu machen, sie hätte es mit einem demokratischen System zu tun. Honduras gilt mit dem Wiedereintritt in die OAS als rehabilitiert. Auch wenn das Regime keinerlei internationale Vorgaben erfüllt hat, die nach dem Putsch gestellt wurden. Niemand wurde bis heute für den Putsch verurteilt; die Ausführenden sitzen noch immer in den höchsten Positionen.

Die Menschenrechtslage ist desaströs. Es gibt eine wahre Strategie des Todes gegen Oppositionelle in unserem Land. Menschen werden gefoltert, sterben und verschwinden. Gleichzeitig werden Gesetze entworfen, mit deren Hilfe Kritiker kriminalisiert werden können und die die individuellen Rechte krass einschränken. So wird Unrecht legalisiert.

Um welche Gesetze handelt es sich dabei?

Es wurde ein Antiterrorismusgesetz und ein Abhörgesetz in Kraft gesetzt. Nach einer Polizeireform kann das Militär Polizeiaufgaben übernehmen und ist bei Hausdurchsuchungen und Festnahmen präsent. Damit wird das Land endgültig remilitarisiert. Sämtliche Errungenschaften werden zurückgenommen, die seit dem Ende der Militärdiktatur Anfang der 80er Jahre erkämpft worden sind.

Die Polizei selbst wird mit einem größeren Haushalt ausgestattet. Tatsächlich ist sie es, die Dissidenten verfolgt, bedroht, foltert und ermordet. Die Aggressoren können sich dabei einer absoluten Straflosigkeit sicher sein. Gerechtfertigt wird die Mittelvergabe mit der hohen Kriminalitätsrate in Honduras. Doch dieser wäre vielmehr durch Armutsbekämpfung beizukommen.

Nach 17 Jahren hat die honduranische Staatsanwältin für Menschenrechte, Sandra Ponce, ihr Amt niedergelegt. Sie begründete dies mit der Unmöglichkeit, unabhängig von der Polizei zu arbeiten. Sehen Sie die Staatsanwaltschaft oder das neue Menschenrechtsministerium als Alliierte?

Alle Institutionen, die Staatsanwaltschaft, die Gerichte, das Menschenrechtsministerium sind Teil einer Politik der Straflosigkeit. Es ist letztendlich egal, wer auf welchem Posten sitzt, denn alle sind den Weisungen von oben untergeben. Und die wichtigste Weisung lautet, dass Aggressoren gegen die Menschenrechte unbehelligt bleiben.

Wenn wir auf der Untersuchung eines Falles beharren, heißt es, wir haben keine personellen Kapazitäten, keine Autos, kein Benzin. Doch diejenigen, die für ihre eigenen Rechte und die Rechte anderer einstehen, werden unterdessen in Schnellverfahren abgeurteilt. Bei der Kriminalisierung der sozialen Bewegungen funktioniert der Staatsapparat auf einmal wie geschmiert.

Das sogenannte PASS-Projekt zur Reform des Polizei- und Justizapparats in Honduras wird von der Europäischen Union mit insgesamt 43 Millionen Euro finanziert. Wie kann kontrolliert werden, dass dieses Geld nicht in Repression und Kriminalisierung der Opposition fließt?

Dafür gibt es schlichtweg keine Garantien. Vielmehr ist davon auszugehen, dass von den EU-Geldern eine Logistik aufgebaut wird, mit denen die Menschen in Honduras unterdrückt werden. Solange das Regime mit finanzieller Hilfe aus dem Ausland unterstützt wird, kann es auch schwer aus dem Inneren heraus friedlich gestürzt werden. Das PASS-Projekt muss unbedingt gestoppt werden. Denn es unterstützt ein Regime der Straflosigkeit, der Repression und des Todes. Dies haben wir auf einem Treffen mit EU-Vertretern auch klar zur Sprache gebracht. Die Europäische Union stellt all ihren Verträgen mit anderen Ländern eine Menschenrechtsklausel voran. Diese Maßnahme sollte nicht zur Farce verkommen.

Hat sich die Situation der Menschenrechtsverteidiger mit dem Abkommen von Cartagena gebessert?

Nein, leider nicht. Und dies ist dramatisch. Denn wir sind es, die als Anwälte die horrende Zahl der Menschenrechtsverletzungen anzeigen und vor Gericht bringen. Der Staat ist dazu angehalten, uns zu schützen und unserer Arbeit nicht im Wege zu stehen. Nach dem Putsch wurden wir zwar oft beleidigt und bedroht, wenn wir Anzeigen stellten, doch erst unter dem Regime Porfirio Lobo ist es alltäglich geworden, dass Menschenrechtsverteidiger umgebracht werden. Ihre Fahrzeuge werden manipuliert und sie kommen in scheinbaren Unfällen ums Leben. Oder sie werden direkt von Paramilitärs und Auftragsmördern verfolgt. Dies sind Zustände, wie wir sie vorher nur aus dem militarisierten Kolumbien kannten.

Mitte Februar ereignete sich ein verheerender Brand im Gefängnis von Comayagua, bei dem 361 Menschen umkamen. Wie ist diese Tragödie in das Szenario einzuordnen, das Sie uns beschreiben?

Der Brand war ein geplanter Akt, ein Genozid gegen Gefangene. Soziale Säuberungen haben sich dergestalt auch schon im Jahr 2003 und 2004 in diesem Land ereignet. Doch die Empfehlungen, die die Interamerikanische Menschenrechtskommission damals ausgesprochen hat, wurden schlichtweg ignoriert. Dafür wurde Honduras kürzlich vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 3. April 2012


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