Landkonflikt in Honduras spitzt sich zu
Regierung entsendet 600 Soldaten und Polizisten in den Norden
Von Harald Neuber *
Seit dem Putsch gegen Präsident Manuel Zelaya im Juni 2009 nimmt die offene Repression in
Honduras zu. Auch die Wiederaufnahme des Landes in die Organisation Amerikanischer Staaten im
Juni 2011 hat nichts daran geändert, dass Paramilitärs unbehelligt ihr Unwesen treiben können.
Für das honduranische Menschenrechtskomitee ist die Sachlage klar: Im Aguán-Tal treibt eine von
Großgrundbesitzern finanzierte Todesschwadron ihr Unwesen. Geleitet werde sie von früheren
Militärs. Alleine in den vergangenen zwei Wochen sind bei Landkonflikten mindestens 14 Personen
ums Leben gekommen.
Die inzwischen von der Organisation Amerikanischer Staaten anerkannte Regierung unter Führung
des rechtsgerichteten Staatschefs Porfirio Lobo hat einen anderen Blick auf den Konflikt in der
Krisenregion Bajo Aguán im Norden des mittelamerikanischen Landes. 600 Soldaten und Polizisten
wurden dorthin verlegt, um für Ruhe zu sorgen. Beobachter bezweifeln, dass die Truppe den Konflikt
lösen wird. Schon in der Vergangenheit hatten Menschenrechtsgruppen eine enge Zusammenarbeit
zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und privaten Milizen von Großgrundbesitzern beklagt.
Für Aufsehen sorgte zuletzt vor allem der Mord an Pedro Salgado, Vizepräsident der
Landarbeiterorganisation MUCA, die in der Krisenregion rund 2800 Familien organisiert. Die MUCA
hat derzeit rund 4000 Hektar Land auf sieben Fincas besetzt und fordert eine Verteilung des Bodens
an bedürftige Bauernfamilien. Nach Angaben des MUCA-Vorsitzenden Johnny Rivas sind im Norden
von Honduras rund 40 000 Menschen auf eigenes Ackerland angewiesen. Dass sich der Konflikt
zuspitzt, liegt nicht nur an der Ungleichverteilung des Bodens, sondern auch an neuen
Verdienstmöglichkeiten für die Großgrundbesitzer. Sie wittern große Geschäfte durch den
extensiven Anbau von Ölpalmen für die Produktion von Agrartreibstoffen.
Auch Pedro Almendárez sieht eine Lösung durch die neuen Monokulturen erschwert. Der Konflikt
lasse sich daher nicht durch eine weitere Militarisierung der Region lösen, sagt der ehemalige
Rektor der nationalen Autonomen Universität von Honduras. Stattdessen müssten die landlosen
Bauernfamilien »Ackerboden, technische Unterstützung und Kredite bekommen, um das Land
bestellen zu können«, sagte Almendárez gegenüber der spanischen Nachrichtenagentur EFE. Der
Landkonflikt in Honduras, gibt er zu bedenken, habe schließlich schon eine mindestens 30-jährige
Geschichte.
Dabei war eine Lösung schon einmal zum Greifen nahe. Unter dem letzten demokratisch gewählten
Präsidenten des mittelamerikanischen Landes, Manuel Zelaya, sollten die Kleinbauern im Rahmen
einer Agrarreform eigenes Land zugeteilt bekommen. Der Ende Juni 2009 durch einen Putsch
gestürzte Linksliberale plante überdies, ein »Agrarmodernisierungsgesetz« aus der Zeit der
Regierung von Rafael Callejas (1990-1994) rückgängig zu machen. »Das Gesetz ebnete den Weg
zur massiven Konzentration großer Landflächen«, sagt auch MUCA-Chef Rivas. Seither hätten sch
die Verteilungskämpfe verschärft.
Vor diesem Hintergrund sehen Landarbeiterorganisationen und Beobachter die geplante
Militarisierung der Region Bajo Aguán mit großer Sorge. Offiziell sollen die Einsatzkräfte für eine
allgemeine Entwaffnung aller Konfliktparteien sorgen. Aus den Reihen der Polizei wurde jedoch
bekannt, dass auch eine wenn nötig gewaltsame Räumung besetzter Fincas geplant wird. Offenbar
gehe es bei der Operation darum, die Leitung der erstarkten Bauernbewegung zu schwächen,
vermutet Almendárez. Immerhin: Einer der führenden Großgrundbesitzer, Miguel Facussé, war nicht
nur ein Befürworter des Putsches gegen Manuel Zelaya, er ist auch ein enger Vertrauter des
amtierenden Präsidenten Porfirio Lobo.
Begleitet werden die Militär- und Polizeiaktionen im honduranischen Norden von einer
Verleumdungskampagne regierungsnaher Privatmedien. Die Landarbeiter in der Region Bajo Aguán
seien, so schreiben sie, von bewaffneten Agenten aus Nicaragua und Venezuela unterwandert.
* Aus: Neues Deutschland, 31. August 2011
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