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Wasserkraftwerk mit repressiven Mitteln

Honduras Militär und Polizei geht gegen indigene Aktivisten vor

Von Jutta Blume *

Seit dem Putsch in Honduras gegen Präsident Manuel Zelaya im Juni 2009 wird die Repression gegen soziale Bewegungen verschärft. Derzeit im Visier: die bekannte indigene Aktivistin Berta Cáceres Flores. Ihr soll wegen angeblichen Waffenbesitzes der Prozess gemacht werden.

In einer gemeinsamen Aktion von Militär und Polizei ist die indigene Aktivistin Berta Cáceres Flores, Koordinatorin des Zivilen Rats der Volks- und indigenen Organisationen von Honduras (COPINH) am 24. Mai gemeinsam mit ihrem Kollegen Tomás Gómez Membreño verhaftet worden. Während Gómez am selben Tag wieder freigelassen wurde, musste Cáceres die Nacht im Gefängnis verbringen und wurde nur unter Auflagen entlassen. Die beiden wurden von etwa 20 Militärs gestoppt, als sie mit dem Auto zu einer Versammlung von COPINH unterwegs waren. Bei der Durchsuchung des Fahrzeugs wurde den beiden offenbar eine Waffe untergeschoben, nun steht Cáceres ein Gerichtsverfahren wegen illegalen Waffenbesitzes bevor.

Bis auf weiteres ist die COPINH-Koordinatorin verpflichtet, sich wöchentlich bei der Polizei zu melden, außerdem ist ihr untersagt, das Land zu verlassen. Cáceres ist international für ihre Arbeit anerkannt, hat politische Reisen nach Europa gemacht und nimmt immer wieder an indigenen Treffen in den Nachbarländern teil, die Auflagen stellen daher auch eine politische Einschränkung dar. Die Trägerin des Shalompreises der Universität Eichstätt glaubt, dass sie diskreditiert werden soll. »Mit den Anschuldigungen sollen wir als gewaltbereite Personen dargestellt werden«, so Cáceres.

COPINH kritisiert die Rolle des Militärs. »Für Cáceres Verteidiger, Marcelino Martínez, ist dieses Ereignis Teil einer wiederkehrenden Praxis in Honduras, bei der Elemente des Militärs dazu ausgebildet werden, die Zivilbevölkerung als Feind anzusehen. Sie werden autorisiert, Polizeiaufgaben wahrzunehmen«, heißt es in einer Erklärung von COPINH. Aber nicht nur die Rolle von Polizei und Militär erfährt in Honduras keine klare Trennung mehr, auch private Unternehmen spielen bei Militär- und Polizeieinsätzen immer wieder eine Rolle. Nachdem Cáceres und Gómez angehalten worden waren, kamen Polizisten hinzu, die in Autos der Firmen unterwegs waren, die in der Region ein umstrittenes Wasserkraftwerk bauen wollen.

Die Verhaftung der COPINH-Mitglieder steht vermutlich in engem Zusammenhang mit den Protesten gegen das Wasserkraftwerk »Agua Zarca« am Fluss Gualcarque. Mitglieder von COPINH blockieren seit Anfang April mit einer Straßensperre den Zugang zur Baustelle. Das Projekt würde die Umwelt schädigen, einen spirituellen Ort der Lenca unzugänglich machen und zu Vertreibungen führen, meint Cáceres. Die anliegenden Dörfer wurden bei dem Projekt nicht konsultiert, wie es die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation vorsieht. Trotzdem haben die Unternehmen mit den Bauarbeiten begonnen und werden dabei von Militärkräften unterstützt. So wurden auf dem Logistikgelände der Firmen Soldaten stationiert, es gab wiederholte Versuche, die Straßenblockade zu räumen. Auch anderenorts gehen Polizei und Militär mit zunehmender Gewalt gegen die Aktivitäten von im COPINH organisierten Lenca-Gemeinden vor. So fand am 23. Mai eine gewaltsame Räumung im Verwaltungsbezirk Santa Barbara statt, bei der fünf Personen verhaftet und mehrere verletzt wurden.

COPINH bittet angesichts des am 13. Juni beginnenden Gerichtsverfahrens gegen Cáceres sowie der Repression weiterhin um internationale Aufmerksamkeit und Solidarität. Dieser habe sie zu verdanken, dass sie sich unter Auflagen frei bewegen könne, glaubt Cáceres.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 4. Juni 2013


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