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Honduras: Kein Ende der Krise

Repression fordert wieder Todesopfer. Gewerkschaften brechen Verhandlungen ab

Von Darius Ossami *

Die Gewerkschaften in Honduras haben am Freitag (Ortszeit) die Verhandlungen mit Staatschef Porfirio Lobo für gescheitert erklärt, nachdem die Regierung sich weiterhin weigert, einen neuen Mindestlohn festzusetzen, der den tatsächlichen Lebenshaltungskosten entspricht. Während die Gewerkschaften eine Erhöhung des Mindestlohns um 15 Prozent fordern, will das Regime nur einen »Ausgleichsgutschein« einführen. Ein solcher sei jedoch im Gesetz nicht vorgesehen und könne deshalb die Krise nicht lösen, erklärte José Luis Baquedano vom Gewerkschaftsbund CUTH gegenüber der kubanischen Agentur Prensa Latina. Der Vorschlag erinnere an das Zeitalter der »Bananenrepublik«, als die Arbeiter von den Großgrundbesitzern nur Gutscheine erhielten, mit denen sie Waren lediglich in den Verkaufsstellen des eigenen Unternehmens erwerben konnten, so Baquedano.

Damit ist weiterhin kein Ende der innenpolitischen Krise in Honduras in Sicht, die im vergangenen Jahr mit dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Manuel Zelaya ihren Anfang genommen hatte. Schon in der vergangenen Woche war die Lage eskaliert, als Polizei und Militär massiv gegen eine Großdemonstration der Widerstandsbewegung aus Anlaß des Jahrestags der Unabhängigkeit des zentralamerikanischen Landes vorgegangen waren, an der in der zweitgrößten honduranischen Stadt San Pedro Sula Zehntausende Menschen teilgenommen hatten. Dieses Mal habe »die Polizei die Tränengasgranaten nicht in die Luft abgefeuert, sondern direkt auf die Körper der Demonstranten«, berichtete ein Journalist von Radio Progreso vor Ort. Dabei wurden ein Mann getötet und mehr als 30 Menschen verhaftet, wie das Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte in Honduras CODEH mitteilte. Der 66jährige Losverkäufer Efraín Hernández sei durch den Tränengaseinsatz gegen die Teilnehmer der Demonstration erstickt, sagte der CODEH-Vorsitzende Andrés Pavón. Drei Demonstranten wurden schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert.

Die Widerstandsbewegung hatte den Nationalfeiertag am 15. September dazu genutzt, landesweit Demonstrationen für »eine zweite und wirkliche Unabhängigkeit« durchzuführen. Die Nationale Volkswiderstandsfront FNRP sieht die seit Januar 2010 amtierende Regierung von Porfirio Lobo als Fortsetzung des Staatsstreichs vom 28. Juni 2009 an. Daher hatte das Bündnis am 20. April begonnen, Unterschriften für die Forderung nach einer verfassunggebenden Versammlung und die Rückkehr des von ihr nach wie vor als legitimer Staatspräsident betrachteten Zelaya nach Honduras zu sammeln. Bis zum 15. September hatte sie unter den knapp acht Millionen Einwohnern des Landes bereits mehr als 1,3 Millionen Unterschriften gesammelt, wie FNRP-Koordinator Juan Barahona am Wochenende bei einer Pressekonferenz erklärte. Sein Kollege Rasel Tomé erklärte zu diesem Ergebnis: »Das Volk hat gesprochen. Es fordert Gerechtigkeit und Veränderungen«.

Ebenfalls am Nationalfeiertag wurde der Journalist Luis Galdamez vom oppositionellen Rundfunksender Radio Globo vor seiner Haustür in der Hauptstadt Tegucigalpa angeschossen. »Hier gibt es weder Gerechtigkeit noch Sicherheit«, reagierte Galdamez darauf. »Ich teile die Meinung, daß dieses Land für Journalisten zu einem der gefährlichsten weltweit geworden ist, nachdem in diesem Jahr bereits neun Journalisten getötet wurden.« Am Freitag schließlich fiel die Gewerkschaftsführerin Juana Bustillo in San Pedro Sula einem Mordanschlag zum Opfer.

* Aus: junge Welt, 20. September 2010


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