Epochenwandel forcieren
"Forum von Sao Paulo" solidarisiert sich mit dem Widerstand in Honduras
Von André Scheer *
Mit einem Aufruf zur Solidarität mit dem Widerstand in Honduras und der
Ankündigung eines kontinentalen Gipfeltreffens der amerikanischen Linken
im kommenden Jahr ist am Sonntag in Mexiko das diesjährige Treffen des
»Forums von Sao Paulo« zu Ende gegangen. Drei Tage lang hatten 520
Delegierte aus 32 Ländern, die 62 linke Parteien und Bewegungen
Lateinamerikas vertraten, über die aktuellen Herausforderungen beraten.
Neben dem Putsch in Honduras waren das vor allem die Pläne der USA, in
Kolumbien sieben Militärstützpunkte einzurichten, sowie die Auswirkungen
der Wirtschaftskrise auf die Region.
In einem Abschlußdokument betonten die versammelten Organisationen, daß
die im vergangenen Jahr ausgebrochene Wirtschaftskrise das Scheitern des
neoliberalen Modells widerspiegele und warnten davor, daß im Zuge dieser
Krise nun die von der UNO proklamierten Millenniumsziele endgültig über
Bord geworfen werden und so die bislang in Lateinamerika erreichten
Erfolge bei der Bekämpfung der Armut wieder in Gefahr gerieten.
Saúl Escobar von der gastgebenden mexikanischen Mitte-Links-Partei PRD
betonte, Lateinamerika erlebe derzeit nicht nur eine »Epoche des
Wandels«, sondern auch Wandel der Epoche, in der nun die Schaffung einer
neuen Weltwirtschaftsordnung auf der Tagesordnung stehe.
Die aus Honduras nach Mexiko gereiste Parlamentsabgeordnete Silvia Ayala
von der Linkspartei UD informierte vor den Delegierten über die Lage in
ihrem Heimatland fast zwei Monate nach dem gewaltsamen Sturz des
rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya. Mit den Putschisten gäbe es
nichts zu verhandeln, es könne nur darum gehen, sie anzuklagen, forderte
die Abgeordnete. »Unser Volk hat bereits die Erwartungen des
Widerstandes übertroffen und nicht erlaubt, daß sich das De-Facto-Regime
stabilisiert, und es wird dies auch nicht erlauben«, betonte Ayala und
bat die versammelten Organisationen um Unterstützung für eine Initiative
der PRD-Politikerin und Vizepräsidentin des mexikanischen Senats,
Yeidckol Polenvsky, die mit einer gemeinsamen Klage der
lateinamerikanischen Parlamentsabgeordneten das Putschisten-Regime in
Honduras vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bringen
will. »Die Putschisten müssen dort wegen der Verbrechen gegen die
Menschlichkeit während ihrer falschen Regierung angeklagt und verurteilt
werden«, unterstrich Ayala.
Honduras sei das Opfer des Putsches geworden, weil Washington es für das
schwächste Kettenglied der Bolivarischen Allianz ALBA gehalten habe,
erklärte der Vizechef der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas
(PSUV), Aristóbulo Isturiz. Die US-Administration wolle nicht zulassen,
daß die Völker Lateinamerikas auf dem Weg ihrer Emanzipation weiter
vorankommen, sagte der frühere Bildungsminister der venezolanischen
Regierung und warnte, Washington wolle einen Krieg zwischen seinem Land
und Kolumbien provozieren. Der eigentliche Grund für die geplante
Errichtung von Militärbasen im Nachbarland seien die in der
Orinoco-Region seines Landes vermuteten Erdölreserven, die sich
Washington aneignen wolle.
Erstmals in der fast zwanzigjährigen Geschichte des Forums fand parallel
ein Jugendtreffen statt, bei dem Vertreter aus zehn Ländern der Region
die besondere Sichtweise der Jugend auf die Probleme Lateinamerikas
beleuchteten. Insbesondere forderten die Jugendlichen die linken
Parteien und Bewegungen der Region auf, ein größeres Augenmerk auf die
Bildung zu legen und diese durch die Einrichtung von eigenen
Parteischulen auch selbst zu betreiben. Der Kapitalismus habe erreicht,
daß viele arme Menschen sich mit ihrer Lage abgefunden hätten und das
herrschende System akzeptieren und rechtfertigen würden. Deshalb müsse
die Linke konkrete Vorschläge machen und immer vom Interesse der
Gesellschaft ausgehen. »Wir müssen für die Integration des Kontinents
kämpfen, dies ist der Zeitpunkt, an dem sich Lateinamerika weiter
vereinen muß«, betonten die Jugendlichen.
* Aus: junge Welt, 25. August 2009
OAS-Delegation trifft sich in Honduras
Amerikanische Diplomaten für Rückkehr zur Demokratie
Von Harald Neuber **
Die gestern in Honduras eingetroffenen Außenminister amerikanischer Staaten setzen sich für die
Rückkehr des Landes zur Demokratie ein. Am Wochenende hatte eine Abordnung der
Interamerikanischen Menschenrechtsorganisation (CIDH) nach einer fünftägigen Visite schwere
Menschenrechtsverletzungen bestätigt.
Außenminister aus sieben Staaten des amerikanischen Kontinents sind am Montag (24. Aug.) in der
honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa eingetroffen, um den Weg zu einer Rückkehr des
mittelamerikanischen Landes zur Demokratie zu ebnen. Der Mission der Organisation
Amerikanischer Staaten (OAS) gehören die Chefdiplomaten aus Argentinien, Costa Rica, der
Dominikanischen Republik, Jamaika, Kanada, Mexiko und Panama an. Auch OAS-Generalsekretär
José Miguel Insulza wird teilnehmen – was bis zuletzt noch unklar war. Nach dem Staatsstreich
gegen den gewählten honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya am 28. Juni war das
Putschistenregime aus der OAS ausgeschlossen worden. Der neue Machthaber Roberto Micheletti
hatte sich daraufhin einen harten verbalen Schlagabtausch mit dem Chilenen Insulza geliefert.
Laut einer Erklärung der OAS vom vergangenen Freitag (21. Aug.) wollen die Kommissionsmitglieder in den
kommenden Tagen nicht nur mit Repräsentanten des Micheletti-Regimes zusammenkommen.
Geplant sind auch Treffen mit Vertretern sozialer Gruppierungen. Juan Barahona, der Koordinator
der »Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatsstreich«, einem Zusammenschluss von rund 100
demokratischen Organisationen, bestätigte eine geplante Unterredung mit den OAS-Vertretern.
Die Mission der Regionalorganisation folgt unmittelbar auf eine fünftägige Visite der
Interamerikanischen Menschenrechtsorganisation (CIDH). Dieses Gremium war in der vergangenen
Woche zahlreichen Anklagen über schwere und zunehmende Menschenrechtsverletzungen
nachgegangen. In einem vorläufigen Abschlussbericht, der am Freitag in Tegucigalpa vorgestellt
wurde, bestätigten die CIDH-Mitglieder diese Vorwürfe.
Seit dem Putsch gegen den rechtmäßigen Staatschef Manuel Zelaya sei es zu »willkürlichen
Festnahmen« und »grausamen, unmenschlichen und entwürdigenden Übergriffen« auf Aktivisten
der Demokratiebewegung gekommen, heißt es in dem Dokument der multistaatlichen
Menschenrechtsorganisation, die zudem von »hunderten Verletzten und tausenden Festnahmen«
spricht. Besonders beunruhigt zeigten sich die CIDH-Mitglieder über die zunehmende Beteiligung
der Armee am gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstranten.
Dennoch hält die Demokratiebewegung ihre Proteste aufrecht. Am Samstag (22. Aug.) beschloss die
Generalversammlung der »Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatsstreich« sogar eine
Ausweitung der Demonstrationen in dieser Woche. Die Demokratiebewegung will offenbar die
Präsenz der OAS-Außenminister nutzen, um das Regime des ehemaligen Parlamentspräsidenten
Roberto Micheletti weiter in die Ecke zu drängen.
Dies scheint auch zu gelingen. Am Samstag (22. Aug.) sagte der Sprecher des Putschistenregimes, César
Cáceres, eine anberaumte Pressekonferenz zu dem bevorstehenden Besuch der Außenminister
kurzfristig ab. Auch sonst hüllen sich die Machthaber in Schweigen. Als eine dreiköpfige Delegation
der Putschisten am vergangenen Montag von Beratungen mit der USA-Regierung aus Washington
zurückkehrte, wurden ebenfalls keine Ergebnisse verkündet. Der internationale Druck, so scheint es,
zeigt Wirkung.
** Aus: Neues Deutschland, 25. August 2009
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