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"Lobos Antwort auf Widerstand ist Repression"

Putschpräsident in Honduras von EU anerkannt – trotz Menschenrechtsverletzungen. Ein Gespräch mit Bertha Oliva

Bertha Oliva ist Koordinatorin der Menschenrechtsorganisation COFADEH (Komitee der Angehörigen von verschwundenen Verhafteten in Honduras). Sie ist Mitglied einer Delegation, die auf Einladung verschiedener Nichtregierungsorganisationen durch Europa reist.



Von Johannes Schulten *

Sie sind Mitglied einer Delegation aus Honduras, die durch Europa reist. Was ist Ihr Anliegen?

Wir wollen über Menschenrechtsverletzungen in Honduras informieren. Dazu kamen wir unter anderem mit Vertretern des Europäi­schen Parlaments zusammen. In den Gesprächen ging es natürlich auch um die Frage, wie sich Brüssel gegenüber der seit etwa einem Monat amtierenden Regierung um Porfirio Lobo verhält. Man hat uns unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß die EU das Regime über kurz oder lang anerkennen wird. Das kritisieren wir aufs schärfste, aber es überrascht uns auch nicht. Gleichzeitig wurde jedoch die Bereitschaft signalisiert, die Regierung Lobo zukünftig stärker zur Einhaltung der Menschenrechte zu drängen. Wir sind ohne Illusion zu den Gesprächen gekommen, insofern sind wir relativ zufrieden.

Die spanische Regierung hat bereits Mitte Februar das Regime in Tegucigalpa anerkannt ...

Das ist eine Schande. Damit hat Madrid klargestellt, daß ihm Freihandelsinteressen wichtiger sind als Menschenrechte. Spanien, das momentan die EU-Ratspräsidentschaft innehat, spielt die führende Rolle bei den laufenden Freihandelsverhandlungen zwischen Brüssel und Zentralamerika. Diese waren nach dem Putsch in Honduras vom 29. November bis auf weiteres auf Eis gelegt worden, doch inzwischen wurden die offiziellen Gespräche wieder aufgenommen. Die Anerkennung durch Spanien ist eine wichtige Voraussetzung für einen Abschluß. Die Entscheidung ist eine klare Botschaft an die Putschisten, daß das, was in Honduras geschehen ist, international nicht geahndet wird.

Sie haben auch Mitglieder der deutschen Regierung getroffen. Worum ging es bei den Gesprächen?

Das Auswärtige Amt hatte uns zu einem Treffen mit dem Beauftragten für Lateinamerika eingeladen. Er war sehr gut über die Lage in Honduras informiert. Doch wir hatten den Eindruck, daß auch Berlin dem Beispiel aus Madrid folgen will und die Regierung Lobo anerkennen wird.

Honduras ist weitgehend aus der aktuellen Medienberichterstattung verschwunden. Man könnte den Eindruck gewinnen, das Land habe sich mit der neuen Regierung abgefunden.

Jeder, der behauptet, daß die Opposition mit dem Amtsantritt von Lobo den Rückhalt in der Bevölkerung verloren hat, lügt. Das Gegenteil ist der Fall: Der Widerstand gegen das Regime geht nicht nur weiter, sondern wird nach wie vor vom größten Teil der Bevölkerung unterstützt. Zwei Ereignisse innerhalb der letzten Wochen belegen das eindrucksvoll. Am 27.Januar, dem Tag der Amtseinführung von Lobo, gingen 80000 Menschen auf die Straße, um ihre Ablehnung der Regierung zu demonstrieren. Und am 25.Februar folgte fast die gleiche Anzahl an Menschen dem Aufruf der Lehrergewerkschaft und demonstrierte in Tegucigalpa für die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung.

Wie reagiert die Regierung?

Die Antwort auf den Widerstand ist Repression. Diese hat sich sogar verschärft, und es handelt sich nicht um Einzelfälle. Die Opposi­tionsbewegung ist mit gezielten und systematischen Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung und deren Sicherheitsapparate konfrontiert. In nur einem Monat unter Lobo sind nachweisbar fünf politische Aktivisten ermordet worden. Außerdem wurden zwei Bauern bei anscheinend inszenierten Autounfällen getötet. Darüber hinaus haben wir etwas mehr als 200 Menschenrechtsverletzungen registriert. Die reichen von Zwangsräumungen in Gebäuden oppositioneller Organisationen über Ausbürgerungen und Festnahmen politischer Aktivisten bis zu Fällen schwerer Folter. Das von den Medien transportierte Bild eines sich normalisierenden Honduras’ ist einfach nicht wahr. Und deshalb darf es nicht hingenommen werden, daß es Länder gibt, die Honduras als demokratischen Staat anerkennen.

* Aus: junge Welt, 6. März 2010


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