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Honduras dubioser Präsident Lobo zählt auf Deutschlands Hilfe

Berlin hält trotz massiver Menschenrechtsverletzungen an Entwicklungszusammenarbeit fest

Von Kathrin Zeiske, Tegucigalpa *

Ein Jahr nach dem umstrittenen Amtsantritt von Porfirio Lobo als Präsident von Honduras, besuchte Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär des Bundesentwicklungsministeriums, das Land. Ziel der bilateralen Regierungsverhandlungen war die Festlegung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit bis 2012.

Deutschland hat kein Problem mit der De-facto-Regierung von Honduras, die aus dubiosen Wahlen nach dem Putsch Ende Juni 2009 gegen den Staatspräsidenten Manuel Zelaya hervorging und im Januar 2010 die Amtsgeschäfte aufnahm. Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hielt die Regierung Porfirio Lobos zwar öffentlich dazu an, mehr Gewicht auf die Verteidigung der Menschenrechte zu legen. Gleichzeitig betonte er bei seiner Honduras-Visite aber auch, dass Deutschland die Lobo-Administration unterstütze und sein Besuch als ein »internationales Signal« für andere Länder zu werten sei. Im Gegensatz zu den EU-Staaten lehnt die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) eine Anerkennung Lobos weiterhin ab.

»Unsere Präsenz in Honduras ist rein entwicklungspolitischer Natur«, betont Karl-Heinz Rode, deutscher Botschafter in Tegucigalpa. Schon wenige Tage nach dem Amtsantritt Lobos hatten die im Land vertretenen EU-Länder stillschweigend die diplomatische und technische Zusammenarbeit wieder aufgenommen. Zahl und Brutalität der Menschenrechtsverletzungen gäben zu denken; doch die persönlichen Beziehungen zu Porfirio Lobo beschreibt Rode als »unproblematisch«. »Dieses Land ist so sehr von ausländischer Hilfe abhängig, die nach dem Putsch in ihrer Gesamtheit eingefroren wurde. Rund 63 Prozent der Bevölkerung von Honduras leben jedoch in Armut. So viele Menschen kann man nicht einfach alleine lassen.«

Edgar Soriano vom Internationalen Komitee der honduranischen Demokratiebewegung ist da anderer Meinung: »Die Armen in Honduras sind im Widerstand organisiert; denn sie wollen keine Almosen mehr. Die soziale Schere im Land ist nicht durch Entwicklungshilfe zu kitten. Die Einkommensunterschiede sind so extrem, dass es eine politische Umwälzung braucht. Diese wurde aber durch den Putsch vereitelt. Nur eine politische Partizipation der marginalisierten Mehrheit der Bevölkerung kann die sozialen Verhältnisse wirklich verändern.«

Auch wenn die von über 60 zivilgesellschaftlichen Gruppen gegründete Demokratiebewegung kaum mehr mit Massendemonstrationen auf der Straße präsent ist, nimmt die Organisierung in den Armenvierteln und auf dem Land eher zu als ab. Diesen Monat sollen 582 Delegierte gewählt werden, um eine vertikale Entscheidungsstruktur innerhalb der Bewegung zu garantieren.

»In Deutschland glaubt man vielleicht Lobos Rhetorik der Versöhnung«, mutmaßt Rasel Tomé, Vorsitzender der »Liberalen im Widerstand«, die sich nach dem Putsch ebenfalls der Demokratiebewegung angeschlossen haben. »Mit seiner Präsidentschaft wurden die durch den Putsch etablierten Machtverhältnisse jedoch nachträglich legalisiert. Die europäischen Staaten stabilisieren das System mit ihrer Entwicklungshilfe und machen sich zu Komplizen der Putschisten.« Laut der zivilgesellschaftlichen Menschenrechtsplattform von Honduras gab es seit dem Amtsantritt Lobos rund 200 politische Morde, in keinem Fall ist es bisher zur Anklage gekommen. »Viele Menschen sind noch im Exil, auch in Europa«, schließt Tomé.

Eine juristische Strafverfolgung der Menschenrechtsverletzungen nach dem Putsch steht noch aus. Doch laut Staatssekretär Beerfeltz gilt es für Honduras nun, »den Blick nicht nach hinten, sondern nach vorne zu wenden«.

Die Haltung des FDP-geführten BMZ verwundert nicht. Die in Honduras ansässige Friedrich-Naumann-Stiftung beschreibt den Putsch bis heute knapp als »Exilierung des Präsidenten«; Regionaldirektor Christian Lüth sprach dem Regime im nationalen Fernsehen seine moralische Unterstützung aus. Staatssekretär Beerfeltz selbst war über viele Jahre im Weltvorstand der Liberalen Internationalen (LI) aktiv, die im Oktober 2009 ausgerechnet den honduranischen Putschpräsidenten Roberto Micheletti zum Vizepräsidenten wählten.

Der De-facto-Regierung Lobo sagte Beerfeltz nun Gelder in Höhe von insgesamt 47 Millionen Euro zu. Wie gewichtig deutsche Entwicklungshilfe für Honduras ist, kann man jedes Jahr am 3. Oktober in den honduranischen Tageszeitungen bestaunen. Dort werden die deutschen Kooperationsinstitutionen in Großanzeigen zum Tag der Einheit beglück-wünscht. »Lobo dürfte sich angesichts der finanziellen Zuwendung glücklich schätzen, da diese ja auch fehlende staatliche Sozialprogramme ersetzt«, konstatiert Jesús Garza vom zivilgesellschaft-lichen Aktionsbündnis (CHAAK).

In der besonders auf dem Land sehr angespannten Lage, sollte Lobo die Hoffnung haben, dass Hilfsprojekte zur Befriedung der Bevölkerung beitragen. »Bisher werden Landkonflikte in Bajo Aguán und Zacate Grande mit militärischer Härte unterdrückt. Soziale Kämpfe gegen hydroelektrische Megaprojekte formieren sich nun auch in anderen Landesteilen.« Die honduranische Bevölkerung dürfte angesichts dessen gerade wenig Gelegenheit haben, sich mit Beerfeltz über die »honduranische Unterstützung für die Bewerbung Münchens für die Olympischen Winterspiele 2018 zu freuen«.

* Aus: Neues Deutschland, 1. Februar 2011


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