"Der Staatsstreich hat die Leute aufgeweckt"
Die legitime Regierung von Honduras hofft auf weitere Sanktionen gegen das Putschregime. Ein Gespräch mit Aristides Mejía *
Aristides Mejía ist legitimer Vizepräsident von Honduras. Er hält
sich zur Zeit in der BRD zu Gesprächen mit der Linksfraktion im
Bundestag sowie mit der Bundesregierung auf.
Seit dem Staatsstreich vom 28. Juni sind mehr als zwei Monate vergangen.
Wie ist die Situation im Lande? Auf wen stützt sich das Regime?
Laut uns vorliegenden Umfragen erkennt die Mehrheit der Bevölkerung von
Honduras allein den gewählten Manuel Zelaya als Präsidenten an. Nur
zwischen zehn und 20 Prozent unterstützen die De-facto-Regierung um
Roberto Micheletti. Allerdings haben die Putschisten eine Stimmung der
Angst erzeugt - Angst davor, daß der Einzug eines an Venezuela
orientierten Systems vor der Tür steht. Dadurch haben sie die
Unterstützung von einigen reichen Schichten des Landes bekommen. Auch
Teile der Mittelklasse fallen darauf herein.
Kann die Opposition ihren Protest gegen den Putsch durchhalten?
Das Erstaunliche ist, daß sie auch zwei Monate danach immer mehr
Anhänger gewinnt. Mir scheint, daß der Widerstand um so stärker wird, je
länger die Regierung den Willen der Bevölkerung ignoriert. Sollte es am
29. November tatsächlich zu Wahlen kommen, wird sich die Mehrheit der
Honduraner mit ziemlicher Sicherheit enthalten. Es könnte sein, daß der
Anteil der Nichtwähler über 80 Prozent liegen wird. Keine Regierung, die
unter solchen Bedingungen ins Amt kommt, hat eine Legitimationsbasis.
Wir denken, daß der Putsch zumindest eines nachhaltig verändert hat: Er
hat die Leute aufgeweckt. Sie wissen jetzt, wer in diesem Land die Macht
hat und welche Gruppen den Putsch unterstützt haben.
Wie sollten sich die anderen Länder jetzt gegenüber Honduras verhalten?
Wir bitten darum, daß sie ihre Sanktionspolitik fortsetzen und das
Regime weiter isolieren. Ich denke, es hat drei Schwachstellen: Die
schwache Wirtschaft sowie den Verlust an Glaubwürdigkeit im Inland sowie
im Ausland.
Hinzu kommt, daß die Putschisten keine homogene Gruppe sind - es gibt
diverse Fraktionen, die von Teilen des Unternehmerlagers, vom Militär
und den beiden großen Parteien getragen werden. Sanktionen sollten also
genau diese Fraktionen treffen. Ein Beispiel dafür ist, daß die USA zur
Zeit keine Visa mehr an Honduraner ausgeben. Diese Maßnahme trifft große
Teile der Putschkoalition empfindlich - zu ihr gehören nämlich die fünf
oder sechs reichsten Familien des Landes. Für sie ist es extrem wichtig,
regelmäßig in die USA zu reisen, weil sich ihre Bankkonten und
Geschäftspartner dort befinden. Sie besitzen dort Häuser, und ihre
Kinder werden in US-Schulen ausgebildet. Der nächste Schritt wäre, daß
sich dieser Maßnahme andere Länder anschließen. Ganz wichtig ist für
uns, daß die vom Putschregime angesetzten Wahlen nicht anerkannt werden
- das ist vielleicht das zur Zeit wichtigste Druckmittel.
Wäre es nicht in Ordnung, wenn es nach dem 28. November wieder eine
demokratisch gewählte Regierung gibt?
Es ist schwer, Vorhersagen über ein so instabiles Land wie Honduras zu
machen. Micheletti & Co. hatten wohl darauf spekuliert, nach dem Putsch
wählen zu lassen, um dann die Macht an eine ihr genehme Regierung
abzugeben. Freie Wahlen kann es unter den gegenwärtigen Bedingungen aber
nicht geben. Selbst wenn wir Micheletti danach los wären - der gesamte
Staatsapparat bliebe intakt: die Generäle, die den Putsch durchgezogen
haben, der Oberste Gerichtshof, der Generalstaatsanwalt.
Der EU-Ministerrat will am 21. September über die Möglichkeit weiterer
Sanktionen gegenüber Honduras entscheiden. Was erwarten Sie?
Auf dieser Sitzung werden meines Wissens drei Themen im Vordergrund
stehen. Der Umgang mit den Wahlen im November, mögliche
Handelssanktionen sowie die etwaige Aussetzung der Verhandlungen über
ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Honduras. Wir denken, die EU
hat von Anfang an eine konsequente Politik gegenüber der Putschregierung
betrieben, sie hat zum Beispiel alle Botschafter aus unserer Hauptstadt
Tegucigalpa abgezogen.
Interview: Johannes Schulten
* Aus: junge Welt, 9. September 2009
Für Demokratie und Menschenrechte in Honduras
Die internationale Menschenrechtsorganisation FIAN (Food First
Informations- und Aktions-Netzwerk) und das evangelische Hilfswerk »Brot
für die Welt« fordern die Bundesregierung auf, sich entschiedener für
Demokratie und Menschenrechte in Honduras einzusetzen:
In einem Schreiben an den deutschen Außenminister Frank-Walter
Steinmeier haben »Brot für die Welt« und FIAN die Bundesregierung
aufgefordert, die von der De-facto-Regierung für Ende November geplanten
Wahlen nicht anzuerkennen und sich damit der Position der
lateinamerikanischen Staaten sowie der US-Regierung anzuschließen. Die
Werke rufen die Bundesregierung auf, die seit dem Staatsstreich am 28.
Juni begangenen Menschenrechtsverletzungen deutlich zu verurteilen und
sich mit größerer Entschiedenheit für den Schutz der
Menschenrechtsverteidiger und der Demokratiebewegung zu engagieren.
Der EU-Ministerrat wird am 21. September dazu eine Entscheidung fällen.
Beide Organisationen fordern in dem Schreiben an Außenminister
Steinmeier außerdem, die Verhandlungen zum Assoziierungsabkommen
zwischen EU und Zentralamerika so lange auszusetzen, bis die
Verfassungskrise in Honduras beendet ist.
»Wir wissen von unseren Partnern und durch die Berichte der
interamerikanischen Menschenrechtskommission von der andauernden Politik
der Repression und der systematischen Übergriffe auf die Meinungs- und
Versammlungsfreiheit«, sagt die Direktorin von »Brot für die Welt«,
Cornelia Füllkrug-Weitzel. »Unter diesen Bedingungen ist es unmöglich,
freie und demokratische Wahlen durchzuführen«, so die Theologin weiter.
Nach Ansicht von »Brot für die Welt« und FIAN will die
De-facto-Regierung die Wahlen dazu benutzen, sich Legitimität und
Straffreiheit für den Staatsstreich und die begangenen
Menschenrechtsverletzungen zu verschaffen. »Die internationale
Gemeinschaft kann dies nicht tolerieren. Auch die EU muß dazu Stellung
beziehen und klarstellen, daß legitime Wahlen erst nach der Rückkehr zur
verfassungsmäßigen Ordnung möglich sind«, sagt Martin Wolpold-Bosien von
FIAN. »Nur so kann die De-facto-Regierung dazu gedrängt werden, an den
Verhandlungstisch von San José zurückzukehren.«
Die entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag,
Heike Hänsel, kritisiert die Haltung der Bundesregierung in der
Honduras-Frage:
Die Bundesregierung kann offenbar nichts Schlimmes finden an der
skandalösen Politik der FNF (Friedrich- Naumann-Stiftung für die
Freiheit) in Honduras. Während in Honduras selbst und auch hierzulande
die Kritik an der Unterstützung der FNF für die Putschisten zunimmt,
sieht die Bundesregierung keinerlei Veranlassung, die aus Steuergeldern
finanzierte Arbeit der FNF in Honduras einer kritischen Überprüfung zu
unterziehen. Das jedenfalls wird in ihrer Antwort auf eine Kleine
Anfrage der Fraktion Die Linke deutlich. Im Klartext: Die
Bundesregierung toleriert wissentlich die offensive Putschunterstützung
der FNF in Honduras und macht sich dadurch unglaubwürdig in ihrer
Haltung gegen den Putsch. (...) Ich fordere die Bundesregierung auf,
eine eindeutige Haltung einzunehmen: Eine Gewöhnung im Umgang mit den
Putschisten darf es nicht geben. Eine politische Unterstützung durch
deutsche Stiftungen erst recht nicht. (...)
** Aus: junge Welt, 9. September 2009 (Rubrik "Abgeschrieben")
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