Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Der Staatsstreich hat die Leute aufgeweckt"

Die legitime Regierung von Honduras hofft auf weitere Sanktionen gegen das Putschregime. Ein Gespräch mit Aristides Mejía *

Aristides Mejía ist legitimer Vizepräsident von Honduras. Er hält sich zur Zeit in der BRD zu Gesprächen mit der Linksfraktion im Bundestag sowie mit der Bundesregierung auf.

Seit dem Staatsstreich vom 28. Juni sind mehr als zwei Monate vergangen. Wie ist die Situation im Lande? Auf wen stützt sich das Regime?

Laut uns vorliegenden Umfragen erkennt die Mehrheit der Bevölkerung von Honduras allein den gewählten Manuel Zelaya als Präsidenten an. Nur zwischen zehn und 20 Prozent unterstützen die De-facto-Regierung um Roberto Micheletti. Allerdings haben die Putschisten eine Stimmung der Angst erzeugt - Angst davor, daß der Einzug eines an Venezuela orientierten Systems vor der Tür steht. Dadurch haben sie die Unterstützung von einigen reichen Schichten des Landes bekommen. Auch Teile der Mittelklasse fallen darauf herein.

Kann die Opposition ihren Protest gegen den Putsch durchhalten?

Das Erstaunliche ist, daß sie auch zwei Monate danach immer mehr Anhänger gewinnt. Mir scheint, daß der Widerstand um so stärker wird, je länger die Regierung den Willen der Bevölkerung ignoriert. Sollte es am 29. November tatsächlich zu Wahlen kommen, wird sich die Mehrheit der Honduraner mit ziemlicher Sicherheit enthalten. Es könnte sein, daß der Anteil der Nichtwähler über 80 Prozent liegen wird. Keine Regierung, die unter solchen Bedingungen ins Amt kommt, hat eine Legitimationsbasis. Wir denken, daß der Putsch zumindest eines nachhaltig verändert hat: Er hat die Leute aufgeweckt. Sie wissen jetzt, wer in diesem Land die Macht hat und welche Gruppen den Putsch unterstützt haben.

Wie sollten sich die anderen Länder jetzt gegenüber Honduras verhalten?

Wir bitten darum, daß sie ihre Sanktionspolitik fortsetzen und das Regime weiter isolieren. Ich denke, es hat drei Schwachstellen: Die schwache Wirtschaft sowie den Verlust an Glaubwürdigkeit im Inland sowie im Ausland.

Hinzu kommt, daß die Putschisten keine homogene Gruppe sind - es gibt diverse Fraktionen, die von Teilen des Unternehmerlagers, vom Militär und den beiden großen Parteien getragen werden. Sanktionen sollten also genau diese Fraktionen treffen. Ein Beispiel dafür ist, daß die USA zur Zeit keine Visa mehr an Honduraner ausgeben. Diese Maßnahme trifft große Teile der Putschkoalition empfindlich - zu ihr gehören nämlich die fünf oder sechs reichsten Familien des Landes. Für sie ist es extrem wichtig, regelmäßig in die USA zu reisen, weil sich ihre Bankkonten und Geschäftspartner dort befinden. Sie besitzen dort Häuser, und ihre Kinder werden in US-Schulen ausgebildet. Der nächste Schritt wäre, daß sich dieser Maßnahme andere Länder anschließen. Ganz wichtig ist für uns, daß die vom Putschregime angesetzten Wahlen nicht anerkannt werden - das ist vielleicht das zur Zeit wichtigste Druckmittel.

Wäre es nicht in Ordnung, wenn es nach dem 28. November wieder eine demokratisch gewählte Regierung gibt?

Es ist schwer, Vorhersagen über ein so instabiles Land wie Honduras zu machen. Micheletti & Co. hatten wohl darauf spekuliert, nach dem Putsch wählen zu lassen, um dann die Macht an eine ihr genehme Regierung abzugeben. Freie Wahlen kann es unter den gegenwärtigen Bedingungen aber nicht geben. Selbst wenn wir Micheletti danach los wären - der gesamte Staatsapparat bliebe intakt: die Generäle, die den Putsch durchgezogen haben, der Oberste Gerichtshof, der Generalstaatsanwalt.

Der EU-Ministerrat will am 21. September über die Möglichkeit weiterer Sanktionen gegenüber Honduras entscheiden. Was erwarten Sie?

Auf dieser Sitzung werden meines Wissens drei Themen im Vordergrund stehen. Der Umgang mit den Wahlen im November, mögliche Handelssanktionen sowie die etwaige Aussetzung der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Honduras. Wir denken, die EU hat von Anfang an eine konsequente Politik gegenüber der Putschregierung betrieben, sie hat zum Beispiel alle Botschafter aus unserer Hauptstadt Tegucigalpa abgezogen.

Interview: Johannes Schulten

* Aus: junge Welt, 9. September 2009

Für Demokratie und Menschenrechte in Honduras

Die internationale Menschenrechtsorganisation FIAN (Food First Informations- und Aktions-Netzwerk) und das evangelische Hilfswerk »Brot für die Welt« fordern die Bundesregierung auf, sich entschiedener für Demokratie und Menschenrechte in Honduras einzusetzen:

In einem Schreiben an den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier haben »Brot für die Welt« und FIAN die Bundesregierung aufgefordert, die von der De-facto-Regierung für Ende November geplanten Wahlen nicht anzuerkennen und sich damit der Position der lateinamerikanischen Staaten sowie der US-Regierung anzuschließen. Die Werke rufen die Bundesregierung auf, die seit dem Staatsstreich am 28. Juni begangenen Menschenrechtsverletzungen deutlich zu verurteilen und sich mit größerer Entschiedenheit für den Schutz der Menschenrechtsverteidiger und der Demokratiebewegung zu engagieren.

Der EU-Ministerrat wird am 21. September dazu eine Entscheidung fällen. Beide Organisationen fordern in dem Schreiben an Außenminister Steinmeier außerdem, die Verhandlungen zum Assoziierungsabkommen zwischen EU und Zentralamerika so lange auszusetzen, bis die Verfassungskrise in Honduras beendet ist.

»Wir wissen von unseren Partnern und durch die Berichte der interamerikanischen Menschenrechtskommission von der andauernden Politik der Repression und der systematischen Übergriffe auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit«, sagt die Direktorin von »Brot für die Welt«, Cornelia Füllkrug-Weitzel. »Unter diesen Bedingungen ist es unmöglich, freie und demokratische Wahlen durchzuführen«, so die Theologin weiter.

Nach Ansicht von »Brot für die Welt« und FIAN will die De-facto-Regierung die Wahlen dazu benutzen, sich Legitimität und Straffreiheit für den Staatsstreich und die begangenen Menschenrechtsverletzungen zu verschaffen. »Die internationale Gemeinschaft kann dies nicht tolerieren. Auch die EU muß dazu Stellung beziehen und klarstellen, daß legitime Wahlen erst nach der Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung möglich sind«, sagt Martin Wolpold-Bosien von FIAN. »Nur so kann die De-facto-Regierung dazu gedrängt werden, an den Verhandlungstisch von San José zurückzukehren.«

Die entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Heike Hänsel, kritisiert die Haltung der Bundesregierung in der Honduras-Frage:

Die Bundesregierung kann offenbar nichts Schlimmes finden an der skandalösen Politik der FNF (Friedrich- Naumann-Stiftung für die Freiheit) in Honduras. Während in Honduras selbst und auch hierzulande die Kritik an der Unterstützung der FNF für die Putschisten zunimmt, sieht die Bundesregierung keinerlei Veranlassung, die aus Steuergeldern finanzierte Arbeit der FNF in Honduras einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Das jedenfalls wird in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke deutlich. Im Klartext: Die Bundesregierung toleriert wissentlich die offensive Putschunterstützung der FNF in Honduras und macht sich dadurch unglaubwürdig in ihrer Haltung gegen den Putsch. (...) Ich fordere die Bundesregierung auf, eine eindeutige Haltung einzunehmen: Eine Gewöhnung im Umgang mit den Putschisten darf es nicht geben. Eine politische Unterstützung durch deutsche Stiftungen erst recht nicht. (...)

** Aus: junge Welt, 9. September 2009 (Rubrik "Abgeschrieben")




Zurück zur Honduras-Seite

Zur Seite "Deutsche Außenpolitik"

Zurück zur Homepage