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Putschisten wollen Wahlfarce legitimieren

Honduranische Widerstandsbewegung befürchtet Fälschungen und Provokationen des Micheletti-Regimes

Ricardo Arturo Salgado (45) ist Diplom-Mathematiker und hat in Wirtschaftswissenschaften promoviert. Salgado arbeitet als Publizist in Honduras. Mit einer Gruppe von Sozialwissenschaftlern führt er außerdem landwirtschaftliche und Fischereiprojekte an der Atlantik- und der Pazifikküste von Honduras durch. Über den Bruch des Abkommens durch die De-facto-Regierung sprach mit ihm für das "Neue Deutschland" (ND) Manola Romalo.



ND: Das »Abkommen von Tegucigalpa und San José« lässt Schlüsselfragen wie das Datum der Wiedereinsetzung des Präsidenten Manuel Zelaya in sein Amt offen. Diktator Roberto Micheletti vertagte am Sonnabend die am Donnerstag verkündete Benennung einer »Regierung der nationalen Einheit und Versöhnung«. Wie erklären Sie diese Farce?

Ricardo Arturo Salgado: Einziges Ziel dieses Paktes ist, Zeit zu gewinnen. Ab dem »Plan von San José« sind alle Vorschläge Michelettis in einer Washingtoner Anwaltskanzlei redigiert und vom State Department genehmigt worden. Selbstverständlich wäre dieser Putsch ohne die strategische Unterstützung der US-Militärbasis in Soto Cano nicht möglich gewesen. Was seitdem passierte, spottet jedem demokratischen Verständnis. Die honduranische Verfassung bestimmt, dass der demokratisch gewählte Präsident die Minister benennt. Das will aber jetzt der Putschist Micheletti tun!

Im Abkommen wurde festgelegt, dass Präsident Zelaya darauf verzichten muss, eine nicht verpflichtende Volksbefragung am 29. November durchzuführen. Wovor hat die Oligarchie solche Angst?

Dass das Volk durch eine neue Verfassung mehr Entscheidungsmacht bekommt. In Honduras ist der Nationalkongress die Zentrale der Korruption, der Bestechlichkeit, der Straffreiheit und der betrügerischen Geschäfte. Die wirtschaftliche und militärische sogenannte Elite hat über mehrere Dekaden das Land geplündert, die Bevölkerung ausgesaugt.

Seit dem Staatsstreich vom 28. Juni hat das De-facto-Regime seine Macht gestärkt.

Die Putschisten versuchen, die Verhandlungen mit der Kommission von Präsident Zelaya in die Länge zu ziehen, in der Hoffnung, dass die Widerstandsbewegung ihre »Drohung«, die Wahlen zu boykottieren, in die Tat umsetzt. Jetzt beginnt das De-facto-Regime einen neuen Plan zu aktivieren: Im »passenden« Moment entdeckt die Polizei Sprengkörper, die sie zum Explodieren bringt. Die zu 90 Prozent von den Putschisten kontrollierten Kommunikationsmedien verkünden: »Das hat die Widerstandsbewegung getan.« Das Regime bereitet den Weg für eine Zunahme der Repression. Es will jegliche politische Teilhabe der sozialen Bewegungen, die als »Terroristen« oder »Aufrührer« bezeichnet werden, verhindern. Und die Wahlen sollen gefälscht werden. Dafür gibt es Indizien.

Welche?

Für die nächsten Wahlen am 29. November hat der Oberste Wahlgerichtshof 4,7 Millionen registrierte Wähler angekündigt, obwohl es real nur 3,9 Millionen gibt. In der Vergangenheit hat jede Partei ihre Vertretung in den Wahllokalen aufgestellt.

Jetzt aber will der Oberste Wahlgerichtshof in jedem Wahllokal einen Vertreter des Putschregimes damit beauftragen, die Ergebnisse zu verkünden. Zusätzlich hat derselbe Gerichtshof den Putschisten nahestehende private Handy-Unternehmen beauftragt, mit einem eigenen Zählsystem diese Zahlen zu verkünden.

Was haben die von Zelayas Regierung eingeführten sozialen Projekte bewirkt?

Zum Beispiel werden die Bauern mit Saatgut und technischer Ausrüstung unterstützt. Für Arme wurde die gesundheitliche Betreuung verbessert, für Kinder entfällt die Einschreibegebühren an öffentlichen Schulen; es gibt Hilfe für ledige Mütter. Die Armut existiert weiter. Aber das Volk hat jetzt gelernt, dass es kämpfen muss, um ein neues, wirklich demokratisches System herzustellen.

* Aus: Neues Deutschland, 9. November 2009


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