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Regierungskandidat gibt auf

In Haiti zeichnet sich eine Lösung der politischen Krise um die Präsidentschaftswahlen ab *

In Haiti zeichnet sich eine Lösung der politischen Krise nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 28. November ab. Am Dienstag (25. Jan.) erklärte der Kandidat der Regierungspartei INITE, Jude Celestin, seinen Verzicht auf eine Teilnahme an der Stichwahl. Wie die in Port-au-Prince erscheinende Tageszeitung Le Nouvelliste berichtet, will Celestin damit zu einer Überwindung der Krise beitragen und es ermöglichen, die zweite Runde der Abstimmung »so schnell wie möglich durchzuführen, um demokratisch den Nachfolger von Präsident René Préval zu bestimmen«. Damit entsprach der 48jährige einem Beschluß seiner Partei, die ihn um einen Verzicht auf seine Kandidatur gebeten hatte.

Zuvor war der Chef der UN-Stabilisierungsmission für Haiti (MINUSTAH), Edmond Mulet, nach einem Treffen mit Vertretern der Provisorischen Wahlkommission (CEP) und in Port-au-Prince akkreditierten Diplomaten Spekulationen entgegengetreten, die Wahlen könnten komplett abgesagt werden. »Die internationale Gemeinschaft wird die Möglichkeit, die Abstimmung abzubrechen, nicht zulassen«, unterstrich Mulet.

Es wird nun damit gerechnet, daß die Provisorische Wahlkommission (CEP) Anfang kommender Woche das offizielle Ergebnis der ersten Runde bekanntgeben und das Datum für die Stichwahl festlegen wird. Diese hätte eigentlich bereits am 16. Januar stattfinden sollen, war von der Kommission aber abgesagt worden, nachdem eine Untersuchung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu dem Schluß gekommen war, daß es bei der Auszählung der ersten Runde zu Unregelmäßigkeiten gekommen war. Vorläufige Ergebnisse der CEP hatten ergeben, daß Jude Celestin mit 22,48 Prozent der Stimmen das zweitbeste Ergebnis aller Kandidaten erreicht habe und sich deshalb mit der erstplazierten Christdemokratin Mirlande Manigat, die auf 31,37 gekommen war, der Stichwahl stellen sollte. Die OAS erklärte hingegen, der Sänger Michel Joseph Martelly habe einige tausend Stimmen mehr bekommen als Celestin und solle statt diesem in die Entscheidung gehen.

Unterdessen hat die politische Bewegung des früheren haitianischen Präsidenten Jean Bertrand Aristide, Fanmi Lavalas, der US-Administration vorgeworfen, dessen Rückkehr nach Haiti durch »Manöver« verhindern zu wollen. Aristide lebt seit seinem Sturz 2004 in Südafrika im Exil und hat mehrfach seinen Wunsch ausgedrückt, heimkehren zu wollen. Die Spekulationen darum hatten zugenommen, als der frühere Diktator Jean-Claude Duvalier am 16. Januar nach 25jährigem Exil in Frankreich überraschend nach Haiti zurückgekehrt war. Am Dienstag protestierten Lavalas-Anhänger vor der US-Botschaft in Port-au-Prince. Washington müsse jetzt ebenso eingreifen, um eine Heimkehr Aristides zu ermöglichen, wie es 2004 gemeinsam mit Frankreich und Kanada den Staatsstreich unterstützt habe, durch den der Präsident gestürzt worde, forderte Parteisprecher Asyto Felix.

* Aus: junge Welt, 27. Januar 2011


Verwirrung um Stichwahl

Haiti: Regierungskandidat offenbar doch nicht zurückgetreten. Zahl der Choleratoten steigt auf über 4000 **

Die Erleichterung über das Ende der politischen Krise in Haiti scheint verfrüht gewesen zu sein. Offenbar ist doch noch unklar, ob der Kandidat der Regierungspartei Inité, Jude Célestin, tatsächlich auf seine Kandidatur bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen verzichten will. Haitianische Medien hatten zu Wochenbeginn berichtet, Célestin habe seinen Rücktritt erklärt. Am Donnerstag (Ortszeit) stellte sich jedoch heraus, daß die Partei den Rückzug ihres Kandidaten offenbar auf Druck der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verkündet hat, ohne mit ihrem Vertreter Rücksprache zu halten. Nur dieser selbst könnte jedoch den haitianischen Wahlgesetzen zufolge einen Rücktritt erklären. Célestin ist seit Tagen nicht mehr in den Medien aufgetreten und hat sich zu seinen Absichten bislang nicht geäußert.

Oppositionskandidat Jean-Henry Céant, der bei der ersten Wahlrunde am 28. November auf dem vierten Platz aller Kandidaten gelandet war, kritisierte das Verhalten von Inité, das juristisch wertlos sei. Ein Rückzug Célestines wäre dem internationalen Druck geschuldet, so Céant, »und das wäre nicht das Beste für das Land«.

Tatsächlich setzen neben der OAS vor allem die USA und Frankreich die haitianische Regierung unter Druck, die Stichwahl zwischen der Gewinnerin der ersten Runde, Mirlande Manigat, und dem offiziellen Angaben zufolge Drittplazierten, Michel Martelly, abzuhalten. Nachdem die Provisorische Wahlkommission dieses Ansinnen abgelehnt hatte, wurde offenbar Inité unter Druck gesetzt, den Weg zu einer Stichwahl, wie sie Paris und Washington wünschen, freizumachen.

Unterdessen ist die Zahl der an der Cholera gestorbenen Menschen in Haiti auf über 4000 gestiegen, meldet die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina am Freitag unter Berufung auf ein Bulletin des Gesundheitsministeriums. Die Seuche war am 19. Oktober in der Region Artibonite ausgebrochen und hatte sich anschließend, begünstigt durch die verheerenden hygienischen Zustände, im ganzen Land ausgebreitet und auch die benachbarte Dominikanische Republik erreicht. Von dort droht sich die Infektionskrankheit in andere Länder auszubreiten. Am Mittwoch bestätigten die venezolanischen Behörden in Caracas zwei Choleraerkrankungen und 19 Verdachtsfälle. Alle Betroffenen gehörten zu einer Gruppe von 400 Personen, die am vergangenen Wochenende an einem Familienfest in der Dominikanischen Republik teilgenommen und sich dort offenbar angesteckt hatten. (PL/jW)

** Aus: junge Welt, 29. Januar 2011


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