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UN-Sicherheitsrat verlängert Militär- und Polizeieinsatz in Haiti - Aufschlussreicher Bericht des Generalsekretärs über die Lage

Im Folgenden berichten wir in einer kurzen Zusammenfassung über den nur in englischer Sprache vorliegenden Bericht des UN-Generalsekretärs zur Lage in Haiti vom 28. Juli 2006. Der 24 Seiten umfassende "Report of the Secretary-General on the United Nations Stabilization Mission in Haiti" (S/2006/592) ist von der Website der Vereinten Nationen hier herunterzuladen:
www.reliefweb.int.
Auf diesen Bericht bezog sich im August der UN-Sicherheitsrat, als er die Militär- und Polizeimission für Haiti (MINUSTAH) um ein weiteres halbes Jahr verlängerte. Diese Resolution (1702 [2006]) vom 15. August 2006 haben wir hier dokumentiert (deutsch):
www.uni-kassel.de.



Am 28. Juli 2006 legte der Generalsekretär der Vereinten Nationen den neuen Bericht zur Lage in Haiti vor. Darin geht es vor allem um die Frage der Stabilisierung der Situation, die Verbesserung der inneren Sicherheit, der Beendigung gewaltsamer Übergriffe, der Einhaltung der Menschenrechte, kurz: um die lange Liste politischer und sozialer Defizite in diesem an Bürgerkriegen, Gewalt und Interventionen reichen Karibikstaat, einem der ärmsten Länder der Welt.

In dem Report wird eine Reihe von Vorschlägen bzw. Empfehlungen präsentiert, die zugunsten einer (weiteren?) Stabilisierung der Lage nach den letztlich doch geglückten Wahlen umzusetzen wären. Die Wahlen ("frei und fair") vom 7. Februar führten zur Bildung eines Parlaments und einer Mehrparteienregierung und schließlich - nach erheblichen Unruhen und Wahlanfechtungen - zur Bestätigung des Wahlsiegs des neuen Präsidenten René Preval und zu dessen Amtseinführung am 14. Mai.

Die Sicherheitslage wird in dem Report im allgemeinen als "stabil, aber fragil" beschrieben. So habe im Berichtszeitraum (2. Februar bis 15. Juli 2006), insbesondere aber nach den Wahlen eine Art Waffenstillstand verschiedener bewaffneter Gruppierungen geherrscht; so habe es auch nur wenig Übergriffe gegenüber der UN-Truppe MINUSTAH gegeben. Kriminelle Gewalt von Gangs, die sich nicht an die Waffenruhe gehalten haben, habe sich von Cité Soleil auf andere Slumvorstädte der Hauptstadt Port-au-Prince verlagert. Im übrigen Land (Ausnahme: Gonaives) blieb es aber weitgehend ruhig.

Auch hinsichtlich der Entwaffnung, Demobilisierung und Integration von Mitgliedern bewaffneter Gangs sei ein "beträchtlicher Fortschritt" erzielt worden, behauptet der Bericht, nennt aber keine konkreten Zahlen oder Vorgänge. Immerhin gibt es eine Nationale Entwaffnungs-Kommission, deren Arbeit von MINUSTAH unterstützt werde; sie habe sich auf die Arbeit in drei "brisanten" Stadtteilen von Port-au-Prince und in drei anderen Städten konzentriert.

Als weniger erfreulich werden die Menschenrechtssituation und die "humanitäre Lage" in Haiti beschrieben. Immerhin habe es Rückführungen von haitischer Bevölkerung aus der Dominikanischen Republik gegeben und es habe im Mai eine erfolgreiche Geberkonferenz in Brasilia (Brasilien) stattgefunden. Die Regierung Préval hat ein ehrgeiziges staatliches Sozialprogramm aufgelegt ("Programme d'apaisement social"), zu dessen Unterstützung die UN-Institutionen beitragen möchten. Anfang September soll dazu ein entsprechender Appell an die Staatengemeinschaft veröffentlicht werden. In dem Bericht befindet sich auch das Eingeständnis, dass sich bestimmte Kräfte der MINUSTAH-Truppe an schweren Menschenrechtsverletzungen am 6. Juli 2006 beteiligt gewesen sei.

De weiteren werden in dem UN-Report prioritäre Maßnahmen und Erfordernisse aufgelisten. In erster Linie gehe es demnach um die "Modernisierung des Staates", insbesondere hinsichtlich der Stärkung rechtsstaatlicher Institutionen und der Verwaltung außerhalb der Hauptstadt. Zweitens müsse die ökonomische Entwicklung voran gebracht werden; die Aufgabe von MINUSTAH bestee darin, für wirtschaftliche Aktivitäten einschließlich ausländischer Investitionen ein sicheres Umfeld zu garantieren. Drittens muss die internationale Unterstützung dem sozialen und ökonomischen Aufbauprogramm der haitischen Regierung gelten, wobei auch solche Fragen wie Menschenrechte, Gender, Kinderschutz und HIV/AIDS eine bedeutsame Rolle spielen.

Mit der Herstellung einer "stabilen und sicheren Umwelt" in Haiti tun sich alle Akteure schwer. In einem eigenen Kapitel ("A. Ensuring a secure and stable environment"; Ziff 50 ff.) werden die vielen Rückschläge auf dem Weg zu einem halbwegs funktionierenden Rechtsstaat aufgezeigt. Um den bewaffneten Banden, dem Waffen- und Drogenhandel wirklich Einhalt zu gebieten, müsse MINUSTAH in Zusammenarbeit mit den im Aufbau befindlichen nationalen Sicherheitskräften eine "abschreckende" Wirkung erzielen. Das erfordert eine längere Präsenz der Militär- und Polizeikräfte im Rahmen von MINUSTAH, und zwar in allen zehn Regionen des Landes. Zur Zeit beträgt der Personalbestand von MINUSTAH rund 6.300 Militärpersonen und knapp 1.700 zivile (z.B. Polizei-)Kräfte. Die größten Truppensteller sind Brasilien mit 1.214 Soldaten und Uruguay mit 978 Soldaten. Dahinter folgen mit Sri Lanka (962), Jordanien (760) und Nepal (757) zwei asiatische bzw. Nahost-Staaten, noch vor den südamerikanischen Ländern Argentinien (558), Chile (545) und Peru (209). (Die Übersicht befindet sich im Report auf S. 21.) An den internationalen Polizeikräften beteiligen sich mit jeweils größeren Verbänden Jordanien (292), Pakistan (248), Nepal (138), Nigeria (135) und die VR China (130), daneben sind u.a. europäische Länder vertreten wie Frankreich (78) oder - allerdings mit sehr kleinen Kontingenten - Russland, Rumänien und Bosnien-Herzegowina.

Die Sicherheitsratsresolution 1702 vom 15. August 2006

Der UN-Sicherheitsrat verlängerte die MINUSTAH-Mission mit seiner Resolution 1702 (2006) vom 15. August um ein weiteres halbes Jahr bis zum 15. Februar 2007. Danach kann die Mission aus einem Militäranteil von bis zu 7.200 Soldaten aller Rangstufen und aus einem Polizeianteil von bis zu 1.951 Polizisten bestehen; es ist also noch eine Aufstockung des bisherigen Umfang möglich.

In der Resolution wird ausdrücklich auf den oben genannten Reprot des Generalsekretärs Bezug genommen. Alle dort gemachten Maßnahmenvorschläge tauchen im Forderungskatalog der Resolution auf.

Pst

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