"Der Rat bekundet seine Besorgnis angesichts von Berichten, wonach Mitglieder der Haitianischen Nationalpolizei an schweren Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen sein sollen"
Erklärung des Präsidenten des UN-Sicherheitsrats zur Lage in Haiti - Noch keine Wahlen in Sicht
Auch fast zwei Jahre nach dem Putsch gegen den gewählten Präsidenten Aristide ist in Haiti keine Normalität eingekehrt. Die von den USA und der UNO unterstützte neue Regierung wird nicht nur nicht Herr der Lage, sondern scheint sich auch selbst an gröbsten Menschenrechtsverletzungen schuldig zu machen.
Die folgende Erklärung des Präsidenten des UN-Sicherheitsrats vom 18. Oktober formuliert die Besorgnis mit der gewohnten diplomatischen Zurückhaltung. Ob die noch für das Jahr 2005 geplanten Wahlen ordnungsgemäß stattfinden können, bleibt fraglich. Haiti ist ein gutes Beispiel dafür, dass die aktive militärische Einmischung der Vereinten Nationen in innere Konflikte eines Landes höchst problematisch ist. 1994 wurde Aristide mit Hilfe der UNO bzw. der USA wieder in sein Präsidentenamt eingesetzt; 2004 wurde derselbe Präsident mit Hilfe der UNO (und wiederum der USA) aus seinem Amt entfernt. Von Problemlösung konnte weder damals noch heute die Rede sein.
Vereinte Nationen, Sicherheitsrat
18. Oktober 2005
Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats
(S/PRST/2005/50)
Auf der 5285. Sitzung des Sicherheitsrats am 18. Oktober 2005 gab der Präsident des
Sicherheitsrats im Zusammenhang mit der Behandlung des Punktes "Die Frage betreffend
Haiti: Bericht des Generalsekretärs über die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen
in Haiti (S/2005/631)" im Namen des Rates die folgende Erklärung ab:
"Der Sicherheitsrat bekundet seine volle Unterstützung für die von der Stabilisierungsmission
der Vereinten Nationen in Haiti (MINUSTAH) und dem Sonderbeauftragten
des Generalsekretärs, Herrn Juan Gabriel Valdés, geleistete Arbeit.
Der Sicherheitsrat betont, wie überaus wichtig es ist, sicherzustellen, dass in
Haiti transparente, alle Seiten einschließende, freie und faire Wahlen stattfinden, die
im Einklang mit den internationalen demokratischen Normen stehen und für alle politischen
Kandidaten, die der Gewalt abgeschworen haben, offen sind, um auf diese
Weise eine legitime politische Führung auf nationaler und lokaler Ebene zu bestimmen.
Der Rat ist besorgt, dass es im Wahlprozess zu Verzögerungen kommen könnte,
und unterstreicht die Erwartung der internationalen Gemeinschaft, dass die erste Runde
der nationalen Wahlen im Jahr 2005 stattfindet und dass alle Anstrengungen unternommen
werden, damit die demokratisch gewählten Behörden am 7. Februar 2006 im
Einklang mit der haitianischen Verfassung ihre Amtsgeschäfte aufnehmen. Der Rat
stellt anerkennend fest, dass bislang mehr als drei Millionen Menschen in die Wählerverzeichnisse
eingetragen worden sind. Der Rat lobt die Organisation der amerikanischen
Staaten (OAS) und die anderen maßgeblichen internationalen Interessengruppen
für ihren Beitrag zu diesem Prozess. Der Rat begrüßt, dass im Wahlprozess ein
breites Spektrum politischer Strömungen Haitis vertreten ist, und unterstreicht, wie
wichtig es ist, dass die politischen Führer sich für einen Kurs der Zusammenarbeit
entscheiden. Die nationale Aussöhnung und der politische Dialog sollten weiterhin als
Mittel zur Sicherung der langfristigen Stabilität und der guten Regierungsführung gefördert
werden.
Der Sicherheitsrat stellt mit Besorgnis fest, dass bei der Vorbereitung der Wahlen
noch große Hindernisse zu überwinden sind. Obschon der Rat die jüngsten Schritte
der Übergangsregierung und des ‘Conseil Electoral Provisoire’ (CEP) begrüßt, fordert
er sie nachdrücklich auf, die von der Übergangsregierung am 17. September 2005
gebilligten und von der ‘Kerngruppe’ am 18. Oktober 2005 bekräftigten zehn dringenden
Aufgaben durchzuführen, die erforderlich sind, damit die Wahlen in diesem Jahr
stattfinden können. Der Rat fordert die zuständigen haitianischen Behörden auf, in
maßgeblichen Bereichen wirksame und rasche Beschlüsse zu fassen, und legt ihnen
eindringlich nahe, bei der Organisation der Wahlen vollen Gebrauch von den Ratschlägen und der Hilfe der MINUSTAH zu machen. Der Rat ruft sie dazu auf, in Zusammenarbeit
mit der MINUSTAH vorrangig einen Stufenplan für die Wahlen zu erarbeiten
mit dem Ziel, praktisch durchführbare Wahltermine festzulegen. Der Rat fordert
die haitianischen Behörden außerdem nachdrücklich auf, rasch die endgültige Liste
der Wahlkandidaten zu veröffentlichen und in Absprache mit der MINUSTAH eine
Liste von Wahlzentren festzulegen, die den Zugang für die Wähler gewährleistet und
den Auswirkungen auf den Haushalt, die Sicherheit und die Logistik Rechnung trägt.
Der Sicherheitsrat unterstützt nachhaltig die Anstrengungen der Mission, in
Haiti ein sicheres und stabiles Umfeld zu gewährleisten, das von entscheidender Bedeutung
dafür ist, dass Fortschritte im Land erzielt werden und die Wahlen stattfinden
können. Der Rat erkennt den Beitrag der MINUSTAH zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung
der Rechtsstaatlichkeit in dem Land an und unterstreicht, dass eine umfangreiche
und koordinierte Unterstützung erforderlich ist, um die Reform und Umstrukturierung
der rechtsstaatlichen Institutionen Haitis zu ermöglichen. Zu diesem
Zweck fordert der Rat die Übergangsregierung nachdrücklich auf, in Zusammenarbeit
mit der MINUSTAH die in Resolution 1608 (2005) geforderten Initiativen zum Reform-
und Umstrukturierungsplan für die Haitianische Nationalpolizei sowie zur Reform
des Justizsystems umzusetzen, um die Straflosigkeit zu beenden und die Ordnungsmäßigkeit
der Gerichtsverfahren zu gewährleisten. Der Rat begrüßt die Verbesserung
der Sicherheitslage, die der Entschlossenheit der MINUSTAH zur Unterstützung
der Übergangsregierung zu verdanken ist. Der Rat bekundet seine Besorgnis angesichts
von Berichten, wonach Mitglieder der Haitianischen Nationalpolizei an
schweren Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen sein sollen,
und betont die Notwendigkeit, alle Anschuldigungen über schwere Verbrechen und
Menschenrechtsverletzungen umfassend zu untersuchen. Der Rat begrüßt die Entsendung
von zusätzlichem Militär- und Polizeipersonal für die MINUSTAH im Einklang
mit Resolution 1608 (2005) und spricht den truppen- und polizeistellenden Ländern
seinen Dank aus.
Der Sicherheitsrat erklärt erneut, dass die Übergangsregierung und die
MINUSTAH umgehend mit der wirksamen Durchführung eines Entwaffnungs-, Demobilisierungs-
und Wiedereingliederungsprogramms beginnen müssen. Der Rat betont
die Notwendigkeit, Projekte mit hohem Profil und rascher Wirkung durchzuführen,
mit denen Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Rat erkennt außerdem an, dass es
notwendig ist, während des auf die Wahlen unmittelbar folgenden Zeitraums die Stabilität
aufrechtzuerhalten, namentlich durch eine fortgesetzte internationale Präsenz,
und sicherzustellen, dass die wichtigsten haitianischen Institutionen, insbesondere diejenigen,
die für Rechtsstaatlichkeit und Entwicklung zuständig sind, angemessen arbeiten
können. Der Rat erkennt die Bedeutung der nächsten Geberkonferenz an, die
für den 20. und 21. Oktober in Brüssel anberaumt ist, und fordert die Geber auf, die
zugesagten Mittel weiter auszuzahlen. Der Rat erkennt ferner an, dass diese Konferenz
eine wichtige Gelegenheit darstellt, die kurz-, mittel- und langfristigen Strategien
in einem einheitlichen Rahmen weiterzuentwickeln, um die Koordinierung und Kontinuität
kohärenter, mit angemessenen Prioritäten versehener Maßnahmen zur Lösung
der Probleme Haitis zu gewährleisten. Haiti befindet sich an einem Scheideweg. Auch
wenn die Verantwortung für die Zukunft Haitis letztlich bei seiner Regierung und seinen
Menschen liegt, muss die internationale Gemeinschaft weiterhin Unterstützung
gewähren."
* Vorauskopie des Deutschen Übersetzungsdienstes, Vereinte Nationen, New York. Der endgültige amtliche Wortlaut der
Übersetzung erscheint im Offiziellen Protokoll des Sicherheitsrats (S/INF/61).
Quelle: Website der UNO: www.un.org
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