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Putschversuch in Guinea

Nach dem Tod von Präsident Conté ist die Lage weitgehend unklar

Im westafrikanischen Guinea haben Militärs nach dem Tod von Präsident Lansana Conté einen Putschversuch unternommen.*

Conakry (Agenturen/ND). Am Dienstag (23. Dez.) war die Lage in Guinea unklar. Ein Sprecher der Aufständischen, Moussa Dadis Camara, verkündete in einer Ansprache die Auflösung der Regierung. Der amtierende Staatschef, Parlamentspräsident Abubakar Somparé, erklärte hingegen im französischen Auslandsrundfunk RFI, seine Regierung befinde nach wie vor an der Macht.

»Ich glaube nicht, dass die gesamte Armee hinter den Aufständischen steht, es handelt sich um eine kleine Gruppe«, sagte Somparé. In der Hauptstadt Conakry war es Augenzeugen zufolge ruhig. Nur vereinzelt waren Militärfahrzeuge zu sehen. Conté war offiziellen Angaben zufolge am Montag (22. Dez.) nach langer Krankheit im Alter von 74 Jahren gestorben.

Die genauen Umstände seines Todes wurden nicht bekannt. Conté war Kettenraucher, litt an Diabetes und angeblich auch an Leukämie. Er hatte sich im April 1984 an die Macht geputscht. Gegen seine Kritiker und die Opposition griff er mit brutaler Härte durch. Bei Unruhen nach einem Generalstreik 2007 kamen mindestens 180 Menschen ums Leben, die meisten wurden von Soldaten erschossen.

In seiner vom staatlichen Rundfunk übertragenen Rede erklärte Putschistensprecher Camara, die Verfassung sei vorläufig außer Kraft gesetzt. Alle Demonstrationen oder politischen Kundgebungen seien verboten. Ein »Konsultativrat«, der in den kommenden Tagen gebildet werde, solle über die weitere Zukunft des verarmten Landes entscheiden.

Einen designierten Nachfolger Contés gibt es nicht. Der Verfassung nach soll Somparé vorübergehend die Regierung leiten, bevor innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen stattfinden. Wegen Contés Erkrankung war schon seit Monaten von einem Machtvakuum in Guinea die Rede. Zahlreiche Gruppen rangen um Einfluss. Es blieb zunächst unklar, wer hinter den Putschisten um Camara steckt.

Die Europäische Union rief die westafrikanische Republik auf, sich nach Contés Tod an die Verfassung zu halten und freie Wahlen zu organisieren. Damit eine friedliche Wende gelinge, müssten alle politisch Verantwortlichen sowie zivile und militärische Einrichtungen den verfassungsgemäßen Ablauf achten, erklärte das französische Außenamt, das noch bis Jahresende den Ratsvorsitz der EU innehat. Frankreich fordere die schnelle Organisation »freier und durchsichtiger Wahlen« und verurteile den Putschversuch.

Guinea gehört seit Jahren zu den ärmsten Ländern des Kontinents. Korruption und Misswirtschaft haben die Entwicklung seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1958 behindert. Schon Condés langjähriger Vorgänger Sekou Touré hatte Guinea in die politische Isolation und den wirtschaftlichen Ruin geführt.

* Aus: Neues Deutschland, 24. Dezember 2008


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