Reiches armes Land
Wahlen fürs Geschäft - Imperialismus in Afrika am Beispiel Guineas
Von Georges Hallermeyer *
Das westafrikanische Guinea ist
ein reiches Land. Es verfügt über
Wasserkraft und fruchtbare Böden.
Immerhin werden 12,8 Prozent
des Bruttoinlandprodukts in der Landwirtschaft
erarbeitet, Kaffee exportiert.
Und Guinea ist reich an Bodenschätzen:
Immense Reserven an Eisenerz sind im
Visier der Multis wie zum Beispiel des
australisch-britischen Bergbauriesen
Rio Tinto oder des staatlichen chinesischen
Konzerns Chinalco, die in Simandou
eine der größten Eisenerzminen
der Welt betreiben. Auch bedeutende
Reserven an Gold und Diamanten
warten auf ihre Ausbeutung. Guinea ist
auch Bauxit-Land. Man schätzt, dass in
Guinea fast die Hälfte der Weltreserven
an diesem für die Herstellung von Aluminium
benötigten Rohstoff liegt. So
gingen im Jahr 2010 Guineas Bauxit-
Exporte in der Höhe von fast 600 Millionen
US-Dollar nach Russland (20,4
Prozent), nach Spanien 19,9 %, Irland
(15,3 %), Ukraine (12,9), USA (10,5 %)
und Deutschland (9,9 %). Das Wirtschaftswachstum
für 2013 wird auf 4,5
Prozent und im kommenden Jahr sogar
auf 5,2 Prozent geschätzt.
Guinea ist ein armes Land. Während die
ärmsten 10 Prozent der Haushalte gerade
mal 2,7 Prozent des Einkommens
besitzen, verfügen die obersten 10 Prozent
über 30 Prozent (Stand 2007). Die
Vermögensverteilung dürfte weitaus
mehr auseinanderklaffen. Denn die
herrschende Kompradorenbourgeoisie,
die Geschäftsträger der Multis, bereichert
sich unmäßig. Übergangs-Premierminister
Rui Duarte Barros beschrieb
am Beispiel des früheren Präsidenten,
wie das geht: „Alle Geschäfte mussten
über ihn gehen. Wenn man eine Gesellschaft
gründen wollten, musste man ihn
beteiligen oder man bekam keine Genehmigung.“
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass
nicht nur zwischen den vierundzwanzig
Volksgruppen blutige ethnische Konflikte
geschürt wurden, sondern Hunderttausende
von Flüchtlingen aus den
bürgerkriegsgeschüttelten Nachbarländern
aufgenommen werden mussten.
Das Investitionsklima hatte sich verschlechtert
Die Regierung unter Lansana Conte
(Präsident von 1984–2008) hatte 1998
das Gesetz zu privaten Investitionen
im neoliberalen „Geist des freien Unternehmens“
revidiert und schloss mit
den USA ein Abkommen, das gegen politische
Risiken amerikanischer Investitionen
versicherte.
Die drei folgenden Faktoren führten
dazu, dass das „Vertrauen“ der Multis
stetig abnahm, obwohl in den 90er
Jahren auf Druck von Internationalem
Währungsfonds (IWF) und Weltbank
Privatisierungen von regierungseigenen
Unternehmen und Steuerreformen
durchgeführt wurden: die ungezügelte
Korruption, die Kosten schwer kalkulierbar
machte. Nach einem Bericht von
Transparency International war Guinea
2006 das korrupteste Land Afrikas. Deshalb
zogen sich private Investoren, die
bis 2001 die Wasser- und Stromversorgungsgesellschaften
unterhielten, zurück. Selbst der IWF suspendierte das
Armutsbekämpfungs- und Wachstums-
Programm (PRGF). Premierminister
Cellou Dallein Diallo versuchte mit
noch rigoroseren neoliberalen Reformen
das vom IWF finanzierte PRGFProgramm
wieder anzukurbeln, unter
anderem mit einer Aufhebung der Preiskontrollen
für Benzin. Diese Reformen
begleitete Inflation, von 27 Prozent 2005
auf 30 Prozent 2006.
Aber nicht alle ausländischen Investoren
hielten sich zurück: Die kanadischen
Konzerne „Global Alumina‘s“ und „Alcoa
and Alcan“ mit dem Bau von Aluminiumwerken,
die größte Investition im
subsaharischen Afrika seit dem Bau der
Tschad-Kamerun-Ölpipeline. Der USÖlmulti
Hyperdynamics Corp. erreichte
2006 die Konzession für eine 80 000
qkm große Offshore-Öllagerstätte.
2008 erfolgte nach dem Tod des langjährigen
Präsidenten Lansana Conte
ein Militärputsch, der aber dazu führte,
dass – von der politischen Isolierung
durch die EU, Afrikanische Union und
Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft
CEDEAO abgesehen – die internationalen
„Geldgeber“, darunter
die G-8, die Weltbank und der Weltwährungsfonds,
ihre Entwicklungsprogramme
erheblich drosselten, was abnehmende
Investitionen und eine weiter
steigende Inflation zur Folge hatte.
Um gegenzusteuern, setzte die Militärregierung
auf die chinesische Karte:
Der China International Fund war
bereit, mehr als 7 Milliarden Dollar in
die Infrastruktur zu investieren und bot
eine „strategische Partnerschaft“ in allen
Bergwerksprojekten an.
Nach einem Attentat 2010 auf Junta-
Chef Camara wurde die Militärregierung
von einer Übergangsregierung
abgelöst. Die ersten als demokratisch
beurteilten Wahlen gewann der langjährige
Oppositionsführer Alpha Condé
– in der Stichwahl gegen dem ehemaligen
Premierminister Diallo (Dezember
2004 bis April 2006). Die neue
Regierung löste umgehend das Kooperationsabkommen
mit China und erließ
im Gegenzug im Jahre 2011 ein Gesetz,
das dem Staat eine freie Mindestbeteiligung
von 15 Prozent an allen ausländischen
Unternehmen sichern sollte
und Maßnahmen enthält, die die Korruption
wenigstens erschweren und die
Umwelt schützen sollten. Der erpresserische
Protest des Hauptinvestors
Rio Tinto oder des russischen Multis
Rusal, es sei nunmehr „sinnlos, in Entwicklung
und neue Projekte zu investieren“,
war bald vergessen. Wohl nicht
zuletzt, weil die daraus abzuleitenden
Milliarden Dollar Gewinnbeteiligung
bis heute nicht eingefordert wurden
und wohl verfallen sind.
Der IWF und die Weltbank drängen
entschieden, dass Guinea versucht, seine
Schulden zu tilgen. Immerhin konnte
das Land seine Auslandsschulden von
geschätzten 3 Milliarden Dollar Ende
2011 auf etwa zweieinhalb Milliarden
Ende 2012 verringern, so dass weitere
Kredite und neue Entwicklungsprogramme
gesichert scheinen.
Die Höhe der zu erwartenden Direktinvestitionen
des internationalen Finanzkapitals
wird davon abhängen, inwieweit
die Regierung die Korruption
bekämpft, das veraltete Bankensystem
reformiert, die Infrastruktur und vor
allem ein produktives Geschäftsklima
schafft, so nicht nur das CIA-factbook,
sondern auch IWF und Weltbank, an deren
Tropf das Land hängt.
Immerhin werden die 2012 getätigten
Investitionen auf 20 Prozent des Buttoinlandsprodukts
geschätzt.
Wahlen – um das Geschäftsklima zu verbessern
Der umstrittene Präsident Alpha Condé
hatte 2010 versprochen, innerhalb
von sechs Monaten Parlamentswahlen
abzuhalten. Doch dieser Termin wurde
immer wieder verschoben. Es ging um
die Besetzung der „Unabhängigen nationalen
Wahlkommission“ CENI. Erst
der Rücktritt des Vorsitzenden machte
im September 2012 den Weg für einen
Kompromiss frei. Der frühere Außenminister
Bakary Fofana als CENI-Präsident
vermittelte, die Regierung setzte als
Wahltermin den 12. Mai an. Auch dieser
Termin ließ sich nicht halten, denn zwei
Fragen blieben noch strittig: die Einbeziehung
der im Ausland lebenden Guineer,
was die Opposition verlangte, und
das mit der technischen Durchführung
beauftragte Privatunternehmen. Die
Opposition lehnte die südafrikanische
Firma Waymark ab und verlangte, die
französische Firma SAGEM damit zu
betrauen. Die südafrikanische Zeitung
„mail & gardian“ sagt, was Sache ist:
Präsident Condé wird als eine der wenigen
Stützen Südafrikas in der Region
angesehen, den Einfluss Frankreichs im
frankophonen Afrika zurückzudrängen.
Den von dem UNO-Beauftragten vermittelten
Kompromiss akzeptierte Condé,
nämlich die Einbeziehung der Auslands-
Guineer, im Gegenzug die Opposition
einen abgespeckten Auftrag
an Waymark. Es wurde eine Wahlkontrollkommission
eingerichtet und der
Termin auf den 24. September gelegt.
Um „Anpassungen“ vorzunehmen –
Wählerlisten zu korrigieren, erst 78 Prozent
der Wählerkarten waren verteilt –
musste auf Druck der Opposition die
Wahl noch einmal verschoben werden
auf ein historisches Datum, den Jahrestag
der Unabhängigkeitserklärung 1958.
Am gleichen Tag veröffentliche die satirische
Wochenzeitung „Le Canard Enchainé“
Dokumente des CIA und des
französischen Geheimdienstes: Französische,
südafrikanische und israelische
Söldner, die eine Pseudopartei gegründet
hatten, bereiteten einen Staatsstreich
vor. Die Regierung nahm die
Drohung ernst, denn der dahinter stehende
Spekulant war in Conakry kein
Unbekannter: der französisch-israelische
Milliardär Beny Steinmetz. Er stehe
auch mit den Bürgerkriegen in Angola
und Sierra Leone in Zusammenhang.
Die Wahlen gingen relativ ruhig, aber
unter Hochspannung über die Bühne.
Die Wahlbeobachter der EU äußerten
ernste Kritik gegen CENI und Regierung.
Obwohl noch kein offizielles Resultat
bekannt war, rief der bei der Präsidentenwahl
unterlegene Diallo, Führer der größten Oppositionspartei, den Sieg
aus, was das Regierungslager dementierte.
Regierung und Opposition beschuldigten
sich gegenseitig, Wahlfälschungen
begangen zu haben. Der UNORepräsentant
forderte die Parteien auf, den „Urteilsspruch der Wahlurnen“ zu
respektieren. Am 3. Oktober entschied
die Opposition, sich nicht mehr an der
Auszählung der Stimmen zu beteiligen,
um tags darauf die Annullierung der gesamten
Wahl zu verlangen. Die UN hatte
sogar Hubschrauber organisiert, um
den Transport der Wahlunterlagen in die
Hauptstadt zu gewährleisten, aber die
Auszählung dauert noch an.
Business als usual?
Noch ist nicht klar, ob die Wahlen das
Siegel „demokratisch“ verliehen bekommen
nach der Maxime „besser ein
wenig Legitimität als keine“. Die intensiven
Bemühungen des UN-Sonderbeauftragten
Said Djinnit, zwischen Regierung
und Opposition zu vermitteln,
bleiben möglicherweise erfolglos, meldet
die Deutsche Welle. Unruhen, Straßenkämpfe,
ein Staatsstreich scheinen
ausgeschlossen. Noch ist nicht klar, ob
der als Sozialist bezeichnete Alpha Condé
oder der neoliberale Diallo das Rennen
macht.
* Aus: Wochenzeitung "unsere zeit", Freitag, 11. Oktober 2013
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